Bewegungsunschärfe: Zwischen zwei Genres

Bewegungsunschärfe als Abstraktionsmethode ist ein grossartiges Experimentierfeld für wagemutige Fotografinnen. Sinnvollerweise operiert man dabei aber im manuellen Modus der Kamera und probiert verschiedene Ausstellungen aus.

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Hanspeter Lang aus Hausen in der Schweiz schreibt: Das Bild entstand im Hallenstadion in Zürich. Mein Ziel war es, die Dynamik und die Bewegungen durch Bewegungsunschärfe zu zeigen. Ich wählte eine Belichtungszeit von 1/20 sec bei Blende 10 und habe wegen dem hellen Hintergrund etwas überbelichtet. Die Kamera hielt ich in der Hand, ohne Stativ.

Vier Eishockey-Spieler sind in dieser Farbaufnahme knapp zu erkennen, zwei in rotem Dress in der linken Hälfte des Bildes, die beiden anderen,  offenbar in einen Zweikampf verstrickt, in der rechten Hälfte. Der Hockeystock des einen dieser beiden ist das einzige einigermassen scharf abgebildete Objekt in der ganzen Aufnahme. Das gesamte Bild ist in Bewegungsunschärfe verwischt. Die Perspektive von relativ steil oben zeigt als Hintergrund der Spieler das Eisfeld. Über dem ganzen Ausschnitt liegt ausserdem ein Muster, welches den Eindruck von Papier mit Prägestruktur ergibt.

Das Bild hat für mich zwei Stopp-Momente:

Zunächst frage ich mich, was ich an dem Hockeystock wichtig finden soll. Ist das eine spezielle Bewegung? Weiterlesen

Momentaufnahme: Siesta in Cuba

Ein Schnappschuß, der eine Geschichte erzählt.

NIKON D4S - 1/200s f/7.1 - 170 mm - ISO 800 - (c) Adelheid Maria Prünte

NIKON D4S – 1/200s f/7.1 – 170 mm – ISO 800 – (c) Adelheid Maria Prünte

Adelheid Maria Prünte aus Menden schreibt zu diesem Bild:

Ende November, Anfang Dezember war ich für 15 Tage in Cuba. Begeistert kam ich zurück. Am besten wird man in Havanna mit dem Fahrradtaxi befördert. Es war Mittagszeit und der Fahrer legte eine Pause ein. Gerade in dem Moment als ich den Auslöser betätigte, stieß er den Rauch seiner Zigarre aus. Für mich bedeutet das Foto,…. Cuba wie es leibt und lebt.

Zu sehen ist hier ein Mann, der auf etwas Autositzähnlichem ausruht, von der Kamera abgewandt. Der Rahmen darum herum, wie auch seine Armlehne, lassen erraten, daß es sich um irgend eine Art Fortbewegungsmittel handeln muß. Er ist eher dunkelhäutig und sieht von dieser Perspektive fast asiatisch aus, also hätte ich den Ort nicht unbedingt erraten können. Weiterlesen

Buchrezension «Kompendium digitale Fotografie»: Ein lockeres Lehrbuch

Das «Kompendium digitale Fotografie» gibt dem fortgeschrittenen Einsteiger die theoretischen UND praktischen Werkzeuge in die Hand, seine bereits gesammelten fotografischen Erfahrungen umzusetzen und weiterzuentwickeln.

"Kompendium digitale Fotografie" von Tilo Gockel

„Kompendium digitale Fotografie“ von Tilo Gockel

 

Level: Einsteiger, Fortgeschritten
Genre: gemischtes Lehrbuch
Benutzbarkeit*: 8
Preislevel**: €€€
Ein solides Buch für den anspruchsvollen Einsteiger, der bereits einige Erfahrung mit Fotografie gesammelt hat, die er jetzt auf ein gewisses theoretisches wie praktisches Fundament bewegen möchte.
* 1 – eher nicht, 5 – geht so, 10 – super
** € (sehr billig) bis €€€€€ (überteuert)

