Bildbesprechung „kopflos“: Verhältnisse beeinflussen

In der Fotografie lassen sich Grössenverhältnisse von Motiv und Hintergrund auf verschiedene Art beeinflussen. Auf den Standpunkt kommt es an.

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Wiebke-Susanne Homann schreibt zu diesem Bild: Die Universität Bielefeld ist nicht nur mein Arbeitsplatz, sondern fasziniert mich auch fotografisch – obwohl oder weil sie auch wahnsinnig hässlich ist, so versuche ich doch immer wieder, interessante Fotomotive zu entdecken.

Der große Kopf ist der Rest eines Projektes der Bielefelder Kunst-Studenten, der seit Jahren immer noch im Gras vor der Uni liegt. Ich habe versucht, das Bild absichtlich schräg aufzunehmen, um den kopflosen Effekt zu unterstreichen.

Zunächst die Exif-Daten: Wiebke-Susanne hat das Foto mit einer [amazon  B00BB3DP1G]Kompaktkamera Panasonic DMC-FT5[/amazon]  mit einer  Brennweite von 4,9mm bei Blende 10, Belichtungszeit von 1/125s und ISO 100 aufgenommen. Die Brennweite 4,9mm entspricht mit einem diagonalen Bildwinkel von 75Grad einer Brennweite von 28mm im Kleinbildformat.

Die Exif-Daten sind für eine Aufnahme tagsüber im Freien nicht ungewöhnlich. Die Perspektive weicht durch den großen Bildwinkel des Weitwinkelobjektivs deutlich vom menschlichen Blickwinkel ab.

Im Vordergrund liegt ein Kopf aus Beton oder einem ähnlichen grauen Werkstoff im Gras. Den Hintergrund bildet die ebenfalls in Grautönen gehaltene Fassade eines modernen Institutsgebäudes, über dem am oberen rechten Rand noch ein kleines Stück dunkelgrauer Himmel zu sehen ist.
Obwohl der Kopf und das Gebäude beide ein graue Farbe haben, sind die Grautöne doch so verschieden, dass sich das Motiv gut vom Hintergrund abhebt.

Wiebke-Susannes Bildidee gefällt mir sehr gut. Beim Betrachten des Fotos fallen mir allerdings sofort einige Dinge auf, die ich bei der Umsetzung anders gemacht hätte. Die Kamera zeigt leider auch die Details, welche der Fotografin beim Blick durch den Sucher vermutlich entgangen sind.

Für mich ist die erste Schwachstelle im Bild der Maulwurfshaufen in der linken unteren Ecke. Der Laternenpfahl auf der linken Seite des Bildes lenkt sehr vom Motiv ab. Die direkt aus dem Ohr des Kopfes herauskommende Treppe wirkt auf mich eher ungeschickt.

Die Bildkontrolle an einem Display im hellen Tageslicht ist keine einfache Aufgabe, da kann sich recht einfach ein Maulwurfshaufen unbemerkt ins Bild „hineinschleichen“. Hier lohnt auf alle Fälle ein zweiter Blick zur Kontrolle.

Kopflos-Foto Problemzonen

Ein Punkt, den ich ebenfalls anders lösen möchte, ist das Verhältnis vom Kopf als Hauptmotiv zum Gebäude als Hintergrund. Das Besondere an diesem Bild ist der liegende Kopf in einer ungewöhnlichen Umgebung. Für meinen Geschmack ist der Kopf deswegen im Bild etwas zu klein geraten.

Der große Bildwinkel und die niedrige Naheinstellgrenze eines Weitwinkelobjektivs erlauben es, sehr nahe an ein Motiv heranzugehen, und dabei dennoch die Umgebung mit im Bild zu haben. Durch den Abstand zum Motiv kann das Größenverhältnis zwischen Vorder- und Hintergrund von der Fotografin in einem sehr weiten Bereich beeinflusst werden.

Den Abstand der Kamera zum Kopf hat Wiebke-Susanne mit ungefähr 4 Maulwurfshaufen gewählt, ich nehme jetzt mal der Einfachheit wegen an, das entspräche insgesamt 1,5 m. Hätte Sie den Abstand zum Kopf auf 1m verkürzt, dann wäre der Kopf sehr viel größer abgebildet, weil sich der Abstand deutlich ändert.

Dadurch ist sie zugleich auch 50cm näher am Institutsgebäude. Weil das aber sehr viel weiter weg ist, verändert der halbe Meter dessen Abbildung nur geringfügig.

Um zu verdeutlichen, was ein wenig Herangehen an den Kopf und ein kleiner Schwenk nach rechts bewirken könnten, habe ich das Bild mit Gimp bearbeitet. Zunächst habe ich in einer zweiten Ebene den Kopf freigestellt, vergrößert und über dem kleinen Kopf des Originals platziert. Das originale Bild habe ich links und unten etwas beschnitten und die Reste von Maulwurfshaufen sowie Laternenpfahl grob weggestempelt. Die wären bei einem Meter Abstand zum Kopf und einem kleinen Schwenk der Kamera nach rechts ebenfalls nicht mehr im Bild. Das Ergebnis sieht dann so aus:

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Durch eine einfache Veränderung des Aufnahmestandpunkts lassen sich die störenden Elemente aus dem Bild heraushalten, und gleichzeitig nimmt das Motiv im Bild mehr Raum ein und gewinnt dadurch für den Betrachter an Bedeutung.

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