Belichtungsautomatik: Zuerst sind alle Karten grau

Früher benötigte man aufwendige Belichtungsmesser, heute kann schon die billigste Kamera das längst selbst? Nein: auch teure Kameras können fehlbelichtete Bilder liefern.

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Misslungener Schnappschuss mit Belichtungsautomatik: Fenster mit Rest-Tageslicht zu hell, Personen im Vordergrund völlig unterbelichtet und praktisch nicht mehr erkennbar. (Bild: W.D.Roth)

In den Anfängen der Fotografie war die richtige Belichtung wirklich ein Problem – oft genug stellte sich nach stundenlangem Fotografieren und anschließendem Entwickeln heraus, dass die Aufnahme misslungen war. Später kamen die Belichtungsmesser, die einem Hinweise über die geeignete Einstellung von Zeit und Blende gaben.

Diese beiden Parameter entscheiden auch heute noch, wie eine Aufnahme belichtet wird – die Belichtungsautomatik versucht nur, einem diese Arbeit abzunehmen, was überhaupt erst spontane Schnappschüsse möglich macht. Eine große Hilfe im Alltag, ob beim Anfänger oder Profi. Doch gibt es einfach Szenen, bei denen die Belichtungsautomatik versagt.

Das passiert auch erfahrenen Fotografen, wie auf dem Bild, das die beiden Journalisten Thomas Mrazek und Stefan Girschner zeigt, zu sehen ist: Hier hatte ich auf einer Tagung im Gespräch die Kamera aus der Tasche geholt, um für Erinnerungszwecke einen die Stimmung nicht störenden Schnappschuss ohne Blitz zu machen, da die beiden Kollegen die Veranstaltung vorzeitig verlassen mussten. Also ein simples Knipsen ohne künstlerischen Anspruch.

Doch das ging schief: Wie Sie sehen, sehen Sie nichts. Warum Sie nichts sehen, werden Sie gleich sehen.

Hier kamen nämlich gleich mehrere problematische Faktoren zusammen: Mischlicht, der extrem hohe Kontrast einer Gegenlichtsituation, sowie unwichtige Dinge (das Fenster im Hintergrund) in Bildmitte.

Letzteres ist ein Garant für misslungene Aufnahmen bei Nutzung von Automatikfunktionen, da die Automatik meist davon ausgeht, dass das Objekt in Bildmitte das wichtigste Motiv ist. Ebenso problematisch ist Gegenlicht, obwohl es die Aufnahmen interessant macht. Manche einfachen Kameras haben eine spezielle Gegenlicht-Taste, die die Belichtung um eine Stufe anhebt. Doch auch das ist nicht die Universal-Lösung: mal ist dies bereits mehr als benötigt, mal viel zuwenig.

Der Kamera-Monitor ist in solchen Situationen auch nicht immer eine Hilfe, da er zunächst einmal dazu bestimmt ist, den Bildausschnitt zu zeigen, um ihn passend auszuwählen. Somit ist auf ihm das Motiv oft noch gut erkennbar, das später im Foto enttäuschenderweise komplett „abgesoffen“ ist.

Bei der Olympus E-510 ist es zwar möglich, auf dem Monitor im Live-View-Modus die Bildqualität inklusive der Helligkeit vorab zu beurteilen, wenn die Funktion „LV-Erweiterung“ abgeschaltet ist, doch ist diese Funktion begrenzt: Überbelichtung ist auf dem Monitor nicht erkennbar, und auch Unterbelichtung wird in einer dunklen Umgebung nicht auffallen.

Bei eingeschalteter „LV-Erweiterung“ wird die Bildhelligkeit auf dem Monitor ohnehin konstant gehalten, doch ist gerade diese Einstellung für Nachtaufnahmen notwendig, weil sonst kein Vorschau-Bild auf dem Monitor erscheint.

Richtige Belichtung und Fokussierung

Die richtige Belichtung ist eine der Grundlagen der Fotografie – zwar kann bei der Analogfotografie im Labor und bei der digitalen Fotografie in der Bildbearbeitung noch manches gerettet werden, das nur leicht danebengegangen ist. Doch was schlichtweg als Information nicht mehr auf den Film beziehungsweise in die Datei geraten ist, kann die beste Software nicht mehr hervor zaubern.

Macht man sich über die verpatzte Aufnahme der beiden Kollegen mit der Bildbearbeitung her, so kann man zwar etwas mehr erkennen, aber nicht wirklich viel, und es entstehen bei starken Veränderungen massive Störungen wie stufenartige Farbübergänge und Rauschen. Deshalb zunächst einmal etwas Grundlagenwissen darüber, wie der Belichtungsmesser arbeitet.

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Der Schnappschuss in einer Bildbearbeitung (Paint Shop Pro 8) optimiert: Nun erkennt man immerhin ein bisschen was, die beiden Personen haben Gesichter erhalten, aber ein akzeptables Foto ist auch so nicht entstanden. (Bild: W.D.Roth)

Zunächst einmal kann die Kamera nicht wissen, was vor ihr steht. Eine weiße Katze ist nun einmal heller als eine schwarze Katze – und genauso muss sie auch aufs Bild. Der Belichtungsmesser wird aber schlichtweg denken, dass die weiße Katze zu viel Licht abbekommen hat und deshalb die Belichtung herunterregeln – bei der schwarzen Katze wird er genau umgekehrt reagieren. Am Schluss sind also alle Katzen grau – und das schon mitten am Tage, nicht erst bei Nacht.

Tatsächlich sind Belichtungsmesser in Kameras auf Objekte mit 18% Reflektionsfähigkeit geeicht, wer also eine graue Katze mit 18% Reflektionsfähigkeit fotografiert, wird ein korrektes Foto erhalten. Doch was, wenn sich die zu fotografierende Katze nicht an diese Norm hält?

Weißer Kater – schwarzer Kater

Na gut, mag man da denken, das ist ja nicht so schlimm, dann kann man ja später in der Bildbearbeitung die Katze noch etwas heller einstellen. Das klappt aber nur, wenn die Katze wirklich das einzige Objekt auf der Aufnahme ist. Üblicherweise sitzt sie aber in einem andersartigen Hintergrund – beispielsweise eine weiße Katze auf einer schwarzen Asphaltstraße. In diesem Fall kann es dazu führen, dass die Kamera einen Mittelwert einstellt und die Katze schön weiß sowie die Straße schön schwarz ist. Das ist der Idealfall.

Es kann allerdings auch dazu führen, dass die schwarze Straße grau wird und die kleine weiße Katze darauf zu einem überbelichteten Fleck.
Man muss also zweierlei Dinge beachten. Zunächst: Was ist das wichtigste Element im Bild? Die Zeichnung im Fell der Katze oder die Strukturierung des Asphalts? Meist befindet sich das wichtigste Element einer Fotografie in Bildmitte, weshalb Belichtungsmesser üblicherweise die Bildmitte entweder gezielt aufs Korn nehmen (Spotmessung) oder aber zumindest stärker gewichten als den Bildrand (mittenbetonte Integralmessung).

Es gibt aber auch Einstellungen, die über das gesamte Bild mitteln und dann versuchen, zu entscheiden, welche Elemente wichtig sind und welche nicht. Das kann dann dazu führen, dass die Kamera einen Kompromiss eingeht, mit dem am Schluss niemand gedient ist, wie im Falle der Aufnahme der beiden Kollegen: das helle Fenster im Hintergrund ist überbelichtet, die Personen im Vordergrund sind unterbelichtet, zu erkennen ist überhaupt nichts.

Dabei ist die Kamera in diesem Bild auf einen weiteren Punkt hereingefallen: in Bildmitte befindet sich dummerweise auch noch nicht die eigentlich als Motiv gewünschten Personen, sondern eins der Fenster aus dem Hintergrund. Die Belichtungsautomatik hatte somit keine Chance, es richtig zu machen.

