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Photo-Foto: Auf Egglestones Spuren

Die Tristesse dieser Farbfotografie wirkt wie ein Zitat des Amerikaners William Egglestone: Der wurde gross durch «nicht bildwürdige Motive».

Photobooth

Photo-Foto. Fotoautomat in Farbfotografie © Fabian Lenné

Fabian Lenné aus Berlin: diese „Selfi-Automaten“ kommen langsam wieder in Mode. Mit Capture One bearbeitet. Interessiert hat mich die Neugier, die der Automat bei Jungen Menschen macht, die Erinnerungen, die mir als 56 Jährigen kommen (Passbilder, Liebesbilder) – und die Trostlosigkeit der Szene selber.

Eigenartig finde ich, wie sehr uns Trostlosigkeit gerade in unserer eigenen zivilisatorischen Umgebung zu faszinieren vermag. Auch wenn der Altmeister des Genres, William Egglestone, für seine erste Ausstellung alles andere als Lob empfing.

Wir sehen in dieser Farbfotografie einen Foto-Automaten, wie er zum Auslaufen des 20sten Jahrhunderts an vielen öffentlichen Orten anzutreffen war: Nicht so sehr, weil jeder Mensch die ganze Zeit Passbilder brauchte, als zusehends einfach darum, weil ein Streifen „Selfies“ mit einem Freund oder einer (oder DER) Freundin noch etwas Spezielles war, einen Aufwand und ein paar Münzen und meistens eine kräftige Bierlaune wert.

Der Automat steht im Freien an einer ockerfarbenen Hauswand, deren unterster Meter in blauen Sockel-Fliesen hervorsticht. Der Automat ist streng frontal fotografiert, so dass keine Seitenwand und von der Innenseite nur die Rückwand, der weisse Teller-Hocker und ein Teil des Vorhangs zu erkennen sind. Links neben dem Automaten ist der Stromanschluss des Automaten mit ausgehendem Kabel zu erkennen.

[bildkritik]

Der Automat aus Holzimitat ist aussen mit einem grünen Baum-Motiv geschmückt, das sich im Kabineninnern in zwei Grüntönen fortsetzt. In der Linken, grösseren Seite des Automaten ist ein weisses Plakat mit den Preisen der Fotografien zu erkennen, welches das Baum-Motiv als Hintergrund aufnimmt.

Auf dem Informationskasten stehen drei verschieden grosse leere Getränke/Bierflaschen. Unter dem Plakat ist der Ausgabeschlitz des Automaten mit dem typischen mittigen Teiler zu erkennen. an der rechten, kleineren Hälfte des Automaten ist ein kleiner, zerkratzter Spiegel erkennbar.

Fotobooth © Fabian Lenné

Gut platziert am rechten Drittel des Bildinhalts. © Fabian Lenné

Zur Technik müssen wir keine grossen Worte verlieren, wir haben auch keine Exif-Daten. Dieses Bild könnte mit ungefähr jeder Kamera bei relativ geschlossener Blende (durchgehende Schärfe) und geringer Empfindlichkeit (kein Rauschen, starkes Licht im Schatten, knapp überstrahltes Asphalt-Stück im Sonnenlicht). Du hast Dich diesem Motiv sehr puristisch  und ohne grosse technische Gestaltungsmittel genähert.

Ich sehe nicht wenige solche Fotografien, die von ihren Schöpfern meistens als Kunstwerke bezeichnet und von den meisten Betrachtern als langweilig empfunden werden. Diese Aufnahme sticht eindeutig aus der Masse heraus, und das nicht nur wegen des Motivs: Denn gerade die spröde, etwas automatische Inszenierung oder vielmehr Dein Verzicht auf eine solche, verstärken die ironische Bildaussage und regen zum «Begehen» des Bildes an. [amazon 3660482390]Fotoautomaten als Bildmotiv[/amazon] haben andere schon für ganze Bücher entdeckt.

