Alec Soth & Freunde: Fotografie und Pingpong
Magnum-Fotograf Alec Soth sieht die Fotografie in erweiterter Form gerade auch als Mittel eines kommunikativen Handelns. Zur aktuellen Ausstellung in Hannover veranstaltete er ein Pingpong-Turnier und stiftete den Pokal.
Pingpong als Sinnbild: für das Hin und Her zwischen zwischen den Künstlern und jenen, die sich die Werke ansehen und nun auch teilhaben dürfen – oder auch zwischen den Freunden, mit denen Alec Soth konsequenterweise gemeinsam ausstellt.
Den Ansatz zu Austausch und Teilhabe betrachtet der Amerikaer Soth vor allem auch als Gegengewicht zu seinem eigenen Individualismus. Den fotografischen Akt bezeichnet er als „Beautiful Loneliness in Voyeurism“, als die schöne Einsamkeit beim Voyeurismus. Auch in seinem Werk beschäftigte sich Alec Soth viel mit der Einsamkeit menschlicher Existenz.
Für seine Fotoserie Broken Manual etwa reiste Soth durch die USA, um Menschen zu fotografieren, die ein Leben fern der Zivilisation führen: in Höhlen, Hütten, Trailern und Hausbooten. Soth trifft auf Menschen, die vereinsamt sind und andere, die die Einsamkeit suchen: solche, die zutiefst von der amerikanischen Gesellschaft enttäuscht sind, und solche, die in ihr Leben mit und in der Natur spirituell erleben. Ein Filmteam legte dabei 19 000 Meilen mit ihm zusammen zurück. Daraus entstand die Dokumentation Somewhere to disappear, die während der Ausstellung in Hannover zu sehen ist.
Aber die besondere Bedeutung Alec Soths für die Fotografie in unserer Zeit begründet sich eben nicht allein auf dieser Art fotografischer Forschungsarbeit und seiner Mitgliedschaft in der renommierten Bildagentur Magnum: Insbesonders der von ihm betriebene Blog Little Brown Mushroom und die gleichnamige Publikations- und Vertriebsplattform gelten als exemplarisch für das erwähnte erweiterte Verständnis der Fotografie als Mittel kommunikativen Handelns im Zeitalter des Internets.
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Wenn schon Pingpong, dann richtig: Der Little Brown Mushroom Ping Pong Reading Room in Hannover vereint verschiedene Angebote rund um Fotografie und Sport: Eine Tischtennisplatte lädt zum spielerischen Miteinander ein. Die Künstlerfreundin Anouk Kruithof (*1981) lässt Führungskräfte des höheren Managements ihr sportliches Können demonstrieren (Push-Up, 2013). David Goldes (*1977) imaginiert die tänzerische Balance eines Tischtennisballs über einem Luftstrom (Gravitiy versus Air Stream, 2014). Jason Polan (*1982), seit Jahren und wohl noch Jahrzehnte damit beschäftigt, jeden einzelnen New Yorker zu zeichnen, steuert Tischtennisschläger bei.
Eine kleine Bibliothek bietet ausgewählte Lektüre, bequeme Sitze gestatten das Verweilen. Alec Soth selbst produzierte speziell für das Sprengel-Museum eine Fotografie, die ein Tischtennismatch im nächtlichen Schneetreiben zeigt. Das große Format wird aus 64 einzelnen Blättern zusammengepinnt, liegt aber auch ‚gestapelt‘ zum Mitnehmen und Installieren an den eigenen Wänden bereit. Kleinformatige Reproduktionen historischer Fotografien wiederum erzählen von den möglichen Freuden und Komplikationen des Ping-Pong, von welligen Tischen, sportlich-schönen Männern und Frauen, Pingpong spielenden Tauben, und vieles mehr.
Alec Soth (Jahrgang 1969) zählt zu den einflussreichsten Fotografen seiner Generation. Seine umfangreichen, mit Großformatkamera gemachte Bildserien über den amerikanischen Mittleren Westen haben die Selbstwahrnehmung der USA vor allem in letzten Jahren wesentlich geprägt. Aufgewachsen in Minnesota gelangte Soth über eine Auseinandersetzung mit Land Art, Malerei und einem Studium unter anderem bei Joel Sternfeldt, zur Fotografie. Seine frühe Schwarz-Weiß-Arbeit Looking For Love (1996) gibt ein berührendes Porträt des Alltags in der amerikanischen Provinz. Auch beeinflusst von den häufig an die Erfahrung des Reisens gebundenen Filmen des deutschen Regisseurs Wim Wenders begab sich Alec Soth in den folgenden Jahren immer wieder auf die Suche nach der Gegenwart der amerikanischen Gründungsmythen: Die Landschaften in seinen Bildern sind weit und erhaben. Ihre Bewohner sind eigenwillige Individualisten, die sich behaupten, wo immer sie hingestellt sind. Wir finden mehr über ihn auf Alec Soths Website.
Alec Soth & Friends – Little Brown Mushroom Ping Pong Reading Room
Bis 26. Oktober
Sprengel Museum Hannover, Kurt-Schwitters-Platz, D-30169 Hannover,
+49 (0)511-168 4 38 75, sprengel-museum@hannover-stadt.de
Geöffnet Dienstagi 10 – 20 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10 – 18 Uhr
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