Abendporträt: Abstand und angedeutete Linien
In Fotos mit mehr als einem Objekt müssen die Abstände zwischen den Objekten mit Hilfe angedeuteter Linien eine Ausgewogenheit ergeben, die den Blick des Betrachters von Objekt zu Objekt führen.
Kommentar des Fotografen:
Das Foto wurde am Gardasee aufgenommen, an einen tollen Sommertag. Im Hindergrund ging langsam die Sonne unter. Der Künstler hat mich so herzlich angelächelt, und da musste ich ihn abknipsen. Das Resultat: Ein Porträt, in dem der Künstler seine Arbeit macht.
Profi Douglas Abuelo meint zum Bild von Ken Wagner:
Die große Zahl an Elementen in diesem Bild machen es visuell komplex, denn die verschiedenen Objekte konkurrieren um Aufmerksamkeit.
Es war eine gute Entscheidung, das Hauptobjekt, den Künstler, als einziges Element scharf abzubilden. Ein scharfes Objekt im Foto während der Rest mehr oder weniger unscharf ist, ist eine Art, um auf einen bestimmten Bildbereich die Aufmerksamkeit zu lenken.
Leider ist dies allein nicht ausreichend, um die Schwäche der Komposition auszugleichen, denn es sind zu viele andere Gesichter, Formen und verschiedene Grautöne durch das Bild verteilt, die das Bild sehr beschäftigt wirken lassen.
Eine bessere Verteilung von Abständen hätte geholfen. Die zwei Zeichnungen direkt über dem Kopf des Künstlers lenken ab und erzeugen ein Ungleichgeweicht im Bild. Du hättest leicht einen besseren Abstand erzeugen können, indem Du etwas weiter nach rechts gegangen wärst und einen Blickwinkel von etwas weiter unten gewählt hättest. So wäre die Zeichnung in der Mitte des Fotos, zwischen dem Künstler, seiner Zeichnung und seinem Objekt.
Dies hätte Ausgewogenheit ins Bild gebracht, die meisten ablenkenden Elemente im Hintergrund entfernt und Linien angedeutet, die den Blick des Betrachters durch das Foto geleitet hätten. Am Auge des Künstlers beginnend, hätte das Dreieck der angedeuteten Linien zur rechten Seite geführt, durch die Augen der beiden Personen in den Zeichnungen, von da hinüber zum jungen Mann und der Zeichnung und schließlich zum intensiven Blick des Künstlers.
Du hast Hier ausserdem die Horizontale an den Bildkanten der auf der Staffelei aufgestellten Bilder ausgerichtet – und deswegen läuft der See nach rechts aus. Wo ein eindeutiger (Wasser-) Horizont ins Spiel kommt, sollten Bilder immer daran ausgerichtet werden – oder so bewusst dagegen, dass die Neigung des Horizonts als Kompositionsteil und nicht als Unachtsamkeit wahrgenommen wird.
Wie Dir jeder Künstler sagen würde: Die kompositorischen Elemente eines Bildes sind normalerweise genau so wichtig wie der Inhalt.
In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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