Ausstellungsstilleben: Göttliche Strahlen

Flutendes Licht – ob in der Natur, in Gebäuden oder in bebautem Gebite – ist immer ein Blickfang. Als Motiv allein reicht es aber meistens nicht aus.

[textad]

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Gerd Tschebular).

Kommentar des Fotografen:

Das Foto entstand auf der Biennale in Venedig und überzeugt wohl durch die einzigartige Lichtstimmung resultierend aus dem riesigen Fenster im alten Gemäuer. Die menschliche Komponente zählt wohl zur Kategorie „zur richtigen Zeit, am richtigen Ort“.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Gerd Tschebular:

Durch ein Fenster am rechten Bildrand flutet in dieser Fotografie das Licht als dichter Strom in das Bild nach links unten. Unterhalb des Fensters ist altes Gemäuer mit bröckelndem Putz zu erkennen. In der Mitte der Komposition, gerade noch ausserhalb der Lichtflutung, steht eine Frau, in Turnschuhen, Leggins und Rock, die mit mit einem Gerät von der Kamera weg hin zu filmen scheint.

Vor ihr auf dem Boden steht ein kleines, feinbeiniges Objekt, das auf den ersten Blick einer zu klein geratenen Sesselgruppe gleicht.

„Godbeam“ heissen solche flutenden Sonnenstrahlen, wenn sie durch die Wolken brechen, in der Landschaftsfotografie auf Englisch.

Man findet sie aber auch oft in verhältnismässig dunklen Räumen mit hohem Kontrastunterschied zum Aussenlicht – und vorzugsweise überall dort, wo Staub oder Feuchtigkeit in der Luft das Licht so streut, dass die Strahlen deutlich sichtbar werden und klare Abgrenzungen im scheinbar leeren Raum entstehen. Ein besonders schönes Muster ergibt sich, wenn wie hier im Fenster oder der Öffnung, durch die das Licht einfällt, Jalousien oder andere Hindernisse für ein zusätzliches Schattenmuster sorgen.

Du hast hier auf das Licht belichtet und dafür gesorgt, dass der Strahlenbaum hell genug wird, um undurchdringbar zu wirken. Das führt bei Blende 1.8 und 800 ISO zu einem gewissen Rauschen, das der Schwarz-Weiss Aufnahme den Anflug eines groben Korns verleiht, was durchaus wünschbar ist.

Zugleich hast Du dafür gesorgt, dass kein Objekt direkt im Lichtstrahl steht. Das wiederum sorgt dafür, dass die in der Komposition sichtbaren Objekte – neben der Frau und unter dem Kunstobjekt, das sie zu fotografieren scheint – sehr weiche Schatten sichtbar sind, welche zur nebligen, traumhaften Stimmung beitragen.

Insgesamt eine geglückte Aufnahme, die einiges zu bieten hat, auch wenn ich sie als leicht überbelichtet empfinde (richtiges Schwarz ist in den Tonwerten nicht zu finden) und die Frau ein kleines bisschen zu genau im Zentrum steht. Und ja: Ihre Anwesenheit ist ein Glücksfall, denn ohne Sie wäre das nicht einschätzbare Kunstobjekt das einzige, was dem flutenden Licht einen Kontrast verleihen hätte.

In der Rubrik „Bildkritik“ analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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2 Kommentare
  1. Dr. Thomas Brotzler
    Dr. Thomas Brotzler sagte:

    Nun wollte ich noch etwas zuwarten, welche Diskussion zum Bild in Gang kommt. Daß sich aber gar keine solche einstellen mag, finde ich recht schade …

    Peter hat das Bild wie immer sehr differenziert beschrieben: eine große Bildidee und gelungene Komposition! Seiner Auffassung hinsichtlich der erhöhten ISO-Zahl als simuliertes Filmkorn kann ich vielleicht nicht ganz folgen – auch die „alte“ 5D arbeitet in diesen Bereich recht sauber, so daß wir wohl eher eine in der Bearbeitung hinzugefügte Schicht sehen, was ja angemessen erschiene.

    Die Einschätzung hinsichtlich der tendenziellen Überbelichtung teile ich. Die Lichtstrahlen wirken auf mich zu wenig ätherisch, zu sehr „weiß eingesoßt“. Eine leichte Zurücknahme der Lichter bzw. Verstärkung des Mitteltonkontrastes im PS-Filter Tiefen/Lichter hätte diesen wohl mehr „Körperlichkeit“ verliehen. Auch der Raum als solches läßt durch die insgesamt flaue Anmutung Tiefe vermissen.

    Da die fokussierten Objekte recht nahe sind, wirkt sich die geringe Schärfentiefe der verwendeten Blende (nahe an der Offenblnde) brutal aus. Soweit es die verkleinerte Darstellung erkennen läßt, sind die Objekte halbwegs im Fokus, die Frau jedoch schon in der Unschärfe. Das finde ich schade und schwächt m. E. die Bildwirkung ab – eine Blende 8 hätte die bildwichtigen Elemente vermutlich besser umklammert. Und die Struktur der Wand finde ich persönlich als zu vage bzw. weich, auch hier den Mikrokontrast als zu wenig herausgearbeitet.

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