Beiträge

Die fotografische Nachbearbeitung: Sechs Argumente gegen die Askese

Gute Nachbearbeitung ist der schmale Grat zwischen einem fotografischen Erfolg oder Desaster. Aus Unsicherheit, wie die Entscheidung zu treffen sei, dann aber gar nichts zu tun, ist fast noch schlimmer, als ein Bild zu verhunzen. Im letzteren Fall hat man es zumindest versucht, und ist eben gescheitert.

Vorher/nachher

Dieser Artikel knüpft an einen Beitrag von Carsten über die Motivfindung an.

Gleich eingangs möchte ich hier mit einer Entschuldigung ins Gericht gehen, die wir bei Bildeinreichungen immer wieder serviert bekommen: „Ich bearbeite meine Fotos eigentlich nie nach.“ Ich nenne das Nachbearbeitungsaskese, und es bedeutet letztlich nur, den letzten Schritt ohne guten Grund nicht gegangen zu sein. Wir betonen immer wieder, daß Bilder nur ganz selten perfekt aus der Kamera kommen, wenn das auch letztlich der Goldstandard ist. Will sagen, man sollte natürlich mit dem Ziel fotografieren, daß hinterher praktisch nichts mehr getan werden muß.

Allerdings sollten die Fotos dann auch so aussehen. Weiterlesen

Konzeptfoto Fallende Tomate: Unterschätzte Logik

Technisch aufwändige, raffinierte Bildkonzepte sollten eines nicht vernachlässigen: Die Logiklust des Betrachters. Der will sich aus dem Gezeigten etwas zusammenreimen, das Sinn ergibt.

FallenTomato

Fallen Tomato – Nikon D7100, 50mm/f1.8 bei f/2.2, ISO125, 1/20s © Hendrik Heißelmann

Hendrik Heißelmann aus Oldenburg: Das Bild entstand im Rahmen einer Foto-Challenge zum Thema „On The Edge“. Ich hatte unmittelbar die Vorstellung von einer Tomate auf Messers Schneide. Schließlich habe ich mich für ein Komposit aus drei Fotos mit der Tomate in unterschiedlichen „Posen“ entschieden, um das Fallen darzustellen. Dabei habe ich ein wenig mit der Beleuchtung experimentiert und schließlich einen Blitz entfernt gegen die Zimmerdecke geblitzt und den anderen relativ hart von schräg oben auf die Szene gerichtet, damit die Schneide gut hervorgehoben wird. Die Bilder wurden einzeln aufgenommen und anschließend in Photoshop mittels Ebenenmasken überlagert. Leider ist mir der Hintergrund nicht so tiefschwarz gelungen, wie ich ihn gerne gehabt hätte. Beim Export in das recht kleine Jpeg entstanden hier unschöne Artefakte, die so im Raw nicht existieren. Aufnahmedaten:

 

Vor einem schwarzen Hintergrund liegt in dieser Farbfotografie ein Küchenmesser auf einem Schneidebrett. Die Klinge nach oben, ragt das Messer von rechts hinten nach links vorne ins Bild. Links und rechts von der Klinge liegt je eine Hälfte einer tiefroten Tomate; eine weitere Tomate steckt zur Hälfte auf der Klinge und eine dritte schwebt über dem Messer in der Luft.

Die Komposition aus drei Aufnahmen ist technisch sauber umgesetzt, auf den ersten Blick – aber das kann auch an der hier gezeigten JPG-Version liegen, wie Du bemerkst – stören mich nur die Highlights auf den beiden oberen Tomaten, die Vom Blitz herrühren, mit dem Du die Messerschneide herausheben wolltest. Grundsätzlich ein Blickfänger, und ich finde das Thema «Auf Messers Schneide»  gut umgesetzt.

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Buchrezension «Stillleben BRD»: Was vom Leben übrig bleibt

Ein visuelles Memento Mori und fotografische Bestandsaufnahme eines Daseins. Bilder aus der DDR

Fotografien aus der Kultur der DDR

Stillleben BRD: Giesskanne

Christian Werner hat auf Anregung eines Freundes nach dem Tod von dessen Großvater 2014 das Haus desselben fotografiert. Es sollte eine Bestandsaufnahme seines Lebens (und dem seiner Frau) werden – und kurz darauf war das Haus auch schon ausgeräumt. [amazon 3735602037]“Stillleben BRD – Inventur des Hauses von Herrn und Frau B.”[/amazon] beruht auf einer Ausstellung des Kunstpalais Erlangen, die vom 23.1.2016 bis zum 3.4.2016 dort zu sehen ist. Es handelt sich also um den Ausstellungskatalog, geht aber weit darüber hinaus. Als die Mutter einer Freundin vor ein paar Jahren in einem Altersheim starb, oblag es natürlich ihrer Tochter, ihre letzten Habseligkeiten abzuholen. Sie sagte später zu mir, es sei schon traurig, daß das Leben eines Menschen letztlich in zwei Boxen paßt. Das Haus der Eltern war da schon längst verkauft. Welch einen anderen Einblick bekommt man hier.

