Baumleichen: Infrarotes Horrorbild

Waldbrandregionen bieten wohl viele ungewöhnliche Motive, aber auch Farbkombinationen. Auf die Idee einer Infrarotaufnahme muss man zuerst mal kommen.

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Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Michael Görmann). Keine eindeutigen Exif-Daten

Kommentar des Fotografen:

Die Aufnahme entstand einige Wochen nach den verheerenden Waldbränden in Kalifornien. Es ist eine Infrarotaufnahme ohne besondere Nachbearbeitung. Tageszeit: früher Nachmittag.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Michael Görmann:

Ich gestehe, dass ich mich mit Infrarot bisher noch nicht versucht habe. Umso mehr staune ich immer wieder, was damit möglich ist: Winterlandschaften mitten im Sommer, halbtransparente Büsche – oder eben ein Bild wie aus einem Horror-Computerspiel.

In diesem Fall passt’s ja bestens:

Ich würde davon ausgehen, dass Du die fahlen Leichen der Bäume anklagend ihre Äste gen Himmel strecken lassen wolltest – und dank IR ist der Himmel ja auch noch bedrohlich düster, die Baumleichen dafür bleich wie Skelette – Mary Shelley dürfte ihre Freude dran haben.

Zum Infrarot kann ich wie eingewandt nicht viel sagen, ausser, dass ich es hier sehr gut eingesetzt finde. Zu kalifornischen Lichtverhältnissen weiss ich ein bisschen mehr – und die waren grade nach den Waldbränden durch die Rauchpartikel in der Luft wochenlang spektakulär, jedenfalls am späten Nachmittag und abends.

Du hast Hier ausserdem offensichtlich eine Waldstelle gefunden, durch die das Feuer in Rekordtempo durchgerast ist, so dass selbst das Gras und die dünnen Äste der Bäume einigermassen unbehelligt blieben.

Die Komposition finde ich dank dem Gegensatz des rundlicheren Baums rechts und der dramatischen Konifere links sehr gelungen, auch mit dem Schattenfall im Vordergrund und zur rechten Bildseite hin – das ganze wirkt effektiv wie eine durch Blitz beleuchtete Nachtaufnahme im Moor von Baskerville…

Den etwas kryptischen Exif-Angaben konnte ich leider die Brennweite nicht entnehmen, gehe aber angesichts der nach links stärker werdenden Neigung der Bäume im Hintergrund von einem Weitwinkel aus.

Wenn ich etwas bemängeln müsste an dem ansonsten sehr ansprechend-abschreckenden Bild, dann sind es diese Verzerrungen, die man ohne grosse Folgen auf der rechten Bildseite hätte gerade rücken können – und vielleicht die eine alleinstehende Föhre ganz links, die diese Neigung besonders stark auffallen lässt und ausserdem von den beiden Hauptdarstellern ablenkt. Ich hätte eine leicht verschobene Perspektive ausprobiert oder das Bild beschnitten.

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