Architektur-Foto: Geometrie mit Action
Manchmal ist der Strich, den einem etwas durch die Rechnung macht, genau der, den es für ein spannendes Foto braucht. Hier sind dafür ein paar andere zuviel.
Rainer Bachmann aus Berlin schreibt zu diesem Bild: Beim Besuch im Jüdischen Museum in Berlin spielte ich mit den geometrischen Formen und Linien der Wände und der Kellertreppe und hatte schon das Bild in schwarz/weiß vor den Augen, als plötzlich die Person aus der Tür trat. Ich drückte unwillkürlich ab und finde das Bild nun mit der Person erst eigentlich richtig spannend – sie macht auch die Formenspielerei lebendiger. Insofern bin ich mir gar nicht mehr sicher ob Architektur noch die richtige Kategorie ist, oder doch Schnappschuß treffender wäre.
Spannende Ausgangslage, schönes Motiv, guter Ausgang. Bloss der Heiligenschein, der stört mich:
Deine Frage wollen wir gleich beantworten, aber zunächst schauen wir uns diese Farbfotografie genauer an.
Genau, es handelt sich um eine Farbfotografie, auch wenn das sogar in Lightroom nur an dünnen Schatten im Histogramm erkennbar ist. Wir sehen also in einem durchaus spannenden Muster von Linien eine Person, die ungefähr mittig im Bild von uns weggeht. Wir blicken eine Treppe hinunter nach links ins Bild, wobei unser Blick rechts von einem entweder glänzenden, oder aber sogar beleuchteten Handlauf, links von einem einfachen, runden Handlauf geführt wird. Vor uns in der linken Bildhälfte schiebt sich eine Wand als Treppendecke diagonal in den Blick, unten zieht sich der Korridor, in den die Treppe führt, nach links hinten in einen beleuchteten Teil weg. Nach rechts öffnet sich der Korridor in den Durchgang, aus dem die Frau, die wir sehen, gerade nach rechts abbiegt.
Ich verstehe vollkommen, dass dich dieser Anblick fasziniert hat: die Linien sind ein dankbares Motiv, der Lichteinfall schafft eine spannende geometrische Form, und ich frage mich auch jetzt noch, ob der gleissen Handlauf rechts beleuchtet ist oder einfach dermassen genial spiegelt, dass er den entsprechenden Eindruck weckt.
[bildkritik]
Schon so, wie Du das Bild komponiert hast, finde ich es eine Fotografie wert. Tatsächlich aber hat Dir die Dame, die dir hier in den Ausschnitt getreten ist, wahrscheinlich einen Gefallen getan: Denn erst diese Störung, diese Kreise auf der Wasseroberfläche, bringen eine inhaltliche Spannung in die ansonsten eben zu geometrisch geordnete Aufnahme.
Ein Schnappschuss ist es deswegen meiner Ansicht nach nicht: Du hast die Szenerie gesehen, richtig komponiert und sozusagen mit etwas Glück eine Protagonistin erwischt, die es ausfüllt. Das ist die gleiche Situation wie in der Streetfotografie.
So weit ist alles klar. Jetzt allerdings eröffnen sich einige Fragen. Zuerst einmal wundere ich mich wie eingangs angedeutet, dass Du daraus nicht bereits ein Schwarz-Weiss-Bild gemacht hast. Ein ganz feiner Gelbstich verleiht dem Korridor unten vielleicht einen Hauch Wärme, aber eigentlich ist die Aufnahme Monochrom.
Ausserdem nehme ich an, dass Du anders belichtet und das Bild abgedunkelt hast. Das, damit die Flächen und Linien besser spielen und die Fliesen im Korridor weniger ablenken. Ferner scheinst Du – und da wird es mir eindeutig zu heftig – den Kontrast in den Mitteltönen angehoben, wie es beispielsweise die Funktion „Klarheit“ in Lightroom tut.
Das führt aber, wenn man nur ein bisschen in das Bild hineinzoomt, zu ausserordentlich starken Halos oder „Geisterschimmern“ an den Kanten mit dem grössten Kontrast:
Das macht auch die Umwandlung in Schwarz Weiss noch schwieriger, denn dabei werden die Kontraste in fast allen Varianten noch weiter erhöht und die Halos dadurch verstärkt. Ich habe es schliesslich mit der Version eines Rotfilters und mit einer Anhebung der Lichter bis zur Helligkeit der Halo-Linien versucht. Aber das kann nur ein Behelf sein. Also. Nochmals dahinter setzen und versuchen, mit weniger Kontrast eine Umwandlung in Schwarz/Weiss zhinzukriegen, die Deinem Eindruck des Bildes gerecht wird. Ich finde, das würde sich lohnen.
Hallo Peter,
herzlichen Dank für deine konstruktive Besprechung und die Beantwortung meiner Fragen.
Ich gebe dir vollkommen Recht, die halos sind des Guten zuviel. Du hast richtigerweise angenommen, daß ich das Bild abgedunkelt habe, damit die Linien und Flächen besser hervortreten und die Struktur des Bodens und der Treppe weniger ablenken. Auch entspricht dein angenommenes Ausgangsbild in etwa der ursprünglichen Belichtung.
Ich arbeite nur mit einem einfachen Bildbearbeitungsprogramm: fotor, freeware für mac und bin darin alles andere als geübt. Miir reicht es aber bisher vollkommen aus, weil ich an meinen Bildern nicht mehr viel rumdoktre, außer evtl.Beschnitt (in diesem Fall nicht), heller/ dunkler und Kontrast, dessen Anhebung ich an meinem Bildschirm mit den halos nicht gesehen habe; aber beim einzoomen ist er definitiv zu heftig. Auch der leichte Gelbstich ist eher schlampig gearbeitet. Ich lerne daraus für mich, dann auch bei der Nachbearbeitung grundsätzlich sorgsamer vorzugehen.
P.S. Der Handlauf rechts ist nicht beleuchtet sondern spiegelt einfach so heftig!
Beste Grüße
Rainer
Hallo Rainer,
das Bild gefiel mir auf den ersten Blick, ich dachte gleich, das ist ein Bild für mich. Der Aufbau mit dem Verlauf der Linien ist gelungen, mit der Konsequenz, dass mein Auge in alle Richtungen wandert, was mir hier durchaus gefällt. Die letzte Version von Peter ist mir teilweise zu dunkel, z.B. die Treppe.
….weil ich an meinen Bildern nicht mehr viel rumdoktre…
Da bin ich aber ganz anderer Meinung! Du hast es hier ja auch nicht unterlassen, z.B. S/W und das Format verändert. Ein Bild wird dadurch nicht besser, weil es der Fotograf der Kameraelektronik überlassen hat, wie die Farb- und Helligkeitsverteilung sein soll und das „normale“ Seitenverhältnis hat auch nichts mit einer Bildkomposition zu tun.
Für mich ist das, was als RAW aus der Kamera kommt, wirklich reines Rohmaterial. Das kann man bei Ansel Adams sehr gut beobachten.
…auch bei der Nachbearbeitung grundsätzlich sorgsamer vorzugehen….
genau, und auch kreativ zu bearbeiten.
VG
dierk