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Buchrezension «Kompendium digitale Fotografie»: Ein lockeres Lehrbuch

Das «Kompendium digitale Fotografie» gibt dem fortgeschrittenen Einsteiger die theoretischen UND praktischen Werkzeuge in die Hand, seine bereits gesammelten fotografischen Erfahrungen umzusetzen und weiterzuentwickeln.

"Kompendium digitale Fotografie" von Tilo Gockel

„Kompendium digitale Fotografie“ von Tilo Gockel

 

Level: Einsteiger, Fortgeschritten
Genre: gemischtes Lehrbuch
Benutzbarkeit*: 8
Preislevel**: €€€
Ein solides Buch für den anspruchsvollen Einsteiger, der bereits einige Erfahrung mit Fotografie gesammelt hat, die er jetzt auf ein gewisses theoretisches wie praktisches Fundament bewegen möchte.
* 1 – eher nicht, 5 – geht so, 10 – super
** € (sehr billig) bis €€€€€ (überteuert)

Ein fundiertes Lehrbuch – aber trotzdem locker

Tilo Gockel erwähnt im Vorwort, er habe ein Lehrbuch schreiben wollen, kein Bilderbuch – aber dennoch eines, das trotzdem ein Kompromiß sein sollte zwischen rein grafischen Publikationen und großen Lehrwerken, die der Zeit hinterher sind. Diesen Mittelweg zwischen zu vielen Formeln/Theorie und zuviel Veranschaulichung ist er recht gekonnt gegangen. In der Fotografie, da stimme ich mit ihm überein, zählt zwar letztlich die Kreativität, und nicht nur die Technik, aber “oft können kreative Fotografen die Bildideen in ihrem Kopf nicht umsetzen, weil es am Detailwissen zur Technik hapert.“ Mit anderen Worten: man sollte nicht nur seine Kamera kennen, sondern auch wissen, wie bestimmte Ergebnisse erzielt werden. Weiterlesen

Katzen-Porträt: Ginger zum Leuchten bringen

Ein gut fotografiertes Katzenporträt kann man mit wenigen Bearbeitungsschritten zu einem Hingucker machen. Dabei zeigt sich rasch, wie sehr es sich lohnt, sich mit den grundlegenden Schritten der Bildbearbeitung auseinanderzusetzen.

Ginger. © Arne Wollenhaufen Canon EOS 400D Digital; EF28-135mm f/3.5-5.6 IS USM Motiv-Programm „Portrait“; ƒ/5.6; Brennweite 95.0 mm; 1/60; ISO 400; Blitz (automatisch, ausgelöst)

Arne Wollenhaupt aus Neu-Isenburg schreibt zu diesem Bild:

Katzenbilder gibt´s im Internet ja weiß Gott genug. Angeblich wurde es nur erfunden, damit man seine Katzenfotos posten kann…

Das Bild entstand an einem Abend im Januar 2011. Ich habe das Bild mit dem Motivprogramm „Portrait“ gemacht – Einstellungen wie Blende, Verschlusszeit, ISO usw. sind also nicht mein „Verdienst“. Das für mich so Besondere an diesem Bild sind die Augen. Meistens erwischt man eine Katze ja entweder mit weit geöffneten, runden oder ganz geschlossenen Augen. Der Blick auf diesem Foto strahlt für mich eine gewisse „stolze Arroganz“ aus. Und damit ist Ginger ganz gut charakterisiert. Nach meinem Empfinden als Glücksfall hat sich der dunkle Hintergrund erwiesen.

Das Bild habe ich „out-of-Cam“ hochgeladen. Mit EBV bin ich „überfordert“, weil ich zwar an den Reglern drehen kann, aber nicht wirklich weiß, was ich da tue. Auch braucht das Bild sicher einen Beschnitt. Der weiße Fensterrahmen unten rechts muss weg. Aber sonst?

Arne, Du hast hier wirklich einen tollen Moment fotografisch eingefangen.

