„ColorFoto“ im Test: Fachkundige Auswahlsendung

„ColorFoto“ ist ein klassisches Publikums-Fachmagazin. Sachkundige Tests und aktuelle News versuchen, alle Fotointeressierten unter einen Hut zu kriegen. Das geht kaum mehr.

ColorFoto 12/2008

Foto-Magazine im TestWir testen und bewerten in lockerer Folge Zeitschriften zum Thema Fotografie aus aller Welt - mit Punkttabelle und Fazit.

Motorrad war für mich als Teenager, was anderen Pop Rocky war – das regelmässige Ticket zum Träumen: Bevor ich selber einen „Töff“ besass, verschlang ich gierig Testberichte und Nachrichten über neue Modelle. Sobald ich meine erste Maschine hatte, verschob sich aber das Interesse: Ich las den Tourenfahrer: Das Magazin drehte sich weniger um Motorräder als um alles, was man damit machen kann.

Ähnlich verhält es sich mit ColorFoto. Dieses professionell aufgemachte Magazin informiert hart an der Aktualität mit Tests, Kurztests, Analysen und Berichten über die neusten Kameramodelle und Zubehör.

Schon die Aufmachung der Titelseite lässt daran wenig Zweifel – Blickfang ist keine tolle Fotografie, sondern eine tolle Kamera. Von acht Anreissern auf der Front verweisen sechs auf Testberichte.

Da kommen denn auch gleich die Widersprüche solcher Magazine ans Tageslicht:

Zum 28 seitigen Kompakt-Kamera-Test gesellt sich ein 8seitiger Test von Standard-Objektiven für SLR. Hier werden völlig verschiedene Lesersegmente adressiert.

Inhalt

Das geht auf Seite drei mit einem Fakten-Bericht über die kurz vor Redaktionsschluss vorgestellte neue Olympus E30 los, der – verständlicherweise – nicht viel mehr als die technischen Daten der Kamera auflistet, wo man sich vielleicht eine analytische Einschätzung über das Zielpublikum und den Einsatzzweck gewünscht hätte. Dass die Redaktion von ColorFoto dazu im Stande ist, beweist sie mit Kurzfazits des Autoren zum Abschluss fast jeden Testberichts.

Nach einem doppelseitigen Inhaltsverzeichnis folgen 10 Seiten mit Nachrichten über Neuheiten und praktischen Kurztests, die glaubhaft machen, dass hier jemand schreibt, der den beschriebenen Gegenstand wirklich selber ausprobiert hat.

Die Stärke von ColorFoto: Gut aufgemachte, lesbare Tests mit Details.

Als nächstes kommt schon der erste grosse Test, jener der Canon EOS 50D, und der wird sogleich mit selber produzierten Detailbildern der im Artikel beschriebenen Kameraeigenschaften illustriert: Weniger Hochglanz, mehr Glaubwürdigkeit. Die Sorgfalt der Produktion ist oberflächlich an den aussagekräftigen Bildlegenden zu erkennen, der Testbericht insgesamt recht sachlich, um nicht zu sagen trocken. Die technischen Daten, anderswo ein beliebtes Mittel, um Kurzartikel zu Aufhängern aufzublasen, sind hier in einer gut gegliederten Tabelle in Kleindruck am Testende zu finden.

Das gleiche Muster inklusive persönlichem Fazit des (gleichen) Autors findet sich wieder beim zweiten Test, dem der spiegellosen Panasonic Lumix G1.

Gut erklärte Tests

Danach folgt ein mit dem obligaten „Mega-“ garnierter Test von vierzig (40) Kompaktkameras, aufgeteilt in vier Kategorien. Die scheinen mir mit „Preiswert / Edelminis / Weitwinkel / Superzoom“ sinnvoll ausgewählt.

Und obwohl mich als SLR-Fotograf diese 28 Seiten oder rund ein Viertel dieser Nummer von ColorFoto praktisch überhaupt nicht interessieren, komme nach Durchsicht zum Schluss, dass das weit mehr ist als eine „Marktübersicht“. Kurze Texte zu jedem Modell geben eine klare Einschätzung seiner Vor- und Nachteile. Das hilft, vor allem, wenn von zehn „Edelmninis“ (Canon G9, Nikon P6000 etc) ganze vier den „Kauftipp“ der Redaktion kriegen. Eine ausführliche und in dieser Art von Magazinen so beliebte Vergleichstabelle lässt jeden Aspekt über alle zehn Modelle vergleichen.

ColorFoto erklärt die testweise sehr ausführlich, aber auch verständlich.

Vorbildlich ist die auf den Test folgende Doppelseite „So testen wir…“, die in Kleinschrift in wahrscheinlich mehr Buchstaben als der Haupttext des Tests das Verfahren beschreibt – und zwar so, dass auch Laien einigermassen kapieren, was hier im Labor gemessen wird und warum, und mit einer Erklärung, die die jeder Kamera beigestellten Diagramme zu lesen sind.

Genau gleich verhält es sich mit dem zweiten Grosstest, jenem von 25 Objektiven mit Festbrennweite. Nach acht Seiten folgt auch hier ein ausführlicher Text über die Testweise.