In der Komposition hast Du den Automaten doch ein klein wenig aus dem Zentrum an die rechte Drittel-Linie gerückt, was dem Bild gut tut, ohne dass viel Kunstgeschrei gemacht wird – die kleine Ecke Sonnenlicht vorne Links ist eine zusätzliche Imperfektion, wie sie einem Automatenfoto gut anstehen würde – Du hast sozusagen das Automatenselfie des Automaten geschossen.

Wer das Bild durchstreift, erkennt die Bier- oder sonstigen Flaschen auf dem Infokasten und hört sogleich die Stimmen der Betrunkenen, die sich in der Nacht in dem Automaten schräge Fotos gemacht haben: Eine Geschichte steckt auch noch drin, aber nur, wenn man die Fotografie genau anschaut. Der Infokasten dagegen wirkt irgendwie abwegig, enthielt der doch immer diese schrecklich veraltet wirkenden Porträts von Gerlinde Musterfrau und Hans-Dieter Mustermann.

Irgendwann fällt einem dann noch der Stromanschluss auf, der es sozusagen zuliesse, dieser Art der Fotografie den Stecker zu ziehen – und dennoch steht er immer noch da, der Photoautomat.

Ich kann diesem Bild viel abgewinnen, das über die blosse kurze Ironie hinausgeht. Ich finde es auch farblich von den Komplementärfarben her interessant, und damit bist Du wieder bei [amazonna 0944092705]William Egglestone,[/amazonna] der viele eigenartige Szenen im Alltag vor allem wegen der vorherrschenden Farben ablichtete und damit die Schwarz-Weiss-Fotografen gleich doppelt vor den Kopf stiess: Seltsame, «nicht bildwürdige» Motive in knalligen Farben: Das sollte die neue Fotografie sein? Ich habe deshalb die Farben mit der neuen Funktion „Dunst reduzieren“ in Lightroom und mit einer partiellen Aufhellung und einer leichten Sättigung des Innenraums noch etwas hervorgehoben.

Der Fotoautomat mit etwas lebendigerem Innenleben

Der Fotoautomat mit etwas lebendigerem Innenleben. © Fabian Lenné

Was mich stört an diesem Bild ist eigentlich nur der zu knappe „Fussraum“ des Automaten: Er hätte am unteren Bildrand ein bisschen mehr Boden ertragen können. So gut Dir die Platzierung in der Horizontalen gelungen ist, in der Vertikalen hätte der Automat etwas mehr gegen die Bildmitte verschoben werden und damit mehr Raum erhalten können. Ich hab das versucht mit etwas Klon-Arbeit zu simulieren – was natürlich für das Endresultat nicht in Frage käme.

Photoautomat © Fabian Lenné

Das bearbeitete Bild mit etwas stärker zentriertem Automaten. Der zusätzliche Boden vor dem Automaten wurde grob ins Bild geklont.

 

«Color»: Vom Kampf der Farbe um Anerkennung

Eigentlich ist sie selbstverständlich: die Farbe. Unsere Welt ist farbig. Wir sehen farbig. Gemalt wird – meist – farbig. Dennoch: In der Fotografie muss(te) sie schon sehr kämpfen, um sich gegen die Welt in Schwarz-Weiß zu behaupten. Die Berliner CWC Gallery präsentiert vom 15. September bis zum 1. Dezember eine Fotoausstellung, die nur ein Thema hat: «Color» – Farbe also.

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Amerikanische Fotografie: Die (beinahe) ganze Geschichte

Wer sich von modernen Klassikern der amerikanischen Fotografie gerne inspirieren lässt, findet in diesem Sommer in München sein Zentrum. Dort wird (beinahe) die ganze Geschichte seit den Sechzigern vorgestellt.

Garry Winogrand: Los Angeles, California, 1969 © Estate of Garry Winogrand

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Wir haben hier bei fokussiert.com die amerikanischen Klassiker schon verschiedentlich vorgestellt – von Lee Friedlander über William Eggleston bis jüngst zu Lewis Baltz. Die Münchner Pinakothek der Moderne führt sie nun (beinahe) alle in einer Ausstellung unter dem Titel „True Stories“ – wahre Geschichten – zusammen.

