Action-Porträt: Volltreffer

Im Studio entstehen kunstvoll präparierte Porträts vor endlos-Hintergründen und mit sorgfältig ausbalancierter Beleuchtung. Das spontane Shooting dagegen hat Seele.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Mario Mertsch).

Kommentar des Fotografen:

Ein spontanes Shooting beim Herumalbern mit meinen Sohn.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Mario Mertsch:

Da gibt es diesen Witz – die Besucherin fragt die Gastgeberin beim Diner: „Sind das Dosenerbsen?“ – „Nein, sind selbstgezogen aus dem Garten!“ – „Erstaunlich. Schmecken wie aus der Dose.“

Ich hab ihn auch nie wirklich kapiert, aber er scheint mir hier angebracht:

Ich habe dieses Porträt vor mir hergeschoben, weil es mir einfach zu perfekt erschien. Typische Studioarbeit eben: Ausbalancierter, auf Kleidung und Hautton des Modells abgestimmter Hintergrund, Doppelbeleuchtung mit Schwerpunkt rechts, aktive Pose.

Aber jetzt habe ich mir die Pose mal genauer angesehen und bin zur Überzeugung gelangt, dass es eben keine Pose ist, sondern aktive Freude. Und erst in der Beschreibung habe ich gelesen, dass es sich bei dem Bild tatsächlich um ein spontanes Porträt handelt. Und weil ich niemandem etwas unterstellen will, aber mit der Information auskommen muss, die wir hier haben, gehe ich davon aus, dass man sich darunter vorstellen muss, dass Du mit Deinem Sohn herumgealbert hast, irgendwann die Kamera vom Tisch nahmst und ganz nebenbei angefangen hast, Bilder zu schiessen.

Das heisst: Sohnemann posiert nicht für die Kamera, sondern für Papa; der quietschvergnügte Ausdruck hat mit dem Shooting nichts zu tun, sondern ist auf die Alberei zurückzuführen, und dass die Farben von Hintergrund, Haut-und Haarfarbe und Kleidung und Augen perfekt abgestimmt sind, ist reiner Zufall. Oder, viel besser: Gut gesehen.

Dann würde mich eigentlich noch interessieren, wie viele Aufnahmen Du in diesem Shooting gemacht hast, und ob es denn aus der Alberei zu einem echten Shooting geworden ist.

Eins ist jedenfalls eindeutig: Ein wildfremder Familienfotograf hätte kaum ein lebhafteres, intensiveres und technisch nahezu perfektes Porträt Deines Sohnes hingekriegt.

Hier stimmt einfach alles, von der Bildaufteilung über die weiche Beleuchtung bis zum Verlauf am linken Bildrand; der Fokus liegt, bei einem spontanen Shooting mit einer Automatik-Kamera und einem bewegten Motiv nicht immer selbstverständlich und bei einer Linse mit f/2.8 und entsprechend geringer Schärfentiefe unabdingbar exakt, genau auf den Augen. Die Farben sind hinreissend warm, und die Wiederholung des sagenhaften Blaus der Augen im weit weniger leuchtenden Blau des Hemdkragens ergibt einen Blickfang von grosser Anziehungskraft.

All das wäre schon beachtenswert, auch wenn der Knabe dabei weit weniger entspannt auf einem Rundhocker sässe und sein bestes Gesicht zu zeigen versuchte.

Es ist aber geradezu unschlagbar mit diesem unmöglich vorspielbaren Vergnügen, das die gesamte Haltung des Sohnemanns ausdrückt. Das ist das letzte Quäntchen, das zur Authenzität des Bildes nötig ist und es von einer Konservenerbse unterscheidet. Ohne diesen emotionalen Reichtum, die sprühende Freude des Modells, wäre es nur ein (geradezu langweilig) perfektes Studiobild eines gut hergerichteten Jungen. So ist es, und das nicht nur für die Eltern und sicher nicht als Schnappschuss, ein Porträt mit einer Seele, das in erster Linie von der abgebildeten Freude lebt, durch die technische und kompositorische Perfektion aber vom erfreulichen Schnappschuss zum richtigen guten Porträtbild geadelt wird.

Aus der Sicht eines Fremden ein ausserordentlich gelungenes Kinderporträt. Was es für die Eltern sein dürfte, können wir nur erahnen, aber ich habe wenige Eltern in meinem Freundeskreis, die unter den Hunderten von Fotos, die sie von ihren Kindern anfertigen, ein ähnlich perfektes, intensives Porträt ihr eigen nennen können, das noch dazu beim ungezwungenen Spiel entstanden ist.

Ich kann nur gratulieren.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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