Was im Bild ist wichtig?

Die andere Frage ist: Wie ist das als wichtig definierte Elemente nun richtig belichtet? Eine weiße Katze muss nun einmal heller erscheinen als eine schwarze, eine gleich machende Belichtungsregelung ist hier von wenig Nutzen. Die Olympus E-510 kennt deshalb bei der Belichtungsmessung fünf Grundeinstellungen. Es beginnt mit ESP, der vergleichenden Messung über das gesamte Bild mit einer Matrix von 7 x 7 = 49 Messpunkten.

Als nächstes die bereits erwähnte mittengewichtete Integralmessung, dann eine Spotmessung mit Standardeinstellung (18% Reflektionsgrad), mit der man auf eine normgraue Katze zielen könnte, um diese richtig zu belichten, eine Spotmessung mit hellerer Belichtung, falls man mit dem Spot auf eine weiße Katze zielt, und eine mit dunklerer Belichtung, falls man auf eine schwarze Katze zielt.

Das klingt nun zwar ziemlich einfach, doch wird man in der Praxis kaum daran denken, welche Belichtungsmessung für die aktuelle Szene wohl die richtige ist. Viele schwören auf die Spotmessung, weil deren Funktionsweise zumindest klar verständlich ist: das, was in Bildmitte ist, ist Grundlage der Belichtungsmessung. Dafür ist dann aber eben alles andere im Bild nicht Grundlage der Belichtungsmessung.

Ein Fotograf mit Erfahrung wird daher eher die Belichtung zusätzlich korrigieren und beispielsweise bei einer Gegenlichtsaufnahme wie in unserem Beispiel Kamera sagen, dass sie etwas stärker belichten soll, oder gleich auf manuelle Einstellung umschalten, was in extremen Fällen, wie bei Nachtaufnahmen auch heute noch sinnvoll ist, weil eine Automatik mit einer derartig ungewöhnlichen Szene einfach überfordert ist.

Wenn der Löwe hungrig ist…

Dies ist dann auch Ursache für die Motivprogramme: Sie versuchen die Besonderheiten von Motiven wie Nachtaufnahme oder Schneelandschaft pauschal zu korrigieren, ohne den Kamerabesitzer mit den Grundlagen der Belichtungsmessung zu belästigen. Doch was ist dann wohl das richtige Motivprogramm zur Aufnahme von Löwen auf Safari-Tour? Landschaft? Sport? Spielende Kinder? Schnee und Sand? Portrait oder gar Nahaufnahme?

Nein, das letzte bitte nicht, Löwen fressen Touristen nämlich auch mit gezückter Spiegelreflexkamera, erst recht, wenn diese das neueste Modell ist. Doch selbst, wenn Sie nicht gefressen werden, wartet der Löwe nicht, bis Sie mit Ihrer Raterei fertig sind oder alle Motivprogramme durch haben und schon wird aus Ihrem Foto „Löwe vor Oase“ nur noch „Oase mit Löwenspuren“.

Dies ist eine Leseprobe aus dem soeben im Franzis-Verlag erschienenen Buch „Olympus E-510“ von fokussiert.com -Autor Wolf-Dieter Roth, das neben Tipps speziell zur E-510 von Olympus auch etliche allgemeine Informationen und Anleitungen zur Digitalfotografie enthält.

3 Kommentare

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] die Beere selbst in einigen kleinen Stellen ausgebrannt, sprich überbelichtet: Und das, obwohl du mittenbetonte Belichtungsmessung und nicht etwa die Matrix benutzt hast. Ich kann mir das damit erklären, dass Du nicht ganz sauber auf die Beere gemessen […]

  2. […] von der automatischen Belichtung der Kamera abzuweichen, wurden ja bereits früher genannt. Nun ist die weiße oder schwarze Katze allerdings kein besonderer künstlerischer Aspekt, die […]

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