Das zentrale Interesse dieser seinerzeit jungen Fotografen, die sich seit den späten Sechzigerjahren mit der amerikanischen Lebensrealität auseinandersetzten, galt der American Social Landscape, wie die Pinakothek zur Ausstellung mitteilt. Sie entwickelten neuartige Stilmittel zwischen subjektiver Weltsicht, analytischer Bestandsaufnahme und konzeptuellen Strategien, die wir als „amerikanische“ Bildsprache empfinden. Die einen – wie Lee Friedlander, Garry Winogrand, Robert Adams oder Larry Clark blieben der Schwarzweißfotografie verpflichtet. Andere wie William Eggleston und Stephen Shore haben die Farbfotografie als künstlerisch eigene Ausdrucksform vorangetrieben. Die Ausstellung führt rund 130 Werke zusammen und spannt einen weiten Bogen: von der subjektiven Straßenfotografie der Sechziger und den sachlichen Landschaftsstudien der  New Topographics über die konzeptuellen Arbeiten von John Baldessari und Dan Graham bis zu dem erst vor wenigen Jahren entstandenen New York-Zyklus von Zoe Leonard.

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Joel Sternfeld: Amerika in Farbe

Mit Joel Sternfeld können wir nun einen weiteren Klassiker der amerikanischen Farbfotografie besichtigen. Sein Gesamtwerk ist in Europa erstmals zu sehen.

[textad]Joel Sternfeld: Wet 'n Wild Aquatic Theme Park, Orlando, Florida, September 1980, aus der Serie: American Prospects

Joel Sternfelds Thema ist sein Heimatland Amerika, seine Menschen und Landschaften. In Essen finden wir auch seine bisher unveröffentlichten frühen Fotografien.

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Saul Leiter: Die Farben des Malers

Saul Leiters frühe und wunderbare Farbfotografien sind jetzt erstmals in Deutschland zu sehen – in München.

Saul Leiter: Snow, 1960 © Saul Leiter, courtesy Galerie f5,6 MünchenDer heute 86-jährige Amerikaner Saul Leiter begann Ende der Vierzigerjahre mit der Farbfotografie, als das noch als „Low Art“ galt und bestenfalls für die Werbung gut genug war. Ursprünglich war er Maler.

Bis heute haben Saul Leiters Arbeiten eine Sonderrolle in der Farbfotografie: Die Farbigkeit zeugt eher von malerischem Einsatz als von fotografischen Mitteln. Sicherlich spielt dafür sein künstlerische Herkunft aus der Malerei eine wesentliche Rolle. 1946 nach New York gezogen, stellte er als Maler mit Abstrakten Expressionisten wie Willem de Kooning aus.

Obwohl Leiter bereits 1948 begann in Farbe zu fotografieren, wurden 1953 zunächst nur seine schwarz-weiß Arbeiten im Museum of Modern Art MoMA ausgestellt. Erst 1957 folgten seine Farbarbeiten, wenngleich auch nur als Diashow unter dem Titel „Experimental Photography in Color“. Die „frühen“ Farbfotografen wie William Eggleston, Stephen Shore oder Joel Sternfeld schafften ihren Durchbruch erst Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre. Siehe den Beitrag bei fokussiert.com: Neue Farbe für das Land.

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Strassenbild: Komposition und Metapher

Eine gute Gegenüberstellung simpler Details kann zu interessanten Metaphern und aussagekräftigen Fotos führen.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Nicolas Bruckmann).

Kommentar des Fotografen:

Das Foto ist vor nicht allzu langer Zeit am frühen Abend auf dem Weg irgendwo hin entstanden. Ich schleppe meine Kamera eigentlich immer und überall hin mit . . . Weil ich noch auf der Suche nach meiner eigenen visuellen Sprache bin kopiere ich (natürlich nicht ausschliesslich!) gerne meine Vorbilder. In diesem Falle William Eggleston. Obwohl Mr. Eggleston, für mein Empfinden mehr „Raum“ in seinen Fotos hat, finde ich, dass Lichtstimmung, Farbigkeit und die „Banalität“ des Inhalts an ihn erinnern. Meiner Meinung nach ist das nachahmen von Vorbildern eine ziemlich gute Lernmethode, von der man sich, meint man es denn ernst, später ganz automatisch löst. Was denkt Ihr darüber?

