Berglandschaft im Winter: Mehr oder weniger Vordergrund
Die Herausforderung von Landschaftsaufnahmen besteht in der Simulation von Raum im zweidimensionalen Bild: Das gelingt hier gut. Stolperstein ist häufig der Vordergrund.

Berner Oberland NIKON D800, 1/80s bei Blende 13/1 mit 24mm Brennweite und ISO 80. – © Guy Goetzinger
Guy Goetzinger aus Dättwil in der Schweiz schreibt zu diesem Bild: Aufnahmeort: Lauenen Berner Oberland (CH)
Ein beeindruckendes Gebirge im Hintergrund dieser Landschaftsfotografie dominiert die Aufnahme, deren Mittelgrund eine winterlichen, schneebedeckte Hochebene belegt. Im Vordergrund spiegelt ein Gewässer den einen Gipfel des Gebirges, wobei in nächster Nähe des Betrachters der Grund des Gewässers sichtbar ist. Ausserdem wird die vordere rechte Ecke des Bildes von einem Stück Ufer geschnitten.
Eine stimmungsvolle Winter-Landschaftsfotografie aus dem Berner Oberland, die von den beiden Gipfeln in der mittelbaren Ferne dominiert wird: Die leicht bewaldeten Wiesen, die in sanftem Anstieg hinter einer schneebedeckten Ebene in die Steilhänge der Gipfel übergehen (die ich für das Wildhorn halte und mich gerne belehren lasse), schaffen ein wesentliches Element der Landschaftsfotografie: Sie machen aus der zweidimensionalen Ansicht einen Raum.
Der flache Lichteinfall von rechts lässt zusätzlich die Luft in der Ferne wie einen Schleier wirken. Dieser Filter hebt die verschiedenen Tiefen der Aufnahme noch stärker voneinander ab.
Die Tonwertverteilung ist ausgewogen und der Kontrast besser, als man das für eine nachmittägliche Winter-Fotografie erwarten könnte. Du hast mit 1/80 Sekunde und Blende 13 gearbeitet, und das bei reduzierter Empfindlichkeit von nur 80 ISO. Damit holst Du das Maximum an Bildinformation aus der Nikon D800 Vollformat-Kamera heraus – und das wirkt.
Die Komposition der Aufnahme ist ebenfalls ausgewogen, indem die Horizontlinie der Hochebene im oberen Bilddrittel verläuft und der Gipfel des dominierenden Bergmassivs im rechten Drittel. Die Doppelung des Gipfels durch die Spiegelung im Wasser setzt einen starken Akzent.
So weit stimmt an dieser Aufnahme alles: Sie ist technisch gut umgesetzt, entsprechend der Drittelsregeln komponiert und sie schafft eine starke räumliche Schichtung.
Das einzige, was mich stört, ist die Ecke vorne rechts: Diese «ins Bild ragende» Uferlinie ist nicht interessant genug, um innerhalb der Komposition einen echten Vordergrund zu bilden. Sie ist aber umgekehrt zu stark, als dass sie im Sinne einer «gegenständlichen Vignettierung» nur einen Rahmen setzen würde.
Kurz gesagt: Sie lenkt die Blickführung durch die Ebene der Weite enorm ab. Weshalb also nicht darauf verzichten?
Vielleicht, weil ein beherzter Bildschnitt von unten sofort das Drittelsverhältnis der Raumtiefe beeinträchtigen würde. Sprich: Die Horizontlinie wanderte in die Bildmitte. Das ist zwar grade bei Spiegelungen im Wasser durchaus ein gehbarer Weg. Hier würde es aber tatsächlich die Spannung der Aufnahme reduzieren.
Vor allem aber würde mit einem solchen Schnitt die reizvolle Wechselwirkung von Spiegelung auf der Wasseroberfläche um Durchblick durch das glasklare Wasser im Vordergrund verloren gehen. Denn dieser Blick auf den Grund des kleinen Gewässers bildet den Vordergrund, den eine Landschaftsaufnahme haben muss.

Ein Beschnitt unter Beibehaltung des Ursprungsformats ist so grade noch denkbar. Damit endet ein Vollformat-Bild aber als DX-Crop, was schade ist. Die Details im Wasser unten müssten weggeklont werden.
Was also wäre machbar gewesen? Der Idealfall wäre eine Verschiebung des Standorts seitwärts gewesen, so dass einerseits die Biegung des gegenüberliegenden Ufers noch immer diese angenehme Steigung nach rechts ins Spiel bringt, zugleich aber das Ufer vorne entweder markanter (und vielleicht mit einem Interessanten Objekt, einem Stein, einem Stück Schwemmholz etc) ins Blick rückt oder ganz daraus verschwindet.
Meine Erfahrung an solchen Standorten ist just die, dass in der Suche nach der genau richtigen Perspektive die grösste Schwierigkeit liegt. Im Vordergrund liegt die Würze der Landschaftsfotografie, und es muss keineswegs eine Kitschkomponente sein, die den Blick am unteren Bildrand auffängt – aber es wirkt, wenn da etwas ist. Und genau zu dem Zweck hilft es übrigens, die hyperfokale Distanz zu kennen – was für Dich offensichtlich kein Problem ist.
Ich habe versuchshalber den Uferrand vorne rechts weggeklont, was ich allerdings nicht als gangbaren Weg für ein enrstgemeintes Bild verstanden wissen möchte.
Alles in allem: Eine in vielen Punkten sehr gelungene Landschaftsaufnahme, die an einem wesentlichen Punkt zum Zeitpunkt der Aufnahme noch besser hätte komponiert werden können.
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