Der Blick Deiner Katze Ginger spricht Bände, typisch Katze: „Ich schaue jetzt erst recht nicht in die Kamera, nur weil du da stehst und mich fotografieren möchtest!“ Gerade der Blick an der Kamera vorbei macht’s aus:  Weiterlesen

Hasselblad Academy 2016: Perfekt bis auf den letzten Pixel

In zehn Genres hat Kamerahersteller Hasselblad neue «Master» erkürt. Die Sieger-Aufnahmen bestechen auf den ersten Blick durch einen extremen Detailreichtum, der namentlich bei den Outdoor-Fotografien der Kategorie «Street», «Landschaft» und «Natur» überrascht.

Sieger der Kategorie Stadt/Street: Ali Rajabi, Iran – mit einer Aufnahme, die mit der Mischung aus Klarheit und Wettertrübheit besticht.

Sieger der Kategorie Stadt/Street: Ali Rajabi, Iran – mit einer Aufnahme, die mit der Mischung aus Klarheit und Wettertrübheit besticht.

Fotografie-Wettbewerbe, die von Kameraherstellern ausgerichtet werden, setzen eines voraus: Perfektion in der technischen Umsetzung. Das kann einschränken: In sämtlichen fotografischen Genres, die mit Tempo, Zufall, Situationen zu tun haben, ist bisweilen das beste Bild eines Moments nicht in jedem technischen Detail vollkommen – oder aber die technische Imperfektion macht sogar überhaupt erst den Charme der Aufnahme aus.

Hier allerdings besticht die Perfektion:  Weiterlesen

Video-Bildbesprechung: Papas Braut

Kinder-Schnappschuss-Porträt: Situative Menschenfotos sind mitunter die besten Porträts überhaupt, wobei mit einzelnen Problemen zu rechnen ist – hier ist es der Hintergrund. Mit Eingriffen wie Bildschnitt und S/W-Konversion kann man aber viel herausholen.

Das Bild entstand auf einer Hochzeit. Meine Nichte war absolut unglücklich darüber, dass ihr Vater ein Bild statt mit ihr mit ihrer Mutter gemacht hat. Sie war doch papas Braut und nicht ihre Mutter. Ich nochte ihre deutlich gestellte Pose (sollte ja bei Papa für Mitleid und evtl. schlechtes Gewissen sorgen). Im Hintergrund sieht man noch das Kleid der Mutter, da es aber ein Schnappschuss war, blieb mir keine Zeit mehr eine andere Position zu suchen, Leider.

Die Aufnahme ist aus mehreren Gründen sehr interessant. Wir möchten sie in einem neuen Format besprechen und sind gespannt, was Ihr davon haltet: Eine Kritik in Video-Form.

Hier ist das Transkript der Besprechung für die, welche lieber lesen als videoschauen: Weiterlesen

Feuerwerksfotos: Eine Leserauswahl

Um das Neue Jahr fotografisch hier einzuläuten, hatten wir Euch noch im Alten Jahr um Eure besten Feuerwerksbilder gebeten. Hier ist eine Auswahl dessen, was Ihr uns geschickt habt:

(c) Marcus Leusch

(c) Marcus Leusch

(c) Uwe Kindermann

(c) Uwe Kindermann

(c) Jens Zeyer

(c) Jens Zeyer

(c) olligraphy

(c) olligraphy

(c) Maria Gianmoena

(c) Maria Gianmoena

(c) Christian Stülpnagel

(c) Christian Stülpnagel

Gefühlvolles Frauenporträt: Raum zum Atmen lassen

Der vom Fotografen gewählte Ausschnitt bestimmt die Bildaussage maßgeblich mit. Manchmal ist es vorteilhaft, ein Foto weiter zu beschneiden. Manchmal hätte die Aufnahme so bleiben sollen. Das ist hier der Fall.

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Unsere Leserin Ileana Gega hat uns ein Porträt ihrer Mutter eingereicht. Sie schreibt,

„Habe das Bild von meiner Mutter einen Monat nach dem Tode von meinem Vater gemacht.“

Zu sehen ist das Gesicht einer Frau mit müden, traurigen Augen. Das Leben hat seine Spuren auf ihrem Gesicht hinterlassen, wie auch auf der Hand, auf die sie ihren Kopf gestützt hat. Gehalten ist das ganze in dunklem Sepia, was das Melancholische der Aufnahme noch unterstreicht. Eingefaßt wurde das Bild nachträglich noch mit einem schwarzen Rahmen.

Zunächst einmal zu dem, was mir an Deiner Aufnahme gefällt: ich habe eine Schwäche für Schwarzweißbilder, und zwar genau aus dem Grund, der hier auch deutlich wird – man konzentriert sich eher auf die kleinen Details, wie die Falten in ihrem Gesicht, oder ihre Hände und Fingernägel, die ganz klar die einer hart arbeitenden Frau sind. Die Sepiaumwandlung finde ich in dieser Hinsicht auch gelungen, sie paßt zu Deinem Modell und dem allgemeinen Charakter des Fotos. Auch wenn ich nicht wüßte, daß sie gerade jemanden verloren hat, der ihr sehr nahe stand, wäre es in ihrem Gesicht zu lesen.

