Antischeimpflug: Effekte mit schräger Schärfe

Die Schärfe einer Fotografie liegt (üblicherweise) in einer Tiefenebene parallel zum Film/Sensor. Mit Fachkameras oder Spezialobjektiven lässt sie sich manipulieren und verläuft dann beispielsweise „schräg“ durchs Bild.

thomasrathay.jpgDie Scheimpflugsche Regel besagt, dass sich die Bild-, Objektiv- und Schärfeebene in einer gemeinsamen Schnittgeraden schneiden müssen, damit alle Objekte der Schärfeebene (auch Projektions-, Objekt- oder Gegenstandsebene genannt) auf der Bildebene scharf abgebildet werden. Sie wurde 1907 von dem österreichischen Offizier und Kartographen Theodor Scheimpflug (1865–1911) entwickelt.

Grade in der Architekturfotografie spielt sie eine grosse Rolle: Um stürzende Linien, verzerrte Kanten und abfallende Schärfe an langgestreckten oder hochaufragenden Gebäuden zu vermeiden, braucht man eine Kamera, deren Bild- und Objektivebene nicht zwingend parallel zueinander stehen müssen. Spezialobjektive dafür gibts auch für die digitale Spiegelreflex (siehe unten).

Besonders viele Möglichkeiten haben Besitzer von Großformatkameras, auch Fachkameras genannt. Es gibt verschiedene Firmen, die solche Kameras herstellen. Ich arbeite immer noch mit meiner CAMBO, aber auch SINAR und LINHOF stellen Kameras mit Aufnahmeformaten ab 4×5 Inch her.

thomasrathayantischeimpflug.jpgBei diesen Kameras sind die Vorderseite mit dem Objektiv und die Rückseite mit der Mattscheibe und dem Film durch einen flexiblen Balg miteinander verbunden.

Während bei normalen Kameras das Gehäuse starr ist und nur die Fokussierbewegung des Objektives möglich ist, kann bei Fachkameras das Gehäuse in sich bewegt werden.

Eine Möglichkeit, die sich damit bietet, ist der sogenannte Antischeimpflug. Hierbei werden die Film- und die Objektivebene so verstellt, dass die Schärfe nur sehr selektiv durch eine festgelegte Ebene verläuft.
thomasrathayantischeimpflug2.jpgÄhnliche Resultate erzielt man auch mit Shift- und Tiltobjektiven an Kleinbild-Spiegelreflexkameras oder mit den „lensbabies“. Diese sind eine relativ preiswerte Variante und bereiten durch den Einsatz an Digitalen SLRs unbegrenztes Spielvergnügen.

Wie an meinen Beispielen zu sehen, kann man durch diese Verstellmöglichkeiten das Augenmerk des Betrachters gezielt auf einen Punkt lenken. Eine Besonderheit des Gebäudes oder ein Firmenlogo für Werbezwecke werden so prägnant wahrgenommen.

Darüber hinaus eröffnet der Effekt unzählige kreative Möglichkeiten, die heute zwar auch in der „digitalen Dunkelkammer“ geschaffen werden können, den Direktaufnahmen aber niemals das Wasser zu reichen vermögen.

12 Kommentare
  1. Nadine
    Nadine sagte:

    Wir werden unsere Autoren und Experten demnächst alle etwas ausführlicher vorstellen – und dann erübrigen sich die Fragen hoffentlich.

    Na dann warte ich mal ab :-)

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  2. Peter Sennhauser
    Peter Sennhauser sagte:

    Nadine – vielen Dank für die Blumen (fast hätte ich gesagt: Aus berufenem Munde. Aber das Bild schlägt dem Fass irgendwie die Krone ins Gesicht… ;-). Wegen des Stöckchens: Wir werden unsere Autoren und Experten demnächst alle etwas ausführlicher vorstellen – und dann erübrigen sich die Fragen hoffentlich.

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  1. […] Lightroom oder einem anderen Programm eine noch viel weitergehende Schärfenmethode angewandt: Den Anti-Scheimpflug-Effekt. Er beruht darauf, dass die fokussierende Linse nicht genau plan parallel zum Film/Sensor steht, […]

  2. […] kaum mehr geltende Rückschlüsse zulässt. Wir haben diesen Typ des Balgen-Objektivs (super für Anti-Scheimpflug-Effekte) bereits an mehreren Stellen besprochen; ein Lensbaby als Objektivgattung erlaubt es dem […]

  3. […] für eine Aufnahme, die sie nicht unbedingt braucht: Durch den schrägen Winkel von oben geht die Schärfenebene fast durch das ganze Motiv, eine Freistellung erfolgt nicht in erster Linie durch Unschärfe. […]

  4. […] Punkt aus, der etwa in der Mitte seiner Höhe liegt. Ist dies nicht möglich, können wir entweder eine Fachkamera oder eine SLR mit einem Tilt-/Shift-Objektiv […]

  5. […] (in Anlehnung an die “echten” Shift-Objektive, die die Schärfenebene schon bei der Aufnahme zu verlagern vermögen) nennen die Macher die Technik, und ein wenig damit zu experimentieren lohnt sich […]

  6. […] man die Schärfenebene ausserdem auch noch zur Bildebene kippt, entsteht ein Tilt/Shift oder Anti-Scheimpflug-Effekt, der mit Fachkameras oder speziellen Objektiven auch auf Kleinbildkameras erzeugt werden kann: […]

  7. […] – Film zu versuchen. Schliesslich haben hier auch schon Profis wie Thomas Rathay Möglichkeiten und Faszination herkömmlicher Technik und beispielsweise der Grossformatkamera […]

  8. […] einem Artikel über Anti-Scheimpflug haben wir den Effekt bereits behandelt. Er dient einerseits für das Vermeiden von […]

  9. […] Ich wusste nicht mal, dass es Tilt/Shift-Objektive für Spiegelreflexkameras gibt. Ich glaubte, die Anti-Scheimpflug-Technik sei den Fachkameras mit flexiblem Balg oder den “Lensbabies” (als Behelf für […]

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