Profi Douglas Abuelo meint zum Bild von Nicolas Bruckmann:

Ich denke, Du bist in beiderlei Hinsicht auf dem richtigen Weg. Das Nachahmen von Vorbildern ist eine ziemlich gute Lernmethode, und Dein Bild hat etwas vom Geist William Egglestons.

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Walker Evans: Den Klassiker studieren

Walker Evans, der Begründer der „Straight Photography“, der „direkten Fotografie“, ist in Winterthur zu studieren.

Walker Evans: Excavation for Lincoln Building

Die Bilder der Klassiker sind uns immer irgendwie präsent im Hinterkopf wie flüchtige Bekannte, deren Name uns nur gerade nicht einfällt. Wenn wir uns entscheiden, sie wirklich kennen zu lernen, werden sie richtig spannend. Weiterlesen

William Eggleston: Alles ist bildwürdig

Über William Eggleston ist im Münchner Haus der Kunst derzeit eine große Ausstellung zu sehen – Titel „Democratic Camera“. Das Bayrische Fernsehen zeigt zudem als Premiere ein Filmporträt über Eggleston.

William Eggleston: Untitled, 1965-68 and 1972-74, from Los Alamos, 2003. © Eggleston Artistic Trust. Courtesy Cheim & Read, New York

Der Münchner Dokumentarfilmer Reiner Holzemer hat William Eggleston im Herbst 2007 in Memphis besucht. Zum ersten Mal gelang es, den scheuen Künstler über die Entstehung seines Werks zu befragen und ihn auf einem fotografischen Spaziergang durch Memphis zu begleiten. Bis dahin hatte Eggleston ähnliche Anfragen meist abgelehnt.

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In Innsbruck: Frühe Farbe, verrücktes Leben

Der Amerikaner Saul Leiter begann als Maler und wurde Fotograf. Er experimentierte früh mit Farbe und zeigt uns New Yorker Straßenfotografie als Farb- und Formenspiele.

Saul Leiter: Spaziergang mit Soames, 1958. Courtesy Gallery Greenberg; Albertina WienEinige der New Yorker Bilder von Saul Leiter sind derzeit in Innsbruck zu entdecken, zusammen mit weiteren „Fotografischen Meisterwerken aus der Sammlung der Albertina Wien“, so der Untertitel der Ausstellung. Zusammengemixte Schauen sind oft mit Vorsicht zu genießen. Da wird mitunter zusammengebürstet, was sich nicht rechtzeitig in die Tiefen der Archive retten konnte. Aber wir sehen in Innsbruck neben Leiter eine Reihe von weiteren wichtigen Namen der modernen Fotografie, vornehmlich die Amerikaner: Lee Friedlander, Lewis Baltz, Robert Frank, Joel Meyerowitz oder William Eggleston.

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William Eggleston, Fotograf: Künstlerische Farbfotografie

Schwarzweiß ist Kunst und Farbe ist Knipserei. So galt es lange Zeit. Erst der Fotograf William Eggleston beendete dieses Schubladendenken. Arte TV widmet ihm einen Film.

Der Fotograf William Eggleston, (Bild: Bayrischer Rundfunk/Reiner Holzemer)

William Eggleston gilt als Wegbereiter einer modernen, künstlerischen Farbfotografie. Diesen Ruf erwarb er sich bereits 1976 mit seiner ersten Einzelausstellung, die gleich im New Yorker Museum of Modern Art gezeigt wurde. Obwohl die Ausstellung mehr Tadel als Lob erhielt und von den Kritikern missverstanden wurde, sollte sie Geschichte schreiben und den Beginn der modernen Farbfotografie markieren.

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