Buchrezension «Meilensteine»: Lust auf Fotografie

In den fast 200 Jahren seit der Erfindung der Fotografie gab es Momente – und Menschen  –  die das Medium nachhaltig geprägt und richtungsweisend verändert haben. Florian Heine hat sie in seinem Buch gesammelt.

Cover - (c) Florian Heine

Cover – (c) Florian Heine

Level: Alle
Genre: Lehrbuch
Benutzbarkeit*: 8
Preislevel**:
Ein Kurzabriß wichtiger Momente – und Menschen – die die Fotografie, wie wir sie kennen, nachhaltig geprägt haben.
* 1 – eher nicht, 5 – geht so, 10 – super
** € (sehr billig) bis €€€€€ (überteuert)

Es ist nicht einfach, Meilensteine der Fotografie in einem Buch abschließend festzuhalten, und schon garnicht auf weniger als 200 Seiten. Man muß sich auf ein paar wesentliche Zeitpunkte und Fotografen/Fotografinnen konzentrieren, und es ist praktisch nicht zu verhindern, daß man ob der getroffenen Auswahl ein paar wegläßt, die andere hinzugefügt hätten.

Heine stellt auch nicht den Anspruch, ein definitives und abschließendes Werk über Fotografiegeschichte geschaffen zu haben, was sowieso eine mehrbändige Enzyklopädie füllen würde, sondern einen Querschnitt, und, in den Worten von Martin Parr, der das Vorwort verfaßt hat, Lust auf Fotografie machen. Das ist ihm meines Erachtens gelungen. Weiterlesen

Abstraktion aus der Kamera: Bewegte Brücke

Mit minimalen Belichtungsverfehlungen lassen sich zeitweilig sehr spannende Fotos machen. Hier hat der Fotograf die Kamera bewegt – und ein paar andere Tricks angewandt.

Oberbaum-Brücke in Berlin in Bewegung

Oberbaum-Brücke in Berlin in Bewegung. © Martin Wolfert

Martin Wolfert aus Waldbronn: Das Foto habe ich in Berlin auf der Oberbaumbrücke mit einer längeren Belichtungszeit mit meiner [amazon B00NEBL18M]Fuji X100[/amazon] aufgenommen.
Während des Auslösens habe ich die Kamera ein wenig vertikal nach oben gezogen, um den Bewegungseffekt zu erreichen. Das Foto wurde in Photoshop unter Zuhilfenahme verschiedener Ebenen und zwei zusätzlichen Hintergrundbildern stark bearbeitet. Das Ziel meiner Bearbeitung war es, die Lichtstimmung in der Bildmitte vom dunklen Vordergrund zu separieren, und beides abstrakt zu „interpretieren“.

In diesem quadratisch geschnittenen Bild blickt der Betrachter durch den Innenraum einer gedeckten, stark abstrahierten (Holz-) Brücke in den hellen Teil. Dort sind mindestens vier Personen knapp erkennbar, die aus dem Bild heraus auf den Betrachter zuzugehen scheinen. Die Aufnahme wirkt in der Vertikalen stark bewegt, hat etwas von einem Aquarell, weist aber auch einen durchgehenden Schleier eines Marmor-Musters auf und zeigt in der Bildmitte einen seltsam glühenden roten Punkt.

Der Punkt: Er stört mich, muss ich sagen. Wie überhaupt die zweite Bildebene. Aber der Reihe nach: Weiterlesen

Nostalgie-Postkarte: Fotografie braucht Absicht

Man kann Fotografien objektiv beurteilen – nach ihren technischen Daten und der Ausführung der Belichtung. Eine Wertung und Tipps zu Verbesserungen kann eine solche Einschätzung aber nur aufweisen, wenn der Zweck der Fotografie bekannt ist.

Ruinen von Meroe

Das Königreich von Kusch.

Maria-Elisabeth Brusdeylins aus Celle schreibt zu diesem Bild: Für eine objektive Kritik wäre ich Ihnen sehr dankbar.

