Bergreflexion: Eine Spiegelung ist noch kein Bild

Wasserflächen verlocken zu Spiegel-Bildern. Deren Wirkung ist beinahe garantiert, selbst wenn das eigentliche Motiv nichts besonderes ist. Ein Grund, genau darauf zu achten.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Marcus Jenal).Kommentar des Fotografen:

Das Bild entstand auf einer herbstlichen Wanderung im Pizolgebiet (Kanton St. Gallen, Schweiz). Das Wetter war wunderbar und es hatte eben ein bisschen Schnee hingeworfen. Ich habe den Polfilter so eingestellt, dass die Reflexion des Berges im See sichtbar ist. Ein schwacher Wind hat den See ein bisschen aufgewühlt, so dass der Spiegel nicht ganz glatt war. Das gibt dem Bild meiner Meinung nach etwas lebendiges.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Marcus Jenal:

Spiegelbilder: Zwei Bilder in einem. Das zieht jedes Auge magisch an, und noch besser sind die beiden Bilder, wenn sie nicht völlig identisch sind: Das ist hier der Fall, wo Dir ein bisschen Wind zuspielte und für die leichte „Unschärfe“ in der Oberfläche sorgte.

In der Tat sorgt das in der Spiegelung für einen spektakulären Effekt, der die Ebenen der Schichtung im Berg zu einer Schlangenlinie werden lässt, die das Auge in seinen Bann zieht.

Interessant ist dabei auch, dass der Windschatten vor dem kleinen Ausläufer im Vordergrund dort für eine beinahe ungetrübte Spiegelung sorgt, was uns weiter nach der effektiven Wasseroberfläche suchen lässt. attraktiv ist auch das tiefe Blau mit dem weichen Verlauf gegen rechts.

Was mich hingegen stört, ist der Mangel eines eigentlichen, in sich stimmigen Motivs. Die Komposition scheint, abgesehen von der Spiegelung und der Platzierung des sonnenbeschienen Ausläufers, sehr zufällig. Das Hauptmassiv scheint links abgeschnitten, die kleinen Bergspitzen am rechten Bildrand scheinen zufällig in den Ausschnitt geraten wie Passanten, die einem ins Bild gelaufen sind.

Vielleicht gibt es ja zwingende Gründe für diese Komposition, aber die erschliessen sich leider dem Betrachter nicht. was ihn interessiert ist in erster Linie die Spiegelung. Der Berg selber und seine Kumpane sind nicht besonders spannend, der glatte Verlauf auf der rechten Bildseite reicht nicht, um ein Gegengewicht zur linken zu setzen.

Schliesslich sind im Vordergrund unten links Reste des Ufers auf Deiner Seite des Seeleins zu sehen, die ebenfalls wie ein Zufall wirken.

All das degradiert das Bild zum Schnappschuss: Ich habe eine Spiegelung gesehen, und ich habe sie fotografiert. Das reicht leider nicht für ein spannendes Bild.

Ich bin ziemlich sicher, mit einigen Wechseln der Perspektive und ein bisschen probieren hätte sich mehr machen lassen. Das Problem hier scheint mir, dass Du zu sehr reduziert hast auf die Spiegelung. Wir hören und sagen zwar auch die ganze Zeit, dass ein Bild auf seine absolute Essenz reduziert werden soll. Das darf aber nicht auf Kosten der ebenfalls noch sichtbaren Teile der Umgebung gehen – sonst fallen die dem Motiv sozusagen in den Rücken.

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