Ein fundiertes Lehrbuch – aber trotzdem locker

Tilo Gockel erwähnt im Vorwort, er habe ein Lehrbuch schreiben wollen, kein Bilderbuch – aber dennoch eines, das trotzdem ein Kompromiß sein sollte zwischen rein grafischen Publikationen und großen Lehrwerken, die der Zeit hinterher sind. Diesen Mittelweg zwischen zu vielen Formeln/Theorie und zuviel Veranschaulichung ist er recht gekonnt gegangen. In der Fotografie, da stimme ich mit ihm überein, zählt zwar letztlich die Kreativität, und nicht nur die Technik, aber “oft können kreative Fotografen die Bildideen in ihrem Kopf nicht umsetzen, weil es am Detailwissen zur Technik hapert.“ Mit anderen Worten: man sollte nicht nur seine Kamera kennen, sondern auch wissen, wie bestimmte Ergebnisse erzielt werden. Weiterlesen

Kazuma Obara: Überlagerter Film aus Pripyat

Der japanische Fotograf Kazuma Obara dokumentiert die Folgen der Reaktorkatastrophe von Fukushima. Jetzt hat er ein Fotoprojekt auf Jahre alten, unbelichteten Film aus der Region Tschernobyl aufgenommen.

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© Kazuma Obara – Bilder aus Pripyat auf Film aus Pripyat

Die bisher schlimmste Nuklearkatastrophe erlebte die Welt 1986, als ein Reaktor des sowjetischen Atomkraftwerks Tschernobyl ausser Kontrolle geriet. Der radioaktive Staub aus dem Reaktorbrand verteilte sich über ganz Europa.

Fünf Monate nach der Katastrophe wurde in Kiew in der heutigen Ukraine, keine 100 Kilometer südlich von Tschernobyl, ein Mädchen geboren. Diese Bildserie des japanischen Fotografen Kazuma Obara soll die letzten dreissig Jahre im Leben des Mädchens aus Kiew repräsentieren. Weiterlesen

Schneckenfoto: (Zu) nah dran

Manchmal ist man nicht nah genug am Objekt, weil man nicht näher herangehen kann: Das Problem heisst «Naheinstellgrenze». Dieses originelle Schneckenbild zeigt das auf.

Schnecke auf einer Strasse

© Rolf Steinemann – 250/s bei f/8 und ISO 200, Nikon D5000, 18-200 3.5-5.6

Rolf Steinemann aus Neuhausen schreibt zu diesem Bild:

Letzen Sonntag bei einem leichten Regenschauer habe ich dieses Bild festgehalten. Es wurde noch nicht bearbeitet, um unterschiedliche Resultate zu diskutieren. Persönlich würde es mir ein Hintergrund mit mehr Unschärfe besser gefallen. Zusätzlich einen Schnitt „vorne, links“ um den weiteren Weg „grösser“, resp. imposanter wirken zu lassen. Durch das triste Wetter wäre evt. S/W auch prüfenswert. Evt. gibt aus auch noch spannendere Alternativen.

In dieser Farbfotografie sehen wir eine Weinbergschnecke, die auf einer verregneten Landstrasse in Richtung der Kamera kriecht. Den Vordergrund macht bis zur vertikalen Bildmitte die regennasse Teerfläche der Strasse. des Spiegelnden Himmels wegen ist sie zu grössten Teilen sehr hell bis fast weiss. Die Schnecke ist in der Komposition im Goldenen Schnitt/im Drittel von links angeordnet.

Da hattest Du eine witzige Bildidee: Eine Schnecke, die scheinbar zielstrebig auf einer (viel zu breiten Strasse) unterwegs ist. Die Bildkomposition ist in den wesentlichen Punkten in Ordnung, vor allem die Platzierung der Schnecke ist stimmig. Weiterlesen

Fotowettbewerbe: Für Ruhm und Ehre?

Fotowettbewerbe gibt es wie Sand am Meer. Die Gewinner ernten Ruhm und Ehre und können dabei auch noch was lernen. Oder?

Wer ist der beste Fotograf? - Darius Kupczak (c)

Wer ist der beste Fotograf? – Darius Kupczak (c)

Ich habe bereits mal mehr, mal weniger erfolgreich an einigen Fotowettbewerben teilgenommen. Sei es in meinem Foto-Club, beim DVF, auf der Photokina oder bei Foto-Magazinen, der Ablauf ist immer sehr ähnlich. Der Ausrichter gibt Regeln, Thema (oder mehrere Themen) vor und bestimmt, was die Teilnehmer gewinnen können. Die Teilnehmer reichen ihre Beiträge ein, eine Jury bewertet die Beiträge und am Ende steht ein Gewinner fest. So weit, so gut.