In dieser Farbfotografie sind in einer Sandwüste hinter schwarzen Felsen im Vordergrund die Ruinen von Pyramiden zu sehen, die sich vom rechten Bildrand  mit der am nächsten stehenden Pyramide in der horizontalen Bildmitte nach links aneinander reihen. Die Aufnahme weist einen Sepiaton für die Ruinen und den Sand der Wüste auf. Hinter dem Objekt der Aufnahme spannt sich ein dunkelblauer, körniger Himmel ohne weitere Fixpunkte auf. Am Horizont in der linken Bildhälfte hinter den Ruinen sind eine Reihe Masten zu erkennen, die von einer Hochspannungsleitung rühren könnten.

Diese Aufnahme erinnert mich stark an die Postkarten, welche meine Grosseltern aus aller Herren Länder heimgebracht hatten: Weiterlesen

Fluchtpunkt: Rhein (fast) ohne Wasser

Ungewöhnliche Situationen schaffen ungewöhnliche Bilder, wenn man nicht einfach drauflosfotografiert. Dieses Bild zeigt, wieso.

(c) Jürgen Huber

(c) Jürgen Huber

Jürgen Huber aus Kelkheim schreibt zu diesem Bild:

das Bild zeigt den Rhein bei Nackenheim (Rhld.-Pfalz) im November 2011, als nach einer längeren Trockenperiode weite Teile des Flussbetts ausgetrocknet und begehbar waren. Der Schifffahrt blieb nur eine schmale Fahrrinne, die wegen fehlender Wassertiefe auch nur mit geringerer Ladung befahren werden konnte (ganz links im Bild). Wie wir haben auch Andere die Gelegenheit genutzt, im ausgetrockneten Teil des Flussbetts spazieren zu gehen. Der freigelegte Flussboden ist nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, mit Kieseln, sondern mit Tausenden Schalen von Flussmuscheln bedeckt. Die Sonne stand jahreszeitlich bedingt sehr tief. Das Motiv ist nur nach Süden aufzunehmen, so dass zu dieser Tageszeit Gegenlicht nicht vermeidbar war. Daraus resultieren auch die sichtbaren Sonnenstrahlen (die zu meinem Erstaunen nicht parallel zu den ebenfalls von der Sonne erzeugten Schatten laufen). Bezüglich der Personen ist das Bild nicht „arrangiert“.

Das Bild wurde im Format 4:3 aufgenommen, aber durch Beschneiden oben und unten auf Format von ca. 2:1 gebracht. Ansonsten habe ich in der Nachbearbeitung nur den Kontrast etwas angehoben. Aufnahmedaten: Blende 8,4; 1/350 Belichtungszeit und WW 6,3 mm Brennweite (entspr. 36 mm bei KB); Kompaktkamera (Samsung ES 55; 6,3-18,9 mm).

 

Ich bin in Karlsruhe, also am Rhein, aufgewachsen, habe den Fluß jedoch nie ohne Wasser gesehen. Man sieht auch nicht unbedingt, um welchen Fluß es sich handelt. Das ist bei diesem meines Erachtens gelungenen Schnappschuß aber auch egal. Du zeigst, wie man eine ungewöhnliche Situation – Fluß ohne Wasser – einfangen kann, ohne einfach draufloszufotografieren. Ganz klar hast Du Dir hier Gedanken gemacht, auf den richtigen Moment gewartet, anstatt willkürlich irgendwelche Bilder aufzunehmen. Weiterlesen

Die Galette: Licht von allen Seiten

Mit dem richtigen Licht oder etwas Nachbearbeitung wird aus dem  Schnappschuss eines Alltagsvorganges plötzlich eine poetische Szene. Kleine Brüche schaffen einen besonderen Reiz.

Eine Galette wird vor der dampfenden Creperie an den Kunden gereicht. Fotografie mit Nachbelichtung

1/800s, 270mm, f/6.3 bei 200 ISO und Blendenautomatik. © Ulrich Berens

Ulrich Berens aus Donauwörth: Das Foto entstand auf einem Hafenfest in Frankreich, das ich zufällig besuchte. Dort gab es einen Stand, an dem herzhafte Galettes (bretonische Buchweizenpfannkuchen) frisch gebacken wurden. Durch den dunklen Hintergrund und den Lichteinfall dampfte die heiße Crêpière sehr, sehr plastisch und der leckere Geruch der Galettes trug meterweit. Wegen des Andrangs am Stand kam ich aber nicht richtig nah ran und musste mein Reisetele voll ausfahren. In der Menschenmenge (ich wurde ständig angerempelt) machte ich freihändig schnell zwei Fotos, als ich auf die Crêpière kurz mal freie Sicht hatte. Ein Foto wurde leider etwas unscharf. Dieses Foto finde ich eigentlich sehr schön, bin mir aber unsicher über die Bildkomposition, weil sie doch sehr „mittig“ geraten ist. Das Bild habe ich ein wenig nachgeschärft.

Eine dampfende Galette (nicht zu verwechseln mit der dünneren Crêpe) wird in dieser Farbaufnahme auf dem Spachtel des Bäckers dem Kunden, der einen weissen Plastikteller hinstreckt, überreicht. Der Ausschnitt der Fotografie deckt nur die Arme und Hände über der Crêpière, die sehr deutlich sichtbar vor sich hin dampft. Kunde wie Bäcker tragen dunkle T-Shirts, was dem Bild links und rechts einen dunklen Abschluss verleiht. Im untersten Bildstreifen sind der obere Teil eines Nutella-Glases und zwei Zuckerpackungen mit lesbarer Aufschrift zu erkennen.

In jeder Hinsicht im Zentrum Deiner Aufnahme stehen die Galette und die Hand des Bäckers, die sie schon fast zärtlich in den nächsten Sekundenbruchteilen vom Spachtel auf des Kunden Teller schieben wird: Weiterlesen

Das Auge umgewöhnen: In anderen Bildern denken

Sobald man von seiner gewohnten Kamera auf eine andere umsteigt, muß man diese nicht nur lernen, man muß auch sein Auge (und Gehirn) umschulen, es an die neuen bildlichen Ergebnisse gewöhnen. Das gilt umso mehr, wenn die Umgewöhnung auf ein analoges Medium geschieht, mit dem man davor nicht gearbeitet hat.

Lake View Cemetery in Cleveland/Ohio - (c) Sofie Dittmann

Lake View Cemetery in Cleveland/Ohio – (c) Sofie Dittmann

Diese Umgewöhnung geht über die bloße Beherrschung der Kamera hinaus – es ist irgendwo der psychologische Effekt, die erste Reaktion aus dem Bauch, wenn man zum ersten Mal sieht, was man da fotografiert hat. Man muß lernen, mit ihr nicht nur technisch, sondern auch kreativ umzugehen. Weiterlesen

Perspektiven in Heidelberg: Blass ohne Grund

Fotos kommen meistens nicht perfekt aus der Kamera. Sie unbearbeitet zu lassen, läßt mich als Betrachter im Regen stehen. Hier hätte es zumindest eine Farbkorrektur gebracht.

Nikon D70 - f/9 - 1/320 s - ISO 640 - 50 mm - (c) Lisa Rossbach

Nikon D70 – f/9 – 1/320 s – ISO 640 – 50 mm – (c) Lisa Rossbach

Lisa Rossbach aus Heidelberg schreibt zu diesem Bild:

„Das Bild habe ich in Heidelberg auf dem Unigelände aufgenommen, wo es überwiegend Architektur aus den 80er Jahren gibt. Ich habe mit unterschiedlichen Formen und Perspektiven gespielt um eine spannende Komposition zu erreichen.“

Es ist fazinierend, was mal architektonisch als schön galt. Zumindest ist es irgendwo fotografisch interessant, und das hast Du hier gezeigt. Weiterlesen

Sonnenaufgang am Steg: Auf Bildränder achten

Insbesondere bei minimalistischen Aufnahmen ist „Grenzkontrolle“ an den Bildrändern unabdingbar.

NIKON D7000 - 1/250s - f/10 - 16 mm - ISO 100 - (c) Thomas Bannenberg

NIKON D7000 – 1/250s – f/10 – 16 mm – ISO 100 – (c) Thomas Bannenberg

Thomas Bannenberg aus Vechelde schreibt zu diesem Bild:

Die Aufnahme entstand kurz vor Weihnachtszeit 2014 herum, während eines Indonesienurlaubs auf der Insel Selayar, die südlich von Sulawesi gelegen im Indo-Pazifik liegt. Kurz nach Sonnenaufgang blickte ich aufs Meer hinaus und sah den mit Scheierwolken verhangenen Morgenhimmel und die gerade aufgehende Sonne.
Nun ist ein ins Wasser laufender (Boots)Steg natürlich prädestiniert für derartige Landschaftsaufnahmen, verleiht der die Fotos zusätzlich an Tiefe und Räumlichkeit. Dies wollte ich in meiner Aufnahme ebenfalls mit einfließen lassen. In der gezeigten s/w-Bearbeitung liegt das Augenmerk, im Vgl. zu der Farbversion, stärker auf dem hörzernen Steg und dem Wolkenhimmel, wobei letzterer m.E. entscheidend(er) für die Bildstimmung ist.

„Steg ins Wasser“ ist eines dieser ergiebigen (Urlaubs-)Motive, die wir auch hier immer wieder zu sehen bekommen. Dankbarerweise in dieser Fall mit etwas zusätzlichem visuellen Interesse – oft sieht man den Steg vollkommen mittig in absolut ruhiges Wasser ragen. Hier bietest Du mir interessante Wolkenformationen und Steine (oder was sie auch immer sind) im Wasser, zusätzlich zur Maserung des Holzes. Weiterlesen

Buchrezension «Eine Geschichte des Fotojournalismus»: Die Kamera als Zeitzeuge

In einer Zeit, in der man überall mit Fotos und Video regelrecht überrannt wird, vergißt man gerne, daß es vor dem modernen Phänomen des „Citizen Journalist“ Leute gab, die sich an vorderster Front mit anfänglich primitivster Fototechnik – damals allerdings jeweils das Neueste vom Neuesten ins Getümmel gestürzt haben, und, daß das zu der Zeit revolutionär war.

Cover - (c) Wolfgang Pensold

Cover – (c) Wolfgang Pensold

Level: Alle
Genre: Lehrbuch
Benutzbarkeit*: 9
Preislevel**: €€
Eine Zeitreise durch fast zwei Jahrhunderte Fotojournalismus.
* 1 – eher nicht, 5 – geht so, 10 – super
** € (sehr billig) bis €€€€€ (überteuert)

Mit der Fotografie wurde auch der Fotojournalist geboren, und Pensold schlägt über 200 Seiten für uns den Bogen vom Krimkrieg Mitte des 19. Jahrhunderts und Roger Fenton, der damals mit Kollodiumplatten im Pferdewagen loszog, zum anonymen „Citizen Journalist“, der breiten Masse von uns, die ihre Smartphones auf alles draufhalten, was aktuell und berichtenswert erscheint. Weiterlesen

Test (2/2): Impossible Project Color 600 und Fujifilm Instax Wide

Sofortbildkamera und Sofortbildfilm ist nicht gleich Sofortbildkamera und Sofortbildfilm.

Polaroid 600/Fujifilm Instax Wide 300

Polaroid 600/Fujifilm Instax Wide 300

Dieser Artikel schließt sich an mein Interview mit meiner Tochter zum Thema Fujifilm Instax Wide an.

Weil ich selbst eine der alten Polaroid-Kameras besitze, habe ich meine Tochter gebeten, mir ihre [amazon B00QSHHL42]Instax[/amazon] auszuleihen. Ich wollte einfach mal wissen, ob beide vergleichbar sind. Mit zwei Pack Color 600 Film, die mir Impossible freundlicherweise zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt hat, und einem [amazon B00005NPPQ]Doppelpack[/amazon] für die Instax, den ich mir selbst zugelegt habe, war ich auf dem Hof einer Freundin unterwegs, die dort jede Menge schönen Schrott herumliegen hat. Der Film von Impossible trug das Produktionsdatum 12/15, war also noch bis 12/16 haltbar; der von Fuji noch bis 06/17. Weiterlesen