Der große Eugène Atget

Der französische Fotograf Eugène Atget war einer der Wegbereiter der Moderne. Eine Retrospektive im Berliner Martin-Gropius-Bau würdigt nun sein Werk – zu sehen bis Anfang Januar 2008.


Eugène Atget: Bis Januar in Berlin zu sehen

Vor 150 Jahren wurde Eugène Atget geboren – 1857 in einem Schlüsseljahr für die moderne Kunst: Das Erscheinen von Flauberts „Madame Bovary“ und Baudelaires „Blumen des Bösen“ gelten als Beginn der Moderne.

Einige der 350 Fotografien von Eugène Atget, die bis 6. Januar 2008 in Berlin – dem einzigen Deutschen Ausstellungsort der Retrospektive – zu sehen sind, hätten die französische Hauptstadt Paris seit ihrer Entstehung vor rund 100 Jahren noch nie verlassen.

Lassen wir die Veranstalter sprechen:

Atget hat wie kein anderer Fotograf zwischen 1897 und 1927 das alte Paris in seinen Bildern festgehalten. Seine Aufnahmen zeigen die Stadt in ihren unterschiedlichen Facetten: enge Gassen und Höfe im historischen Zentrum mit alten Gebäuden, die teilweise kurz vor dem Abriss stehen, prächtige Paläste aus der Zeit vor der Französischen Revolution, Brücken und Kais am Ufer der Seine, aber auch Geschäfte mit ihren Auslagen in den Schaufenstern. Er fotografierte Treppenhäuser und architektonische Details an den Fassaden und nahm Interieurs von Wohnungen auf. Sein Interesse galt auch der Umgebung von Paris.
Es entstanden zeitlos wirkende Aufnahmen von den Parks von Versailles, Saint-Cloud und Sceaux. Neben Architektur und dem städtischen Raum fotografierte er auch Straßenhändler, kleine Gewerbetreibende, Lumpensammler und Prostituierte sowie Jahrmärkte und Kirchweihfeste in den verschiedenen Stadtteilen. Auch die städtischen Außenbezirke und Randzonen, in denen oft Arme und Obdachlose hausten, wurden seine Bildmotive.

Atget begann erst 1888 als Fotograf zu arbeiten. Ab 1898 widmete er sich zunehmend der systematischen Erfassung der baulichen Zeugnisse aus der Zeit vor 1789. Seine Tätigkeit fiel mit dem Bewusstsein zusammen, an einer Zeitenwende zur Moderne zu stehen.
Mitte der zwanziger Jahre wurde Atget von jungen Avantgardekünstlern entdeckt. Man Ray, der wie er am Montparnasse wohnte, erwarb etwa vierzig Aufnahmen und veröffentlichte 1926 vier von ihnen in La Révolution surréaliste. Man Rays junge Assistentin, die (amerikansche) Fotografin Berenice Abbott erwarb nach seinem Tod 1927 etwa 1.500 Negative und 10.000 der im Atelier verbliebenen Abzüge, brachte sie in die USA und widmete sich mit dem Galeristen Julien Levy vierzig Jahre lang der Aufgabe, dieses einmalige Werk bekannt zu machen. Ihr ist es zu verdanken, dass Atgets Fotografien einen beträchtlichen Einfluss auf amerikanische Fotografen wie Walker Evans oder Lee Friedlander hatten.
Berenice Abbott verkaufte ihre Kollektion 1968 an das Museum of Modern Art in New York. Walter Benjamin rühmte Atget in seiner Fotografiegeschichte von 1931 als Vorläufer der surrealistischen Fotografie und begründete damit seine Anerkennung in Deutschland.

Eugène Atget – Retrospektive
Martin-Gropius-Bau
Bis 6. Januar 2008
Veranstalter: Berliner Festspiele
Eine Ausstellung der Bibliothèque nationale de France – Galerie de photographie

Katalog
Eugène Atget. Retrospektive
Museumsausgabe:
ISBN 9783-89479-380-7
€ 29,90
Buchhandelsausgabe:
ISBN 10: 3-89479-379-1
ISBN 13: 978-3-89479-379-1
€ 49,90

3 Kommentare

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  1. […] Vom Inhalt her erinnert mich dieses Foto ein bisschen an die surrealistischen Arbeiten des französischen Fotografen Eugene Atget: […]

  2. […] sich beobachtend durch die moderne Großstadt treiben lässt. Sie knüpfen damit an den berühmten Paris-Fotografen Eugene Atget an. Franks Blick richtet sich auf die Individuen der französischen Metropole, gleichzeitig […]

  3. […] Collection” (bis 12. Oktober) ist in Winterthur zur Zeit auch die Retrospektive zu Eugéne Atget zu sehen (bis 25. Mai). Auf diese haben wir bei fokussiert.com bereits hingewiesen, als sie in […]

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