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Ken Schles/Jeffrey Silverthorne/Miron Zownir: Und wenn wir das heute machten?

Fotografien vom Rande der Gesellschaft – oder mitten aus ihr heraus. In Tabubrüchen, die früher skandalträchtig und heute allenfalls noch anrührig sind, zeigt das Haus der Photographie in Hamburg. Die Ausstellung wirft für mich auch Fragen nach dem Wert von Bildern auf.

Miron Zownir, Moskau, 1995. Aus der Ausstellung KEN SCHLES/JEFFREY SILVERTHORNE/MIRON ZOWNIR, 5. Mai - 7. August 2016 im Haus der Photographie/Deichtorhallen Hamburg.

Miron Zownir, Moskau, 1995. Aus der Ausstellung KEN SCHLES/JEFFREY SILVERTHORNE/MIRON ZOWNIR, 5. Mai – 7. August 2016 im Haus der Photographie/Deichtorhallen Hamburg.

Die Fotos sind weder schön noch ansprechend. Viele sind allenfalls berührend, wenn auch vielleicht auf eine ungewohnt unangenehme Art: Kunst ist, was bewegt. Jeffrey Silverthorne, der in den Deichtorhallen in Hamburg mit einer Serie Fotos aus dem Leichenschauhaus vertreten ist, sagt irgendwo im Audioguide:

„Fotos, die schön sind, aber nichts aussagen – das ist doch nicht mehr als ‚fashion‘. „

Und an einer anderen Stelle regt er sich in einem Interview sinngemäss darüber auf, dass er früher als Fotograf an der mexikanischen Grenze frei hin- und her pendeln und die Grenzbeamten bei Arbeit und Freizeit begleiten konnte, während man heute zwar die wildesten Fetischparties ablichten, aber bei den Grenzorganen nicht einmal mehr mit einer Sondergenehmigung fotografieren dürfe: Hier werde das Privateste, was es gibt, problemlos öffentlich, dort werde gleichzeitig das Öffentlichste, was passieren könnte, von der Berichterstattung ausgeschlossen.

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Leserfoto – Statue of Liberty: Stark reduziert

Sich bei bekannten Motiven auf Details zu konzentrieren, bietet neue Perspektiven. Dennoch sollte man bei der Nachbearbeitung auf eben jene auch achten.

(c) Borg Enders

Hier eine Detailaufnahme eines Amerikanischen Wahrzeichens. Erkennt ihr es oder war die Reduktionauf dieses eine Element zu viel?

Ich finde Details sagen oft mehr über ein Gebäude oder Denkmal aus als das Gesamtbild. Das Gesamtbild nimmt auch in der Regel jeder ähnlich war, wo ein Detail vielleicht nur von einer kleinen Anzahl von Fotografen gesehen wird.

Die Freiheitsstatue ist eines dieser Sujets, die man schon so oft gesehen hat, daß man sie nicht mehr sehen kann; eine einfache Suche auf Google genügt, um dieses zu illustrieren. Sie ist ein Muß auf der Liste eines jeden Touristen in New York City. Meistens wird sie vom Wasser aus in voller Länge dargestellt, oder von Liberty Island aus so, daß der Kopf oder die Fackel in Nahaufnahme zu sehen sind. Sehr selten sieht man Bilder, die sich auf andere Details konzentrieren. Du hast Dich hier auf die Tafel beschränkt, die die Statue in der Hand hält. Diese zeigt das Datum „July IV MDCCLXXVI“, also den Tag der amerikanischen Unabhängigkeit, den vierten Juli 1776.

Wenn man das Foto kompositionell analysiert, stellt man fest, daß sich die Hand und die sich in ihr befindliche Tafel fast perfekt im Goldenen Punkt befinden:

Goldener Punkt

Du hast das Motiv so reduziert, daß es schon fast abstrakt wirkt. Die Schweißlinien laufen strahlenförmig durchs Bild und aufeinander zu (gelb). Diese Geometrie wird durch das runde der Hand etwas aufgelöst. Der einfarbige, dunklere Himmel bildet ein optisches Spiegelbild zum hellen Metall der Statue.