EXIF-Daten konnte ich nicht einlesen, aber ich nehme einmal an, daß Du das Foto stark beschnitten hast, und diese Feststellung führt mich auch zu meinem Hauptkritikpunkt. Du hast durch den ohnehin schon sehr eng gewählten Bildausschnitt bereits kaum Raum zum Atmen gelassen, visuell gesehen, und dann hast Du es noch zusätzlich beschnitten, wohl, damit man als Betrachter gezwungen ist, sich noch mehr auf das Gesicht und die Hand zu konzentrieren.

Letztere dominiert die Aufnahme so sehr, daß es den Betrachter überwältigt. Sie nimmt mehr als die Hälfte der Komposition ein, und man fragt sich unwillkürlich, ob es die Hand war, der Dein Fokus galt, oder das Gesicht Deiner Mutter. Für ein gutes Porträt muß die Person nicht immer in die Kamera schauen, aber wenn sie es wie hier tut, schaut man unwillkürlich eben in ihre Augen – und dann ist da diese Hand.

Man kann natürlich argumentieren, daß dieses Hin und Her zwischen Augen und Hand ja visuelle Spannung aufbaut, das Foto interessanter macht. Dagegen spricht für mich das Statische der Pose; es ist meines Erachtens schlicht nicht optimal komponiert.

Wenn der Hand Dein Hauptaugenmerk galt (die Datei hast Du „mother’s hand“ genannt), hätte sie noch mehr in den Vordergrund gestellt werden müssen, etwa, indem Du mit geringerer Schärfentiefe arbeitest und das Gesicht dadurch verschwimmen läßt. Soll das Gesicht der Fokalpunkt sein (Überschrift des Bildes war ursprünglich „Mother“), muß der Ausschnitt anders gewählt werden.

Die Sache mit dem sehr engen Bildausschnitt muß Dir auch irgendwo aufgefallen sein, denn Du hast nachträglich noch diesen dicken, schwarzen Rahmen um das Foto gelegt. Oder vielleicht hat er Dir auch einfach nur gefallen. Im Sinne voller Offenheit, ich bin kein Freund digitaler Rahmen wie dieser. Sie tragen meines Erachtens zum Foto nichts bei, sind bestenfalls Spielerei, und in diesem Fall lenkt es nicht davon ab, daß das Bild keinen Raum zum Atmen hat und die Hand visuell das Gesicht überwältigt.

Mich würde interessieren, wie die Aufnahme ursprünglich aussah, und ob es noch andere Einstellungen gibt, die vielleicht vorher oder nachher gemacht wurden. Deine Mutter hat ein ausdrucksstarkes Gesicht, und sehr interessante Hände, aber hier gewinnt weder das eine, noch das andere.

Zufälliger „Film Noir“: Bewußter Fotografieren

Wenn auch ein zufälliger Schnappschuß einen Treffer landen kann, sollte man bewußt fotografische Entscheidungen fällen können, damit das Ergebnis wiederholbar wird. Dazu gehört Komposition.

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Nikon D7100, 20mm, f/11, 1/100s, ISO 100 – (c) Andreas Matti

Leser Andreas Matti hat uns dieses Foto zur Besprechung eingereicht. Er schreibt dazu:

„Das Bild habe ich während einem Spaziergang zu Herbstbeginn auf dem Pfannenstiel aufgenommen (D7100, 20mm, f/11, 1/100s). Eigentlich beiläufig fotografiert, fiel mir zu Hause die Dramatik der Wolken in Kombination mit dem Strommast auf, welche ich mit der S/W-Umwandlung verstärken wollte. Ich bin mir bezüglich der stürzenden Linien des Strommasts jedoch nicht sicher, ob diese nun für das Bild vorteilhaft oder störend sind.“

Vor kurzem habe ich bei fokussiert einen Artikelzweiteiler veröffentlicht, der sich mit Drauflosfotografieren beschäftigte. Genauer gesagt ging es darum, daß sich viele Leute wundern, warum ihre Fotos wie Anfängerschnappschüsse wirken, trotzdem sie ohne nachzudenken auf den Auslöser gedrückt haben. Hier hat das meines Erachtens zufälligerweise funktioniert, aber Du bist Dir der Sache nicht sicher, und hast uns deshalb Dein Bild zur Besprechung eingereicht.

Ich will mich hauptsächlich auf die Komposition und Bildaussage konzentrieren, denen ja Deine Frage galt: Weiterlesen