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HDR-Momentaufnahme: Schwarzweiß hätte schon gereicht

Wenn man HDR als Weg der Nachbearbeitung einschlägt, sollte man  jenen auch voll zuende gehen.

FUJI X 30 - ƒ/7.1 - 10.8 mm bei 2/3 Zoll Sensorgrösse , 1/80 Sekunde, 320 ISO. Blendenvorwahl, ISO-Auto bis 800 - (c) Michael Teuber

FUJI X 30 – ƒ/7.1 – 10.8 mm bei 2/3 Zoll Sensorgrösse , 1/80 Sekunde, 320 ISO. Blendenvorwahl, ISO-Auto bis 800 – (c) Michael Teuber

Michael Teuber aus München schreibt zu diesem Bild, das er unter dem Titel „Greed“ (= „Gier“) eingereicht hat:

Das Bild wurde anlässlich des diesjährigen „Wave Gotik Treffen“ in Leipzig an der Moritzbastei mit meiner Strassenkamera, einer FUJI X 30 aufgenommen. Die Situation an der Moritzbastei ist mittlerweilen die, das dort auf 10 Teilnehmer ( mit entsprechender Bekleidung und extrovertiertem Äusseren ) ein Fotograf kommt, der diese Teilnehmer, in der Hoffnung auf möglichst spektakuläre exzentrische Bilder, gefragt oder ungefragt abbildet. Angesichts des vollkommenen Verlustes jeglicher Privatspäre bei so einem Festival in diesem öffentlichen Raum dürfte es auch rechtlich vollkommen irrelevant sein, ob man diese Personen erkennt oder nicht.

Ich habe nun mal den Spiess umgedreht und versucht, auf sehr überzeichnende Weise mit HDR-Bearbeitung diese Sensationsfotografen in ihrer Gier abzubilden. Daher auch der Bildtitel.

Mir ist schon klar, das das ein äusserst provokantes Foto ist, aber es zeigt ja auch die Realität der heutigen Bilderwelt, wo es nur noch um Sensation und aufreisserische Bilder geht. Insofern ist dieses Bild ein innerer Spiegel der hier fotografierenden Menschen.

Wer das nicht glaubt, kann gerne mal „Bilder WGT“ ergoogeln.

Genau das habe ich erst einmal getan, bevor ich mir das Foto zur Besprechung ausgesucht habe. Und in der Tat, man sieht auf manchen Aufnahmen eine riesige Gruppe Fotografen, die auf eine Person draufhalten. Insofern war der ursprüngliche Titel durchaus zutreffend. Weiterlesen

Katzen-Porträt: Ginger zum Leuchten bringen

Ein gut fotografiertes Katzenporträt kann man mit wenigen Bearbeitungsschritten zu einem Hingucker machen. Dabei zeigt sich rasch, wie sehr es sich lohnt, sich mit den grundlegenden Schritten der Bildbearbeitung auseinanderzusetzen.

Ginger. © Arne Wollenhaufen Canon EOS 400D Digital; EF28-135mm f/3.5-5.6 IS USM Motiv-Programm „Portrait“; ƒ/5.6; Brennweite 95.0 mm; 1/60; ISO 400; Blitz (automatisch, ausgelöst)

Arne Wollenhaupt aus Neu-Isenburg schreibt zu diesem Bild:

Katzenbilder gibt´s im Internet ja weiß Gott genug. Angeblich wurde es nur erfunden, damit man seine Katzenfotos posten kann…

Das Bild entstand an einem Abend im Januar 2011. Ich habe das Bild mit dem Motivprogramm „Portrait“ gemacht – Einstellungen wie Blende, Verschlusszeit, ISO usw. sind also nicht mein „Verdienst“. Das für mich so Besondere an diesem Bild sind die Augen. Meistens erwischt man eine Katze ja entweder mit weit geöffneten, runden oder ganz geschlossenen Augen. Der Blick auf diesem Foto strahlt für mich eine gewisse „stolze Arroganz“ aus. Und damit ist Ginger ganz gut charakterisiert. Nach meinem Empfinden als Glücksfall hat sich der dunkle Hintergrund erwiesen.

