Der Bassist: Ohne Mimik keine Emotion

In der Musikfotografie kommt eigentlich alles auf den entscheidenden Moment an, in dem die Musiker ihre Emotionen zeigen. Dies fehlt mir hier.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Marianne Hamann-Weiss).

Kommentar des Fotografen:

Hallo, das Bild wurde am 04.206 in Ludwigshafen aufgenommen. Der Künstler, den ich sehr bewundere ist Ron Carter (Bass) ein „Klassiker“ der internationalen Jazzszene. Ich kann fömlich fühlen wie er in seiner Musik ist. Dass das Foto ohne Blitz oder bearbeiten entstanden ist, was bei Konzertfotos üblich ist, möchte ich noch erwähnen. Für mich ist diese Art zu Fotografieren besonders reizvoll. Improvisation ist hier wie in der Musik alles. Über ein Feedback würde ich mich sehr freuen.

Profi Jan Zappner meint zum Bild von Marianne Hamann-Weiss:

Grundsätzlich finde ich dieses Bild nicht schlecht. Mir gefällt der Aufbau, die Belichtung ist in Ordnung, der Moment ist ok und die Brennweite ist richtig gewählt. Nur die Verschlussgeschwindigkeit mit 1/25 ist viel zu kurz. Und doch reizt es mich nicht, das Bild länger anzuschauen:

Denn eigentlich wirkt es doch ein wenig zufällig ausgewählt. Mir fehlen ein paar elementare Dinge, welche die Musikfotografie zum Leben erwecken.

Musiker leben ihre Musik. Du schreibst, Du kannst sie sogar fühlen. Das ist natürlich ein wenig leichter, wenn man vor Ort der Magie des Moments ausgesetzt war und durch das Betrachten des Bildes wieder die Erinnerung hervorgerufen wird. Bei mir passiert das nicht. Warum?

Mir fehlen vor allem markante Emotionen im Gesichtsausdruck von Ron Carter. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Ron die ganze Zeit so ruhig seinen Bass zupft.

So wirkt das Bild aber auf mich – sehr ruhig. Ich denke aber an einen besonders emotionalen Moment, bei dem er die Augen zusammenkneift, die Augenbrauen nach oben reißt, den Mundwinkel verzieht, sich über den Hals des Basses beugt und sich selber zuhört und, und, und.

Die Variationen sind endlos – allerdings bisweilen tatsächlich beschränkt durch den Musiker und seine spärliche Gestik und Mimik, die vielleicht gar nicht variiert. Insofern kann es sein, dass die oben beschriebenen Momente nicht existieren, dann entschuldige bitte. Ich glaube aber, dass Ron Carter sehr wohl eine Mimik zeigt, wie eine kurze Suche zeigte.

Das bringt mich zu einem Punkt, den wohl alle Fotografen kennen. Wenn man diese Momente einfangen möchte, dann darf man die Kamera nicht vom Auge nehmen. Denn man könnte ja genau diesen Moment verpassen, in dem etwas Besonderes passiert. Nur verpasst man damit natürlich auch einen wertvollen Teil des Konzerts, da man sich auf optische Dinge konzentriert und nicht mehr zuhören kann.

Das ist die Krux am Fotografieren.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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10 Kommentare
  1. Marianne
    Marianne sagte:

    „der angeschnittene Kopf“…das kann ich verstehen, jetzt schau ich doch auch direkt wie magisch angezogen dahin.
    Ist „Live“ nicht immer so einfach alles auf den Punkt zu bringen.
    Grüße,
    Marianne

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  2. Marianne
    Marianne sagte:

    Hallo Dirk,
    schön..deine Rückmeldung zu lesen und die Gedanken dazu was Jazz alles bewegen kann…
    Ich hatte schon viele Gelegenheiten Musiker zu Fotografieren und liebe auch die Musik dazu …
    Ob es der Intellektueller Zugang sein muss, ich weiß nicht.
    Aber irgendwann möchte man wie in einem Buch auch mal zwischen den Zeilen lesen und nicht nur Plakative Motive wiederholen…
    Die habe ich auch, aber es ist nicht das was ich immer wieder suche.
    (es gibt ja fast kein Bild mehr das nicht schon gemacht wurde)
    Vor allem möchte ich „den Künstler“ auch in seiner Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten zeigen und für mich neu entdecken. Es freut mich auch, dass der Jazz hier so zum Thema wird.
    Schöne Grüße,
    Marianne

    Antworten
  3. Dirk
    Dirk sagte:

    Hallo Marianne,

    ich kann Herrn Zappner bei der Kritik verstehen, wenn er schreibt, dass ihm die Emotionen fehlen.
    Mir ging es ähnlich als ich das Bild betrachtet. Ich hatte sofort das Gefühl, dass es doch ein wenig mehr sein müsste. Ein wenig mehr Gefühl. Ein wenig mehr Energie, ein wenig mehr von irgendwas.
    So erweckte das Bild bei mir den Eindruck, dass es „nur“ die Idee von Emotion zeigt und nicht die Emotion selbst.

    Aber, je mehr ich über das Bild nachdachte, desto mehr kam mir der Verdacht, dass es (zumindest für mich) genau das ausdrückt, was Jazz ausmacht.
    Denn, so verstehe ich Jazz, es ist eine Musik die nicht nur aus Emotionen besteht, wie z.B. der Blues oder der Rock (mir ist natürlich klar, dass das auch hier nicht ganz zutrifft). Sondern sie benötigt (fast) immer einen intellektuellen Zugang.
    Und, wenn ich dass bedenke, dann passt diesen Bild haargenau:
    Es zeigt einen Mann der scheinbar versunken ist, sich jedoch sich nicht gehen lässt…

    Gruß
    Dirk

    Antworten
  4. Marianne
    Marianne sagte:

    Hallo Herr Zappner,
    ich danke für die ausführliche Kritik und Aufmerksamkeit zu meinem eingereichten Foto. Anmerken möchte ich zu meinem umsetzen der Emotionen im Bild folgendes.
    Künstler/Musiker die mit einer Aktiven Mimik abgelichtet werden gibt es…. viele. Meine Intetion war das in sich gekehrte fühlen, der eigenen (Künstler) Musik einzufangen. Für mich, in abwartender Dauerhaltung/Position der Kamera. Es ist wohl eine ganz persönliches Empfinden wie Mimik und Emotionen bewertet und gedeutet werden und das ist gut so…
    Mit freundlichen Grüßen!

    Antworten
  5. Christian
    Christian sagte:

    Hallo Herr Zappner,

    diese „Regel“ ist mir bekannt, dann wäre aber doch die Verschlusszeit viel zu lang und nicht viel zu kurz oder habe ich hier einen Denkfehler?

    Ein schönes Wochenende!

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  6. Jan Zappner
    Jan Zappner sagte:

    normalerweise sollte man mindestens eine verschlusszeit analog der brennweite oder schneller wählen, um ein verwackeln des bildes zu verhindern. denn je länger die brennweite, desto stärker macht sich eine bewegung von wenigen millimetern des objektivs im bildauschnitt bemerkbar. hier wurde mit einer langen brenntweite (leider sieht man nicht mehr, welche) gearbeitet.

    auch wenn es hier gerade so geklappt hat, der grundsatz bleibt. es gibt ja auch objektive, die genau diese verwacklung abfangen können. das nennt sich dann image stabilsator.

    Antworten
  7. Christian
    Christian sagte:

    Guten Tag Herr Zappner,

    1/25 Sekunde ist „viel zu kurz“? Ich wüsste gerne warum, falls das kein „Druckfehler“ ist.

    Beste Grüße

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  1. […] Aufnahmen von veranstaltungen, die dokumentieren, aber auch Stimmung transportieren sollen. […]

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