Bestimmende Linien

Ich persönlich finde es nicht zu stark reduziert, im Gegenteil – es ist einmal etwas anderes. Allerdings hat das Foto ein Problem, das jedoch leicht zu lösen ist. Durch den Aufnahmezeitpunkt und den Winkel, den Du gewählt hast, befinden sich links zwei Schatten, die ich als störend empfinde (gelbe Pfeile).

Problemzonen

Du spielst hier mit Abstraktion und Linien, wozu die beiden schwarzen Flecken ganz und garnicht passen. Ich hätte sie später entweder wegretouchiert oder das Bild beschnitten:

Möglicher Beschnitt

Wie magisch rückt so auch die Tafel mehr in den Goldenen Punkt:

Vergleichsfoto

Die andere Frage ist, ob man das Bild so, wie es ist, lassen sollte, oder ob man noch einen Schritt weitergeht und es in Schwarzweiß umwandelt. Die Antwort fällt für jeden verschieden aus, liegt aber natürlich letztlich beim Fotografen. Sie hängt auch davon ab, was mit dem Foto letztlich geschehen soll. Wenn sie nur ein Urlaubsschnappschuß bleiben soll, kann man die Aufnahme so lassen. In einem Artikel über New York hätte sie ebenfalls in Farbe ihren Platz. Sie ist jedoch nicht notwendigerweise etwas, was andere sich an die Wand hängen würden.

Ich habe eine Präferenz für Schwarzweiß und habe sie probehalber entsprechend bearbeitet (Nik Silver Efex Pro in Photoshop mit der Einstellung „Full Spectrum“):

Bearbeitungsvorschlag

Durch diesen letzten Schritt verwandelt sich Dein Schnappschuß in einen Kunstdruck, den ich persönlich gerne an der Wand hätte. In dieser Form ein meines Erachtens rundherum gelungenes Foto.

Tim Walker: Poesie aus dem Kleiderschrank

Gastautor und Fotograf George Eberle stellt uns in unserer Rubrik „Fotografen im Fokus“ seinen Lieblingsfotografen vor. Er schreibt über sein Vorbild: „Wenn man sich die Bilder von Tim Walker ansieht, will man glauben, er sei im Wunderland gross geworden, habe schon als Baby die Phantasie mit dem grossen Löffel gefüttert bekommen und etwas zu viel vom Zaubertrank getrunken.“

© Tim Walker

Timothy “Tim” Walker wurde 1970 in Devon, England geboren. Während andere Kinder draussen Fangen spielen, begann der kleine Tim im Garten seiner Mutter Szenen zu schaffen und Bilder zu arrangieren. Weiterlesen

Christian Patterson: Redheaded Peckerwood

Christian Pattersons rekonstruierte mit Fotografien und historischem Material einen Kriminalfall, der in den Fünfzigern Amerika erschüttert hatte: Redheaded Peckerwood.

Christian Patterson - House at Night aus der Serie Redheaded Peckerwood

Der Titel Redheaded Peckerwood lässt sich ungefähr mit „rotgesichtiger Prolet“ übersetzen und es mag jeder selbst herausfinden, was es damit auf sich hat. Mit einem Begriff von subjektiver dokumentarischer Fotografie lässt sich das Projekt etwas einordnen.

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Lee Friedlander – Surrealistischer Meister Fotografischer „Fehler“

Anfangs wurde Fotografie als Medium dafür gepriesen, daß Fotos anders als Malerei Realität festhielten und daher einen bestimmten sozialen Nutzen hätten. Diese Prämisse wird von modernen Fotografen wie Lee Friedlander ad absurdum geführt, denn viele seiner Fotos sind von fragwürdiger sozialer Nützlichkeit, halten aber gleichzeitig die Realität vieler auf brutal offene, trotzdem aber subtil-kreative Weise fest. Seine Kamera sieht die Welt, wie wir sie sehen – bannt aber auch Aspekte auf Film, die wir gerne nicht sehen würden.

Lee Friedlander (nicht zu verwechseln mit dem Regisseur gleichen Namens) ist einer der bekanntesten kontemporären Fotografen der USA. Geboren 1934 begann sich Friedlander mit 14 Jahren für Fotografie zu interessieren. Weiterlesen

Hiroshi Sugimoto: Das Meer senkrecht

Nur für die bessere Übersichtlichkeit stellen wir diesem Beitrag ein waagrechtes Bild vornedran: Ansonsten hat Hiroshi Sugimoto seine Meerbilder in die Senkrechte gestellt.

Hiroshi Sugimoto, Landschaft 004, 1989, Silbergelatineabzug, 119.5 x 211 cm © 2012 Hiroshi Sugimoto

Hiroshi Sugimoto, Landschaft 004, 1989, Silbergelatineabzug, 119.5 x 211 cm © 2012 Hiroshi Sugimoto

„Revolution“ heißt diese Serie des Japaners Hiroshi Sugimoto (Affiliate-Link), und die großformatigen Werke stürzen in der Tat Sehweisen um. Die Bilder sind aktuell in München zu sehen.

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Einzig in Mannheim: Die erste Fotografie der Welt

Es ist eine seltene Gelegenheit: Ausnahmsweise nur ging die erste Fotografie der Welt auf Reisen – Niépces „Blick aus dem Fenster in Le Gras“ von 1826. Einzig in Mannheim ist sie nun zu sehen.

Blick aus dem Fenster in Le Gras, Joseph Nicéphore Niépce, 1826

Am Ende der Ausstellung im Reiss-Engelhorn-Museum wird sie nach Austin, Texas, zurück – zusammen mit anderen Meilensteinen der Fotogeschichte, die in Mannheim ebenfalls bis Anfang Januar 2013 zu sehen sind.

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Deutsche Börse Photography Prize 2012: John Stezakers Fundstücke

John Stezaker heißt der Gewinner des „Deutsche Börse Photography Prize“ des Jahres 2012. Seine Bilderwelt setzt sich aus Fundstücken zusammen.

John Stezaker: Muse (Film Portrait Collage) XVIII, 2012,

Der Preis der Deutschen Börse wurde ihm Anfang September in London verliehen. Dort ist auch zunächst die Ausstellung zu sehen, die ab 14. September nach Frankfurt/Main kommt und ab 3. November im Berliner C/O nochmals gezeigt wird.

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Das Foto des Jahres 2011 in Zürich

Anfang Februar wurde in Amsterdam das World Press Photo des Jahres 2011 erkoren.

[textad]

Sieger ist der spanische Fotograf Samuel Aranda mit dem Bild von Fatima al-Qaws, die ihren Sohn Zayed während der Proteste gegen den jemenitischen Präsidenten Saleh umsorgt. fokussiert hat bereits über das Bild berichtet. Die 3×2 Tickets, welche von KEYSTONE zur Verfügung gestellt wurden, gingen an Andi, Miau und Hans-Dieter. Wir hoffen, sie hatten Freude an der Ausstellung.

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Diane Arbus: Geheimnis eines Geheimnisses

„Eine Fotografie ist wie ein Geheimnis eines Geheimnisses“, schrieb Diane Arbus einmal: „Je mehr es erzählt, umso weniger erfährt man.“

[textad]

Diane Arbus: Identical Twins, Roselle, N.J. 1967 (Eineiige Zwillinge, Roselle, New Jersey 1967) © The Estate of Diane Arbus

Wir können schauen, ob wir dieses Paradox für uns selbst auflösen können: in Winterthur, wo aktuell das Lebenswerk der berühmten amerikanischen Fotografin gezeigt wird.

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