Das digitale Foto: Dokument, kein Dokument, doch Dokument?

Es ist ein Dokument, es ist kein Dokument, es ist ein Dokument… Das Fotomuseum Winterthur beschäftigt sich mit der Frage nach dem Zustand des digitalen Fotos, seinem „Status“ in der multimedialen Welt.

Elmgreen & Dragset: Untitled (Prada Marfa), 2007

Der Prada-Shop in der Wüste ist nachgebaut, Gerard Depardieu produziert sich für den Fotografen. Was ist echt, was ist inszeniert? Kann ein „falsches“ Bild eine „echte“ Wirklichkeit zeigen? Oder umgekehrt?

Die Winterthurer Ausstellung „Status – 24 Dokumente von heute“ fragt nach dem aktuellen Status, dem Stand und Wert des fotografischen Dokuments und des Dokumentarischen – wenige Jahre nach dem (jedenfalls mehrheitlichen) Wechsel vom chemischen zum elektronischen Prozess.
Willem Popelier: Detail aus: Showroom Girls, 2011

Im Feld der Fotografie mache sich also eine treibende Ungewissheit breit, so teilt das Fotomuseum mit. Die schnelle Verbreitung und Verfügbarkeit von Bildern und Videos in den Printmedien, im Internet, auf sozialen Plattformen wie Facebook, Google, Twitter oder Flickr, haben zu neuen Formen der Kommunikation mit dokumentarischen Bildern geführt. Oft kennen wir die Autoren der Bilder nicht, wissen nichts mehr von den Wegen, die ein Bild hinter sich gelassen hat, bis wir es sehen. Wie können diese fotografischen Dokumente verstanden werden, wie funktioniert das Schema des Sehens, Verstehens, Verwerfens oder Speicherns im heutigen multimedialen Umfeld?

Jonas Unger: Gérard Depardieu, 2010Mit den 24 beispielhaften „Dokumenten“ werden diese Fragen in der Ausstellung untersucht. Das Hin- und Herspringen zwischen Themen und medialen Formen, zwischen offiziellen Pressebildern (Vladimir Putin beim Angeln) oder tiefgehenden Untersuchungen des Familienbildes, zwischen Netzbildern, Videoclips oder fast wissenschaftlichen Untersuchungen.

Während Trevor Paglen mit Akribie verdeckt operierende US-Satelliten am Nachthimmel nachweist, retten Sammy Baloji, Jérôme Leuba und Lara Almarcegui abseitige Orte und Biografien vor dem Vergessen. 2009 konnte Almarcegui im Osten von London wild wuchernde Brachflächen fotografieren, die heute überbaut sind, und auf denen im Sommer 2012 die Olympischen Sommerspiele stattfinden. Das heutige Leben mit wechselnden Identitäten und Selbstdarstellungen untersucht Willem Popelier anhand seiner „Showroom Girls“, die das Verhalten einer jungen Generation in sozialen Netzwerken widerspiegeln. In einem 24-Stunden-Panorama des Handelssaals der Deutschen Börse in Frankfurt lässt uns Jules Spinatsch einer 14-Meter-Wandinstallation Zeuge eines zeitgleichen Aufnehmens, Sendens, Empfangens und Speicherns werden.

Zur Ausstellung erschien der Katalog „Status – 24 Dokumente von heute“, Herausgeber Daniela Janser und Thomas selig, Fotomuseum Winterthur / Motto Distribution, 2012. 24 Autoren reagieren in Kurzessays, Kommentaren, Interviews und einem Gedicht auf die 24 ausgewählten Dokumente.

Trevor Paglen: Der Aufklärungs- und Radarbildersatellit LACROSSE/ONYX II durchläuft das Sternbild des Drachens, 2007Hinzuweisen ist auch auf den neuen, leider ausschließlich englischsprachigen Blog des Fotomuseums Winterthur: Still Searching – An Online Discourse on Photography. Darin wird die Rolle der Fotografie als dem visuellen Medium unserer Zeit untersucht. Der Diskurs wird international von Theoretikern, Kritikern und Vermittlern sowie von Fotografen und Fotografinnen geführt. Er wird vom Fotomuseum Winterthur moderiert und von institutionellen Partnern weltweit unterstützt.

Status – 24 Dokumente von heute
Bis 26. August
Fotomuseum Winterthur, Grüzenstrasse 44+45, CH-8400 Winterthur (Zürich)
fotomuseum@fotomuseum.ch
Geöffnet Dienstag bis Sonntag 11 – 18 Uhr, Mittwoch 11 – 20 Uhr

Fotomuseum Winterthur
Blog des Fotomuseums Winterthur

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