Weiter finden sich in der getesteten Ausgabe von ColorFoto ein umfangreicher Test von deutschen Anbietern von Leinwand-prints, fünf TV-geräten spezifisch für Fotoansicht und ein erster Blick auf Photoshop CS4.

Banales zur Fotopraxis

Die Rubrik „Wissen“ bietet einen kurzen Blick auf die Rechtslage beim Fotografieren von Personen. Die Rubrik „Fotopraxis“ enthält einen „Motivworkshop“, der auf Kleinigkeiten am Wegesrand aufmerksam macht und eher Basistipps zu ihrer Entdeckung und ihrem Ablichten gibt.

Noch banaler ist die Rubrik „Aufgabe und Lösung“ zum Thema „dramatische Bergansichten“. Ich bin weiss Gott kein Experte, aber mir würden mehr und sehr viel weniger offensichtliche Hinweise als die allen ernstes in der „Checkliste“ aufgeführten vier Punkte einfallen: „Teleobjektiv, Stativ verwenden / ISO-Empfindlichkeit hochschrauben / Achtung: Lange Belichtungszeiten verwischen ziehende Wolken / Batterien am wärmenden Körper tragen“.

Ansonsten versteht man unter „Fotopraxis“ bei ColorFoto noch mehr Technik: Eine Anleitung zum erstellen stufenlos zoombarer Bilder fürs Internet, die Spiegelung von Motiven in PhotoShop und die Einstellung der Bildgrösse in Photoshop für verschiedene Zwecke.

Und die Kunst?

ColorFoto bringt zwei Seiten zum Wettbewerb für JugendfotografieFotografie als Kunst wird in ColorFoto nur ganz am Rande berührt: Mit einem kleinen Bericht über den Deutschen Jugendfoto-Wettbewerb, und mit einer Werbestrecke für das eigene, neue Webportal, wo Fotografen Bilder einreichen, Preise gewinnen und die Arbeiten anderer bewerten können.

Die Aufmachung des ganzen Hefts ist professionell und legt Wert auf Details, die den Anspruch unterstreichen. So sind die Einstiegsseiten zu den Kategorien der Kompaktkamera-Tests alle mit künstlerischen Fotos zum Thema illustriert.

Fazit

An der Qualität der Inhalte und der Aufmachung von ColorFoto ist bis auf Einzelfälle nichts zu bemängeln. Das Magazin versteht es, einen Bogen zu schlagen von fachlicher Kompetenz zur Verständlichkeit.

Sein Problem liegt anderswo: Es kann sich nicht für ein Publikum entscheiden. Ausser den staunenden Einsteiger, der alles zum Thema Fotografie verschlingt, sich aber noch weder eine Kompakte noch eine Profi-Software leisten kann, vermag wohl mehr als die Hälfte des Hefts den aktiven Fotografen nicht zu interessieren.

ColorFoto versucht, zu viele grundverschiedene Aspekte und zu viele Stufen der Fotografie unter einen Hut zu kriegen. Das gilt auch für Tutorials wie „Auflösung und Druckgrösse“: Solche allgemeinen Fachartikel gibts im Netz zu Hauf – kostenlos.

Das „Alles drin“ Konzept ist nicht mehr zeitgemäss. Eine klare Abgrenzung nach Zielpublikum wäre nötig. Wenn ich aber wegen 20 Seiten Testberichten 100 Seiten kaufen muss, die mich nicht interessieren, entscheide ich mich für ein anderes Heft. (Zumal bei dem in der Schweiz geradezu unverschämten Preis.)

Die Website des Magazins ist mit „Colorfoto“ in Google kaum zu finden, und dass man das Kapital der Zeitschrift – die Testberichte – online in einzelteilen zu verkaufen versucht und den Aufbau einer Wettbewerbs-Community nur mit einem Partner hinkriegt, spricht ebenfalls Bände.

ColorFoto erscheint monatlich und kostet 5.50 Euro / 11.60 CHF. Die getestete Ausgabe 12/2008 hatte einen Umfang von 124 Seiten.

[amazon B00006LXEV]ColorFoto, Vereinigte Motor-Verl. 60 Euro für 12 Ausgaben im Abo.[/amazon]

„ColorFoto“ im Test
Verständlichkeit ******
Tiefgang ******
Nutzernähe ******
Aufmachung ******
Aktualität ******
Zusatznutzen (online) ******
Originalität ******
Präsentation ******
Sehschulung ******
Gesamtbewertung 36/54

[postlist „Fachmagazin-Test“]

[hide] Bild

[/hide]

2 Kommentare
  1. Marc
    Marc sagte:

    Ja, mir war auch aufgefallen, dass ich mit den Fotozeitschriften und ihren zig Tests nichts anfangen kann. Ich habe mein Zeug und damit muss ich erstmal auskommen. Weswegen ich eher Praxistipps brauche.

    Um preiswert interessante Bilder oder Bildideen zu sehen, kaufe ich ab und an den „Stern“-Spinoff „View – die besten Bilder des Monats“.

    Antworten
  2. martin
    martin sagte:

    na dann freue ich mich immer noch auf’s erste gute magazin, das ihr hier vorstellt.. kann ja nicht sein, dass es nur zeitschriften mit tests gibt und ohne grossen fotografische ansprüche!

    Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert