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High Dynamic Range: Flau statt bunt

Die Technik der HDR-Fotografie wird oft überstrapaziert, was zu quietschbunten, unnatürlich scheinen Bildern führt. Nicht so in diesem Fall – der aber die Frage aufwirft, wieso HDR angewandt werden sollte.

Schirmgasse

HDR-Fotografie, f/16, 47mm, Spotmessung © Matthias Czepl

Matthias Czepl aus Achern schreibt zu diesem Bild: Vor unserem letzten Urlaub hatte ich mich in der Theorie mit der HDR – Methode beschäftigt. Als ich dann mit meinem Sohn in Agde (Südfrankreich) auf diese Kunstinstallation stieß, wollte ich diese Technik mal ausprobieren. Die sehr dunkle Gasse mit den strahlendem Sonnenschein wurde mit 1/8, 1/60 und 1/250 bei Blende 16 belichtet (vom Stativ) und dann mittels Lightroom zusammengesetzt und bearbeitet. … und wie ich persönlich finde, hat die HDR – Methode hier gute Dienste geleistet. Was meint Ihr?

Es muss nicht immer HDR (High Dynamic Range, aus mehreren Belichtungen zusammengesetzte Bilder) sein. Sehr häufig würde abwedeln und nachbelichten durchaus reichen.

In dieser Farbfotografie sehen wir eine enge Gasse in einer offensichtlich südeuropäischen Stadt. Der Bildvordergrund ist geprägt vom Kopfsteinpflaster, links und rechts recken sich die Hausfassaden hoch und darüber öffnet sich nicht der Himmel, sondern ein Gespann von drei Reihen bunter Regenschirme. Im Bildzentrum öffnet sich die Gasse in eine Kreuzung mit einer zweiten, dort herrschen etwas bessere Lichtverhältnisse als im recht düsteren Vordergrund. Ganz im Bildzentrum ist ein Schmaler Blick auf eine von der Fassade beschienenen Fassade ganz zuhinterst in der Gasse zu sehen.

Es lohnt sich, den Umgang mit neuen Techniken behutsam und an Motiven zu üben, die man einschätzen und mit herkömmlichen Vorgehensweisen vergleichen kann. Insofern finde ich Deinen Ansatz, es hier mit einer HDR-Aufnahme zu versuchen, lobenswert.

[bildkritik]

Allerdings sollte man sich immer auch überlegen, ob man die neue Technik effektiv benötigt. In diesem Bild gibt es nur eine einzige Stelle mit einem Kontrastunterschied zum Hauptteil des Bildes, die möglicherweise in einer Belichtung nicht „Platz“ gehabt hätte, und das ist das sehr helle Stück Hausfassade ganz im Bildzentrum.

Wenn dieser helle Spickel nicht das Zentrum Deiner Komposition sein muss – und man kann durchaus argumentieren, dass er das aber sein soll und das Bild davon lebt – hättest Du mit einem Schritt nach rechts dafür gesorgt, dass eine längere Belichtungszeit und eine offenere Blende das Bild durchgehend ausreichend belichtet hätten.

Will heissen: Es gibt hier kaum einen Anlass, die doch recht komplexe Technik des HDR anzuwenden – die Dynamik des Sensors würde für dieses Motiv ausreichen. Du hast Dich entschieden, zwei oder mehrere Fotos mit verschiedenen Zeit- oder Blendenwerten aufzunehmen und sie so ineinander hinein zu rechnen, dass alle Bildteile „richtig“ belichtet sind. So werden Schatten und sehr helle Stellen „angeglichen“, damit sie in einem Bild mit Detailzeichnung dargestellt werden können, auch wenn das der hohe Kontrastumfang eigentlich im Tageslicht gar nicht zuliesse. Dies nennt man High Dynamic Range – Fotografie.

Du hast die Technik zwar sehr sorgsam angewandt und ohne die sonst so häufig sichtbaren Farbsäume zu generieren. Aber dafür hast Du offenbar für die heller belichteten Fotos vor allem mit der Empfindlichkeit statt mit Zeit oder Blende gearbeitet. Dadurch sind im Bild sehr deutlich die Grenzen von einer zur andern Fotografie in den Bereichen zu erkennen, wo das Bildrauschen sehr hoch ist.

Bildrauschen zeigt die Grenzen der überlappenden Fotos extrem gut an.

Bildrauschen zeigt die Grenzen der überlappenden Fotos extrem gut an.

HDR muss aber nur angewendet werden, wenn in einem Bild extrem helle und sehr dunkel Teile zusammen vorkommen. Das ist beispielsweise in praller Mittagssonne der Fall, wenn die Schatten schwarz und die von der Sonne beleuchteten Objekte am hellsten sind. Und das ist ein Grund, warum Landschaftsfotografen nicht mittags unterwegs sind.

In Fällen wie diesen ist aber der Kontrastumfang des Sensors bei weitem gut genug, um ein Bild ohne Über- und Unterbelichtung aufzunehmen – in einer Aufnahme. Es gibt ein paar Kniffe und Bedingungen, wie es gelingt.

  • Erstens sollte man die Bilder in der Kamera im RAW-Format speichern und nicht als JPG. Denn JPG ist auf 256 Helligkeitsstufen beschränkt. Das heisst, dass die Kamera zwar sehr viel feinere Abstufungen in den sehr hellen und den sehr dunklen Stellen erfassen kann, aber für die Abspeicherung im Bild wird der Kontrastumfang „zusammengedrückt“ und die eigentlich vorhandene Zeichnung gelöscht.
  • Zweitens sollte man die Bilder eher so belichten, dass im Histogramm jedenfalls Überbelichtungen ausgeschlossen werden können. Das heisst, die „Glocke“ der Helligkeitswerte sollte eher ein bisschen auf die Seite der Unterbelichtung rutschen. Und dazu muss man natürlich die Bilder im Kamera-Monitor mit Histogramm anschauen und die Einstellungen der Kamera (Blende, Zeit, ISO) manuell optimieren.
  • Drittens lohnt es sich, ein Stativ dabei zu haben, damit man in Sachen Belichtungszeit vollkommen frei ist und zum Beispiel auch Menschen im Bild durch Bewegungsunschärfe von Fremdkörpern zu Stimmungsträgern machen kann.
  • Jetzt kann man in der Nachbearbeitung die zu dunklen Bereiche individuell mit dem Nachbelichten hervorholen. Und das gelingt besser als der umgekehrte Vorgang, weil durch die bewusste „Unterbelichtung“ Bildrauschen vermieden worden ist.

Ich habe Deine Aufnahme in der unteren Region der Gasse nachbelichtet, und zwar ganz einfach in Lightroom mit dem Pinsel-Werkzeug und den Schiebereglern für die maskierten Teile.

Maskierung für die Nachbelichtung.

Maskierung für die Nachbelichtung.

Das Resultat ist noch heller belichtet und leidet unter diversen Erscheinungen, die auch darauf zurückzuführen sind, dass es sich bereits um ein Composite-Bild handelt, das aus mehreren zusammengesetzt ist. Es zeigt aber, dass hier ganz ohne die HDR-Technik leicht ein ausgeglichen belichtetes Bild hätte entstehen können, indem Du in der Nachbearbeitung herausholst, was im RAW-Negativ drin steckt, statt vor Ort mit sehr viel aufwändigerer Technik und einer ebenso komplexen Nachbearbeitung (Bilder zusammensetzen) zu einem weniger guten Resultat kommst.

Schirmegasse_hell-1

Touristen am Zytglogge: Näher ran

Bei hohen Kontrasten im Bildausschnitt muss auf das wesentliche Motivteil belichtet werden. Die Automatik der Kamera wird das häufig vermasseln.