Das Bild habe ich „out-of-Cam“ hochgeladen. Mit EBV bin ich „überfordert“, weil ich zwar an den Reglern drehen kann, aber nicht wirklich weiß, was ich da tue. Auch braucht das Bild sicher einen Beschnitt. Der weiße Fensterrahmen unten rechts muss weg. Aber sonst?

Arne, Du hast hier wirklich einen tollen Moment fotografisch eingefangen.

Der Blick Deiner Katze Ginger spricht Bände, typisch Katze: „Ich schaue jetzt erst recht nicht in die Kamera, nur weil du da stehst und mich fotografieren möchtest!“ Gerade der Blick an der Kamera vorbei macht’s aus:  Weiterlesen

Fotoreportage: Eine Story in elf Bildern

Wie schwierig ist es, eine Geschichte, ein Ereignis, ein Erlebnis mit wenigen Bildern fesselnd zu beschreiben? Alexandra Stark macht’s mit einer kurzen Serie über einen Ausflug ins Hölloch vor.

Hölloch - © Alexandra Stark

Im Hölloch – © Alexandra Stark

In einer Zeit, in der alles fotografiert und ganze soziale Netzwerke nur noch aus Bildkommunikation bestehen, müssten wir doch eigentlich alle fähig sein, ganze Geschichten in wenigen Bildern zu erzählen. Dabei ist das gar nicht so einfach, und es wird mit steigender Zahl der Fotografien nicht leichter.

Das Geheimnis steckt in der Auswahl der Aufnahmen, ihrer Aussage und der Kraft, die jedes Element in der Reihe hat. Kann es die Geschichte weiterdrehen? Gibt es Antworten auf die Fragen, die sich die Betrachterin automatisch stellt?

Ich bin dieser Tage über eine kleine Bildserie der Journalistin Alexandra Stark gestolpert. Nach einem 30stündigen Ausflug in das verzweigte Höhlensystem des Schwyzer Höllochs (insgesamt 190 km) ist es ihr gelungen, mit wenigen Bildern die ganze Geschichte so zu erzählen, dass man als Betrachter einen ziemlich guten Eindruck des Erlebnisses gewinnt. Und das ohne eine einzige Bildlegende. Hier sind die 11 Bilder in der Reihenfolge von Alex‘ Reportage; Anhand dder Bildnummern ist erkennbar, dass sie weit über 100 Bilder zur Auswahl hatte. Und ich finde, Alex hat die Aufgabe extrem gut gemeistert: Die Bildserie schildert kohärent, wie sie den Ausflug erlebt hat: Ankunft im Schnee, Stiefel fassen, Besprechung im Höhleneingang, Stalaktiten und Stalagmiten, Enggpässe, durch die man sich zwängen muss, Trinkwasser von den Höhlenwänden, Biwak mitten im Berg mit verblüffender Einrichtung, ein letztes Durchzwängen.

Einige der Bilder sind mit dem iPhone, andere mit einer [amazon B00NN6J6R6]Lumix LX100[/amazon] aufgenommen worden.

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Hölloch © Alexandra Stark 2016

Color Key in Gartenfoto: Frage nach dem Warum?

Wenn Color Key in einem Bild zum Einsatz kommt, fragt man sich unwillkürlich nach dem Grund für diese Bearbeitungsentscheidung.

ISO 320 - 18mm - f/9.0 - 1/80 - (c) Mario Zaunschirm

ISO 320 – 18mm – f/9.0 – 1/80 – (c) Mario Zaunschirm

Unser Leser Mario Zaunschirm hat uns dieses Foto unter dem Titel „Silent Garden“ eingereicht und wünscht sich eine konstruktive Kritik.

Im Sinne voller Offenheit: ich bin kein Freund von Color Key, im Gegenteil. Bis auf SEHR wenige Ausnahmen macht Color Key als Stilelement für mich absolut keinen Sinn. Es ist eine gute Fingerübung für Ebenenmaskierung, und das ist es dann auch.

Das war das erste, was mir bei Deinem Bild einfiel, und deshalb wollte ich es auch erst nicht besprechen. Was mich schließlich doch bewogen hat, war, daß es ein paar Elemente gibt, die Dein Foto trotzdem noch ansprechend machen, auch für mich. Es ist darum das, was der Amerikaner einen „teachable moment“, also einen guten Zeitpunkt nennt, um etwas für den anderen Wichtiges/Interessantes/Wertvolles/(…) rüberzubringen. Weiterlesen