Bergsee am Abend: Die Qual der Wahl des Ausschnitts

Gerade bei Landschaftsfotografie ist die Komposition enorm wichtig – erst sie rückt das Motiv ins rechte Licht. Insbesondere der Ausschnitt kann das Foto zum Erfolg oder Scheitern führen.

SONY SLT-A58 - f/10 - 1/20 s - 18mm - ISO 100 - (c) Markus Haltmayr

SONY SLT-A58 – f/10 – 1/20 s – 18mm – ISO 100 – (c) Markus Haltmayr

Markus Haltmayr hat uns die Aufnahme des Schrecksees bei Hinterstein im Allgäu eingereicht. Er schreibt dazu:

„Nach einer sechsstündigen Tour kam ich gerade zur richtigen Zeit an um das Bild aufzunehmen. Es fiel mir schwer mich für einen Ausschnitt zu entscheiden. Daher meine Frage: Was hätte ich besser machen können?“

Die immer wieder aufgeführten Tipps zur erfolgreichen Landschaftsfotografie betonen unter anderem, daß ein Vordergrund das Bild verankert, ihm Perspektive verleiht und so weiter und so weiter. Also versuchen wir automatisch, bei jedem Landschaftsbild einen Vordergrund einzubauen. Das funktioniert leider nicht immer, und wenn man sich bei der Aufnahme wie Du nicht sicher war, hat das einen Grund. Instinkt stimmt häufig.

Du bist nach sechs Stunden an diesem See angekommen. Es war die beste Zeit für eine Landschaftsaufnahme. Deine [amazon B00BHXVWVU]Sony[/amazon] ist eine solide 20 MP Kamera; bei 1/20 Sekunden Verschlußzeit hattest Du entweder ein Stativ dabei oder eine extrem ruhige Hand. Durch die mittlere Blende wurde die Sonne nicht als Lichtklecks, sondern als sternförmige Lichtquelle dargestellt. Das Licht ist weich und rotgolden – soweit, so gut.

Deine Frage galt der Qual der Wahl des Ausschnitts in diesem Fall, und dem will ich mich darum etwas ausführlicher widmen. Wie oben erwähnt, wird man bei Landschaftsaufnahmen gerne ermahnt, einen Vordergrund mit einzubeziehen. Es ist einer dieser Tipps, die mittlerweile praktisch als Regel verankert sind. Also fühlt man sich mehr oder weniger gezwungen, dem stattzugeben – doch auch dieses ist eine dieser Regeln, die man zu brechen wissen sollte, denn wie hier noch aufzuzeigen ist, stimmt sie nicht immer.

Ich kann mir vorstellen, wie Du da standest, nach sechs Stunden Laufen und in dem Bewußtsein, daß die Lichtverhältnisse innerhalb der nächsten Viertelstunden spätestens verloren gewesen wären. Zu der kleinen Bergütte im Hintergrund, oder zumindest näher zu ihr hin, ging also nicht. Dafür hättest Du anders planen müssen, und Landschaftsfotografen verbringen häufig mehr Zeit mit Logistik und Warten, als mit dem eigentlichen Shooting.

Wenn man sich die Komposition ansieht, stellt man fest, daß Du die Sonne praktisch genau in den Goldenen Schnitt (rosa) bzw. die Drittelregel (grün) einbezogen hast. Der natürliche Horizont (gelb) liegt fast in der Bildmitte (hellblau):

Vergleichsfoto

Vergleichsfoto

Was mir sofort auffiel, war das viele Gras vorne, das nicht genug visuelles Interesse ins Foto bringt, obwohl es fast ein Viertel der Aufnahme einnimmt (Gras blau überlagert, zum Vergleich die Drittelregel in grün). Dafür hast Du links den See abgeschnitten (roter Pfeil):

Vergleichsfoto

Vergleichsfoto

Bereits mit der Überlagerung sieht man, daß das Bild ohne den Vordergrund gewonnen hätte. Also habe ich mit zwei verschiedenen Ausschnitten experimentiert. Variante 1 läßt etwas vom Gras im Foto, Variante 2 nimmt den Vordergrund vollständig heraus. Beide haben gemeinsam, daß es sich um ein Panoramaformat von 16:9 handelt:

Beschnittvariante 1

Beschnittvariante 1

Beschnittvariante 2

Beschnittvariante 2

Man kann natürlich noch weiter damit spielen, etwa den Ausschnitt mehr nach links ziehen etc. Ich persönlich fand Beschnittvariante 2 am besten, und beschnitten sähe das Foto dann so aus:

Vergleichsfoto

Vergleichsfoto

Jetzt hat auch die kleine Berghütte mehr visuelles Gewicht, das Bild ist interessanter geworden, und der See wirkt nicht mehr willkürlich beschnitten. Allerdings hätte ich den Ausschnitt bereits bei der Aufnahme anders gewählt – es ist nie ideal, auch nicht bei 20 MP, von einem Foto so viel wegnehmen zu müssen.

2 Kommentare
  1. Tilman
    Tilman sagte:

    Hallo,
    tja, für mich wirkt der von Sofie vorgeschlagene Beschnitt nicht stimmiger :-). Hier ist einfach jetzt der Himmel zu bedeutend…
    Zunächst, die Wanderung war wirklich anstrengend… das Bild scheint mir nach links gekippt zu sein (1.8°)… lol. Mich stört auch nicht so sehr die Wiese vorne, im Gegenteil, die gibt der Landschaft seinen Charakter, zeigt diesen Kontrast zwischen rauen Felsen und sanften Weideflächen… mich stört eher die rechte Seite, die eigentlich ziemlich langweilig ist.
    Toll finde ich die Stimmung und die Farben im Bild. Ein wirklich schönes Bild, Markus!
    Als Anhang mein Vorschlag.
    MfG, Tilman

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  2. Peter g.
    Peter g. sagte:

    Hallo,
    nach geraumer Zeit des Mitlesens möchte ich heute eine kurze Antwort schreiben. Ich fotografiere schon recht lange, aber bei Landschaftsaufnahmen ist die Wahl des richtigen Bildausschnitts mein Hauptproblem. Deshalb hatte ich bei dieser Bildbesprechung gleich zwei Aha-Effekte: Der fehlende See links ist mir auch als nicht ganz optimal aufgefallen, aber den Vordergrund hätte ich nie infrage gestellt. Wahrscheinlich, weil sich auch bei mir dieser „Tipp“ inzwischen zur Regel verfestigt hat. Das Bild wirkt in der beschnittenen Version 2 für mich viel stimmiger. Deshalb vielen Dank für diese Anregung. Als i-Tüpfelchen: Die Berghütte habe ich im Originalbild gar nicht wahrgenommen, erst in V2 spielt sie eine relevante Rolle.
    Dank und Gruß, Peter

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