Canon EOS 600D, 1/125s bei Blende 7 mit 55mm und ISO 100, "Tourists", © Lena Hahner

Canon EOS 600D, 1/125s bei Blende 7 mit 55mm und ISO 100, „Tourists“, © Lena Hahner

 

Lena Hahner aus Heidelberg: Ich habe dieses Bild in Bern geschossen. Ich kam durch den Torbogen der Zytglogge und sah dort eine Menschenmenge darauf warten, dass die Stunde schlägt. Als nur ein Glockenschlag ertönte, rissen alle ihre Kameras und Handys hoch, um den Moment einzufangen, anstatt es sich mit bloßem Auge anzusehen. Das hat mich so zum Lachen gebracht, dass ich wartete, bis es beim nächsten Mucks, den die Uhr von sich gab, wieder geschah. Dann habe ich abgedrückt.
Ich habe das Bild hinterher bearbeitet (s/w, einige Schatten und Kontrast verändert).
Ich halte das Bild von der Aufteilung her eigentlich für gelungen, auch wenn es da noch besser hätte sein können. Es kommt mir jedoch ein wenig zu unruhig vor – zu viele kleine Details, und der Fokus zu wenig auf den Menschen. Mich würde interessieren, was ich an meinen Kameraeinstellungen und der Bildkomposition hätte besser machen können, um den Moment besser einzufangen.

Du bist genau in die Mittagslicht-Falle gelaufen – und dagegen gäbe es zwei Abhilfen: Auf das eigentliche Motiv belichten oder eine Belichtungsreihe anlegen (HDR). Hier stellt sich indes die Frage, ob Du die richtigen Entscheidungen für das von Dir geplante Bild getroffen hast. Weiterlesen

HDR richtig bearbeitet (3/3): Ohne Aureolen und unwirkliche Farben

HDR oder „high dynamic range“ ist eine Bearbeitungsweise für Fotos, die in den letzten Jahren immer mehr an Beliebtheit gewonnen hat. Man sieht HDR Bilder überall, und wenn sie gut gemacht sind, haben sie einen gewissen „WOW!“ Effekt.

[textad]

Die Artikel dieses Tutorials:

[postlist „and“ „Histogramm“ „Tutorial“ „HDR“]

4. Nachbearbeitung in Photoshop

Dieses ist der Punkt, vor dem viele Fotografen bereits mit der Beareitung fertig sind, dabei fängt die Nachbearbeitung hier erst wirklich an. Insbesondere Amateure belassen es bei dem, was die HDR-Software „ausspuckt“, und das ist in der Regel von Auraeffekten und Quietschfarben geplagt, die das Bild künstlicher erscheinen lassen, als es sein müßte. Schnee etwa wird gerne grau, wie man hier sehr gut erkennen kann.

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HDR richtig bearbeitet (2/3): Auf der Reihe getanzt

HDR oder „high dynamic range“ ist eine Bearbeitungsweise für Fotos, die in den letzten Jahren immer mehr an Beliebtheit gewonnen hat. Man sieht HDR Bilder überall, und wenn sie gut gemacht sind, haben sie einen gewissen „WOW!“ Effekt.

[textad]

2. Aufnahmereihe

HDRs sind nur dann wirklich möglich, wenn man von dem selben Motiv eine Aufnahmereihe von mindestens drei Aufnahmen in RAW erstellt, die dieses in identischer Weise, aber mit unterschiedlichen Verschlußzeiten einfangen. Das heißt also, man benötigt eine oder mehrere Versionen, die absichtlich unterbelichtet, absichtlich überbelichtet und solche, die im Normalbereich belichtet worden sind.

Dazu muß allerdings die Kamera vollkommen still gehalten werden, weil sich die Aufnahmen ansonsten wie ein Ei dem anderen gleichen müssen – sonst können sie nicht zu einem neuen Bild kombiniert werden, ohne daß etwa Artefakte von sich leicht bewegenden Blättern störend mit ins Foto kommen. Oder der Aufnahmewinkel hat sich leicht verzogen. Oder jemand lief in die Szene.
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HDR richtig bearbeitet (1/3): Quietschfarbe muss nicht sein

HDR oder „high dynamic range“ ist eine Bearbeitungsweise für Fotos, die in den letzten Jahren immer mehr an Beliebtheit gewonnen hat. Man sieht HDR Bilder überall, und wenn sie gut gemacht sind, haben sie einen gewissen „WOW!“ Effekt.

