Actionporträt: Volle Konzentration

Menschen in Aktion zu fotografieren bedarf des richtigen Zeitgefühls. Dabei darf die Technik auch mal zweitrangig werden.

[textad]Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Clemens Schleinzer).

Kommentar des Fotografen:

Aufgenommen bei der niederösterreichischen Landesausstellung, als meine Freundin hochkonzentriert ans Werk ging um mit ihrer Canon G9 das wirklich große Modell von Carnuntum (Hauptstadt der römischen Provinz Pannonien) einzufangen. Ich war mit meiner neuen Canon EOS 550D unterwegs und dementsprechend bin ich auch noch nicht mit allen optimalen Einstellungen vertraut, von daher würde mich eine Profikritik natürlich besonders interessieren. Wenn schon richtig lernen dann doch am besten auch gleich mit einer neuen Kamera… ;-)

Peter Sennhauser meint zum Bild von Clemens Schleinzer:

Eine Junge Frau stützt sich mit dem Ellenbogen in dieser Schwarz-Weiss-Aufnahme auf eine Vitrine, um mit ihrer kompakten Kamera ein Objekt ausserhalb des Blickfelds des Betrachters zur Linken aufzunehmen. Das Modell mit dunkler Sonnenbrille scheint dabei voll konzentriert und beisst sich sogar auf die aus dem Mund lugende Zunge.

Wir haben in dieser Rubrik immer wieder darauf hingewiesen:

Am meisten interessieren uns an Menschenfotos die Gesichter, und in den Gesichtern interessieren uns am meisten die Augen. So auch bei dieser Aufnahme – allerdings sind sie nicht zu sehen. An ihre Stelle treten die grossen Gläser der Sonnenbrille, die Deiner Freundin etwas Ausserirdisches, Unnahbares verleihen.

Gleichzeitig aber erhält sie durch die konzentrierte Haltung und die sichtbare Zunge wiederum einen sehr menschlichen Zug, der in einem seltsamen Kontrast zu der Fliegenaugen-Optik steht. Das hat mich gleich von Beginn an in das Bild hineingezogen. Dann habe ich mich für die Haltung der Fotografin, ihre Konzentration und den Lichteinfall von links, aus der Richtung des Objekts ihrer Aufnahme, zu interessieren begonnen: Dieses statische Porträt erhält durch diesen Lichteinfall einiges an Dynamik.

Soweit, so gut: Als Porträt Deiner Freundin, jedenfalls mit Gewichtung auf ihrer Konzentrationsfähigkeit, der Leidenschaft für die Sache und allenfalls sogar die Fotografie – funktioniert es recht gut. Auch wenn man sie wahrscheinlich nicht wiedererkennen würde, wenn sie in der Galerie neben einem genau dieses Bild betrachten würde.

Allerdings habe ich mich gefragt, warum Du das Bild in Schwarz-Weiss konvertiert hast. Ich meine, dass die Probleme mit dem Kontrast – grosse Teile der dunklen Bereiche an Kopf und auf der Vorderseite der jungen Frau saufen komplett ab und sind im JPG nicht mehr zu retten, obwohl das Bild nicht stark unterbelichtet ist – auf die Umwandlung und die verschiedenen Abstufungen der Farbkanäle zurückzuführen sind. Das lässt das Bild als Fehlbelichtung erscheinen, auch wenn es das nicht unbedingt sein muss.

Zudem würde ich, grade wenn Du erste Erfahrungen sammeln musst, mit Farbe arbeiten und damit versuchen, korrekte Belichtungen und spannende Kompositionen hinzukriegen. Schwarz-Weiss-Fotografie ist nicht einfach das gleiche ohne Farbe, wie diese Aufnahme gut zeigt: Sie ist technisch am unteren Ende, weil Du sie konvertiert hast, gewinnt aber wahrscheinlich nichts durch den Verzicht auf die Farbe.

Ein Aspekt kommt erschwerend hinzu, wenn Du ausdrücklich sagst, dass Du mit der neuen Kamera mehr lernen möchtest: Deine Spiegelreflex zeichnet – wie alle Digitalkameras – auch dann in Farbe auf, wenn Du auf Schwarz-Weiss umstellst. Sie gibt Dir lediglich die Vorschaubilder und JPGs in Schwarz Weiss aus, RAW-Fotos sind aber wieder bunt, und das ist gut so, weil Du daraus mit Verschiebungen der Farbkanäle in S/W die optimale Schwarz-Weiss-Fotografie herausholen kannst.

Vor allem aber handelt es sich um eine Spiegelreflexkamera, und die zeigt Dir nun Mal im Sucher die Szenerie in Farbe. Damit S/W zu komponieren, ist eine zusätzliche Herausforderung. Zugleich erkennst Du anhand der S/W Aufnahmen deutlich schlechter, was Du an den Bildern technisch verbessern könntest als an Farbaufnahmen, die Du viel besser mit dem Vergleichen kannst, was Du im Sucher gesehen hast.

 

In der Rubrik „Bildkritik“ analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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