Alexander Rodtschenko: Vom neuen Sehen

Alexander Rodtschenko gehört zu den bahnbrechenden Fotografen der Moderne im jungen 20. Jahrhundert: Er hat das Sehen verändert. Im Martin-Gropius-Bau in Berlin ist sein Werk bis zum 18. August zu sehen.

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Alexander Rodtschenko: Stufen, 1930
Alle Bilder: © A. Rodtschenko Archiv / VG Bild-Kunst, Bonn 2008

Alexander Rodtschenkos Werk ist weltweit bekannt geworden. Bevor er Mitte der 1920er Jahre die Fotografie als neues Medium für sich entdeckte, hatte er sich bereits als vielseitiger und innovativer Künstler in Moskau hervorgetan. Seine Fotografie verstand sich als radikaler Bruch mit der Kunstfotografie der Jahrhundertwende. Der fotografische Blick sollte revolutioniert werden, ein „neues Sehen« die Gesellschaft und den Menschen verändern – ganz im Sinne revolutionärer Ziele.

Alexander Rodtschenko war ein junger, links orientierter Künstler, als 1917 die Oktoberrevolution in Russland alles veränderte. Er wurde 1891 in St. Petersburg als Sohn eines Theaterequisiteurs geboren. Nach der Revolution engagierte sich Rodtschenko wie viele andere Avantgardekünstler für den Aufbau neuer Strukturen der künstlerischen Produktion in der jungen Sowjetunion.

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Alexander Rodtschenko fotografiert im Kulturpark, Foto von A. Skurikhin, 1932

Für Vladimir Majakowskis Gedichtband «Pro eto« entwickelte Rodtschenko die ersten Fotomontagen als eigenständige Deutungen zum literarischen Text. Gleichzeitig wandte er sich entschieden der Fotografie zu. 1924 kaufte sich Rodtschenko seinen ersten Fotoapparat. Es entstehen erste Porträts seiner Familie, von Künstlerfreunden und Kollegen der Zeitschrift LEF wie Majakowski, Ossip Brik und Ljubow Popowa.

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Alexander Rodtschenko: Lilia Brik Porträt für das Poster «Knigi», 1924

In den folgenden Jahren streifte er durch Moskau und fotografierte die neuesten konstruktivistischen Bauwerke, Arbeiterklubs, Fabriken mit modernen Maschinen und Großküchen, Telegrafenmasten, Elektrizitätswerke, Treppen und Parks. Er hält die Motive in extremen Aufsichten und Untersichten fest, in Diagonalen, Anschnitten und Details. Für das damalige herrschende Sehempfinden war dies ein ungewöhnliches Verfahren. Die neuen Aufgaben und Themen verlangten seiner Meinung nach eine neue Form der Darstellung:

«Wir müssen unser optisches Erkennen revolutionieren. Wir müssen den Schleier von unseren Augen reißen, der ‚vom Nabel aus’ heißt.« «Und die interessantesten Blickwinkel der Gegenwart sind die von oben nach unten und von unten nach oben und ihre Diagonalen.« (1928)

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Alexander Rodtschenko: Sowjetisches Leben. Magazin-Titel, 1944

Ab 1928 sah sich Rodtschenko zunehmend scharfer Kritik ausgesetzt. „Gefährlich“ und „bürgerlich-formalistisch“ seien seine Arbeiten. Er wird als Anhänger der experimentellen Fotografie von Laszlo Moholy-Nagy und Man Ray diffamiert. Politischer Hintergrund ist eine stärkere Indienstnahme der Fotografie als Mittel der sozialistischen Massenkommunikation – sozialistischer Realismus. Es wurde wieder herkömmliche Landschafts-, Porträt- oder Dokumentarfotografie gefordert.

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Alexander Rodtschenko: Menschen versammeln sich zu einer Demonstration, 1928 (1933)

Nach dem Zweiten Weltkrieg, schon gesundheitlich angeschlagen, experimentierte er mit Farbfotografie und arbeitete als Gestalter. Am 3. Dezember 1956 starb Alexander Rodtschenko in Moskau.

Katalog: Moscow House of Photography (Hrsg.): Alexander Rodtschenko, Moskau, 2008. Ausstellungskatalog, 30 Euro, ISBN 978-3-89479-487-3, Buchhandelsausgabe, 39,90 Euro, ISBN 978-3-89479-488-0

Alexander Rodtschenko
Bis 18. August
Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, Ecke Stresemannstr. 110, 10963 Berlin
Telefon +49 (0)30 254 86-0, E-Mail post@gropiusbau.de
Geöffnet Mittwoch bis Montag 10 – 20 Uhr, Dienstag geschlossen

Martin-Gropius-Bau
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