Das Schiff im Wohnviertel: „Magna Anibong“

Ein Foto, das von Farben lebt, sollte auch entsprechend nachbearbeitet werden.

Canon EOS 500D, Kitobjektiv 18-55mm, 200 ISO, Blende 7, 1/100s und wegen der Mittagszeit in den Tropen eine Belichtungskorrektur von -2 EV - (c) Thorsten Kallnischkies

Canon EOS 500D, Kitobjektiv 18-55mm, 200 ISO, Blende 7, 1/100s und wegen der Mittagszeit in den Tropen eine Belichtungskorrektur von -2 EV – (c) Thorsten Kallnischkies

Thorsten Kallnischkies aus Berlin schreibt zu diesem Bild:

„Ich bin beruflich immer wieder im Ausland unterwegs, diesmal im Zusammenhang mit Aufräumarbeiten nach dem Taifun Hayian, der im November 2013 über die Philippinen hinweggezogen ist und große Verwüstungen hinterlassen und leider auch viele Menschen das Leben gekostet hat. Im Stadteil Anibong in Tacloban wurden sieben Schiffe an Land gespült. Hier stand kein Stein mehr auf dem Anderen. Ein halbes Jahr nach dem Taifun entstand diese Aufnahme, das Leben geht fast weiter wie vor der Katastrophe.

Leider ist die JPG-Datei vom Farbeindruck viel flacher als beim Original in PaintShopPro, möglicherweise habe ich noch nicht die richtigen Einstellungen zum JPG-Export gefunden.
Ich würde mich sehr über Tips freuen, wie ich solche Themen besser „ins Bild setzen“ kann.“

Das Schiff neben den Hütten, die es auch optisch fast verdrängt, war der Blickfang, der mich dazu bewogen hat, Dein Foto auszusuchen. Es wirkt bei der mir vorliegenen Auflösung etwas verschwommen, und die Farben wirken ausgebleicht.

Das Schiff ist so prominent im Bild platziert, daß wir uns über Kompositionsregeln hier nicht streiten müssen. Die von ihm fast verdrängten Hütten rechts (und wer weiß, was UNTER ihm begraben ist), bilden einen guten Kontext – die Aufnahme erzählt eine Geschichte. Das Schiff gehört ganz klar hier nicht her, es sieht zerstört aus, wie auch der Grund auf dem es liegt, und die Hütten und was sonst noch zu sehen ist, sagen mir, daß der Ort irgendwo in den südlichen Gefilden sein muß, schon bevor ich das auf den Rumpf gesprühte „Magna Anibong“ erspäht habe. Du fandest das Foto jedenfalls gut genug, um es in den World Photography Award einzureichen, und es ist in der Tat eines der besseren, die ich von Tacloban nach dem Taifun gesehen habe. Man muß an ihm nur mehr feilen.

Näher eingehen möchte ich erstens auf die technische Umsetzung, wie auch auf Deine Frage, wie man solche Themen besser ins Bild setzen kann.

Du selbst sprichst bereits den größten Problembereich hier an: das Foto ist zur Mittagszeit aufgenommen, und das hat die Farben verblassen lassen, trotz Deiner Belichtungskorrektur nach unten. Es war so hell, daß mir nicht klar ist, warum Du Dich für ISO 200 entschieden hast. Auch, wenn Deine kleine Rebel eine Einsteigerkamera ist, bringt der ISO zwar nicht viel mehr Rauschen ins Foto, aber es hätte Dir unter Umständen noch etwas mehr Bewegungsfreiheit ermöglicht.

Weiterhin gibt es links einen störenden Vogel, den ich weggestempelt hätte, und es ist auch bei genauerem Hinsehen ein Lichtklecks vorhanden:

Vergleichsfoto

Vergleichsfoto

Den Lichtklecks habe ich nicht behoben; man hätte ihn aber leicht vermeiden können, hättest Du eine Gegenlichtblende auf dem Objektiv gehabt. Auch ein UV-Filter hätte bei den Lichtverhältnissen bereits zur Zeit der Aufnahme geholfen.

Ich habe also erst einmal den Vogel entfernt, dann habe ich die Farbsättigung vor allem im Schiff korrigiert und auch die Lichtverhältnisse im Foto weiter angeglichen. Wenn das Bild von jenen lebt, sollten diese auch herausgearbeitet werden. Dir ist es bereits beim Export aufgefallen, Du hast es aber nicht noch einmal überarbeitet.

Ich fotografiere grundsätzlich RAW. Wenn Du das nicht möchtest, nimm die beste JPG Auflösung, die Deine Rebel bietet. Mein Farbraum in Photoshop ist Adobe1998 RGB, und wenn ich von Photoshop aus Aufnahmen als JPGs abspeichere, geschieht das immer mit 100% Qualität. Wenn Du weniger einstellst, verlierst Du mit Sicherheit Bildinformationen und damit Bildqualität. Außerdem empfehle ich, Deinen Bildschirm in regelmäßigen Abständen zu kalibrieren. Ich weiß nicht, ob Du auch AfterShot besitzt, aber bei dem Preispunkt wäre es sicherlich eine sinnvolle Investition.

Wie dem auch sei, hier ist das Ergebnis:

Vergleichsfoto

Vergleichsfoto

Zu guter Letzt habe ich das Foto auch noch nachgeschärft:

Vergleichsfoto

Vergleichsfoto

Ob das jetzt wieder zuviel in die andere Richtung ging, sei dahingestellt.

Was die Umsetzung Deines Motivs angeht, finde ich das eigentlich im großen und ganzen gelungen. Die Hütten rechts bieten, wie oben bereits erwähnt, den Kontext, und der Kontrast zwischen ihnen und dem Schiff, und wie sie von ihm drohend überragt werden, sagt eigentlich schon alles.

Ich habe auch noch ein anderes Bild online entdeckt, das Du wohl in der Radiostation in Tacloban gemacht hast. Wenn Dich diese Orte/Motive interessieren, und Du die Zeit hast, würde ich mir überlegen, aus dem, was jetzt mehr oder weniger zufällig entstandene Schnappschüsse zu sein scheinen, ein Fotobuch oder einen Fotoessay anzufertigen. Tipps und weitere Hinweise, wie das zu bewerkstelligen ist, findest Du in einem hier vor kurzem erschienenen Artikel, oder in dem Buch [amazon 3864902053]“Der Rote Faden“ von Meike Fischer[/amazon], das auf fokussiert vor nicht allzu langer Zeit besprochen wurde.

Du hast genug Kenntnis der jeweiligen Orte, um Dir in etwa vorher zu überlegen, welche Aufnahmen Du „mitnehmen“ willst; beispielsweise spielende Kinder in Trümmerfeldern oder Gebäude, die nicht aufgebaut wurden bisher. Wenn Du die jeweilige Lokalsprache beherrscht, oder jemanden auftreiben kannst, der als Übersetzer fungieren möchte, kannst Du auch Interviews mit aufnehmen, etwa jemanden finden, der früher in der Radiostation gearbeitet hat.

Ich hoffe, das beantwortet Deine Frage nach der Umsetzung dieser Art von Motiv einigermaßen, und ich würde mich freuen, die Ergebnisse weiterer fotografischer Erkundungen hier zu sehen.

2 Kommentare
  1. Conny
    Conny sagte:

    Es wäre nett, wenn ihr zum erwähnten Buch nicht nur den Affiliate-Link einbaut, sondern vor allem den zu eurer Buchrezension, denn die interessiert mich als Leserin viel mehr und so musste ich erst nach dem Artikel suchen. :-)

    Antworten

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