[textad]

Wenn sie allerdings schlecht gemacht sind, kann man sie bereits auf mehrere Meter an Auraeffekten und Quietschfarben erkennen, die mir persönlich immer Schauer den Rücken herunterjagen – dabei müßten sie nicht sein, wenn man nur ein bischen Mühe in die Nachbearbeitung investiert.

HDRs werden aus Aufnahmenfolgen erzeugt, und mit spezieller Software, die die Tonwerte im Zielbild neu und so verteilt, daß sie sich im Histogramm zwischen den Extremen in der Mitte anordnen. Es gibt mit anderen Worten keine extremen Hell- oder Dunkelwerte, und Fotos wie diese existieren im „normalen“ Leben nicht.

Idealerweise sollten die Aufnahmefolgen aus fünf oder mehr Bildern bestehen, aber Kameras am unteren Ende des Preispektrums bringen oft nur drei zustande. Man kann allerdings je nach Programm auch sogenannte Pseudo-HDR Bilder erstellen, indem man ein in RAW aufgenommenes Foto entsprechend oft dupliziert und damit die Aufnahmereihe simuliert, und ich selbst habe auch schon einmal duplizierte Aufnahmen in Hybrid-HDRs integriert.

HDR-Histogramm

„Normales“ Histogramm (Photoshop)

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Der Reiz der Technik: (Zu) helles Observatorium

Das HDR-verfahren eignet sich, kontrastreiche Motive spannend abzulichten. Es verleitet aber auch zu unnatürlich wirkend gestalteten Fotos.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Jörg Buscher).

Kommentar des Fotografen:

Das Bild habe ich in der Sternwarte Bergedorf gemacht. Das Bild zeigt ein Teleskop bei geöffneter Kuppel. Durch das Weitwinkel scheint das tonneschwere Teleskop an den Gewichten ausgerichtet zu schweben. Es handelt sich um eine HDR Aufbahme. Belichtungsreihe mit 3 Aufnahmen. HDR mit Photomatix und Photoshop Wandlung in SW und Kontrast und Tonung. Ich habe schon das Bild in etwas heller Version eingereicht. Diese dunklerer Version gefällt mir aber doch besser.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Jörg Buscher:

Eine grosse Apparatur – bei näherem Hinsehen und namentlich am Spalt im Dach der Kuppel, unter welcher das mechanische Monstrum steht, als Teleskop erkennbar – dominiert diese spannende Schwarz-Weiss-Fotografie. Das Gerät wirkt dank der HDR-Technik und dem verzerrenden Weitwinkel wie eine Kanone aus einem der Alien-Filme.

Technik:

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Abendrot: Kontrastprobleme

Sonnenuntergang-Fotos sind Gegenlicht-Aufnahmen. Der Kontrastumfang wird dabei fast unweigerlich zum Problem.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Andy Reinboth).

Kommentar des Fotografen:

Hallo, das Bild ist bei einer Ausfahrt nach Brandenburg entstanden. Ich fand die Zusammenstellung aus untergehender Sonne im Hintergrund und dem Boot/Baum im Vordergrund wunderbar. Ich bin gespannt was die Kritiker zu dem Bild sagen. viele Grüße Andy

Peter Sennhauser meint zum Bild von Andy Reinboth:

Ein verlassenes Ruderboot liegt in dieser Aufnahme im untersten Bilddrittel in der linken Bildhälfte neben einem Baum. Der Blick über einen Fluss führt zu einem leicht bewölkten Himmel, die Sonne ist bereits untergegangen oder von Wolken verdeckt.

Dieses Bild ist leider radikal unterbelichtet. Zwar ist „korrekte“ Belichtung ein relativer Begriff:

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