Donovan Wylie: Ruhige, poetische Bilder vom Krieg

Tagtäglich flimmern aus dem fernen Afghanistan Bilder über die Fernsehschirme. Zeugen vom Töten in diesem Krieg. Es sind inzwischen allzu bekannte Bilder, die nur noch selten aufrühren. Donovan Wylie zeigt in seinem Bildband «Outposts» ebenfalls Bilder von diesem unsichtbaren Krieg. Bilder ohne Blut und Gemetzel, Bilder fast ohne Menschen, aber dennoch anrührende, berührende und nachdenklich stimmende Bilder.

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Zwischen 2006 und 2011 hat Donovan Wylie immer wieder die afghanische Provinz Kandahar besucht und dabei die Wachposten der kanadischen Armee fotografiert. Das Ergebnis ist ein poetischer, leiser Bildband mit ruhigen Aufnahmen. Die Fotos sind fast durchgehend in beigen und sandfarbenen Tönen gehalten. Sie leben von den Schattierungen und Abstufungen dieses Farbraumes – und spiegeln so die Landschaft und wohl auch das Lebensgefühl Afghanistans wider: trostlos, sandig, karg. Weitläufig und gebirgig. Eine Landschaft, die nicht unbedingt zum Leben und Verweilen einlädt.

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Wylie zeigt eine menschenleere Landschaft, in der selbst die Zeugnisse des Menschen – die Wachposten – fast untergehen und verschwinden. Auf den Bildern sind nur sehr selten Menschen zu sehen. Und wenn, dann als verschwindend kleine Figuren in der Weite des Landes.

Donovan Wylie hat ruhige Aufnahmen komponiert. Die Fotos sind gestochen scharf, wirken teilweise wie gemalt. Der Hintergrund verliert sich meist im Dunst. Der Himmel ist oftmals nur weiß und grau. Es ist eine farblose, eintönige Landschaft, in der sich die Zeugnisse des Krieges befinden. Die Wach-, Bewachungs- und Beobachtungsposten. Zeugnisse eines modernen Krieges, in dem nur noch selten von Mann zu Mann gekämpft und getötet wird. Ein Krieg, der vielfach am Computer stattfindet, wenig direkten Feindkontakt, wenig Kampfszenen bietet. Es ist ein unwirklicher Krieg. Ein Krieg, der fast schon im Verborgenen stattfindet, der unterschwellig geführt wird. Der immer vorhanden und präsent, aber nie sichtbar ist. So sind auch Wylies Aufnahmen. Sie zeigen die unscheinbaren, die mittelbaren Zeugnisse dieses Krieges, aber nicht die Verletzten, nicht die Toten und nicht die Soldaten.

Trotzdem sind es berührende Aufnahmen. Denn sie zeigen, wie klein der Mensch in der Provinz Kandahar ist. Wie fragwürdig es ist, mit wenigen Menschen, diese Weite überwachen und beherrschen zu wollen. Sie zeigen, wie verloren diese Wachposten in der Fremde sind.

In seinem Nachwort ordnet Gerry Badger die Arbeiten von Wylie der Schule der «New Topographics» zu. Eine Schule, die in den 1970er Jahren in Amerika geboren wurde, die sich der durch den Menschen beeinflussten Landschaft zuwandte. Dabei sollten die Aufnahmen dokumentarisch, neutral, wertfrei sein. Der Fotograf sollte sich bei der Aufnahme zurücknehmen, er sollte sich eines Urteils enthalten.

So fragwürdig letzteres in jeder Schule ist, so steht doch fest, dass sich Wylie seinen Subjekten zumindest behutsam nähert. Er gestaltet nach klassischen Regeln der Fotoästhetik ruhige, schöne Aufnahmen, die manchmal sehr poetisch und dadurch umso einprägsamer sind. Wylie macht Bilder von Militäranlagen, die eine Stimmung transportieren, die auf ihre Weise die Fragwürdigkeit des Krieges illustrieren und so die Neutralität des Betrachters auflösen.

«Outposts» ist ein kleiner, schön gestalteter Fotoband. Er ist nicht spektakulär, aber sehenswert wegen seiner handwerklich sehr guten Aufnahmen, die durch ihre Gestaltung eine enorme Ausstrahlung haben. Auch ruhige Worte und Bilder können manchmal wie ein Schreien wirken.

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ISBN-13: 978-3-86930-321-5
64 Seiten
(EU) 48,00

8 Kommentare
  1. jörg
    jörg sagte:

    Das hat nichts mit Stolz zu tun. Ich habe die vorliegende Arbeit beschrieben und bewertet. Für mich sind Wylies Arbeiten Bilder, die die Fragwürdigkeit des Krieges und des Gedankens, diesen gewinnen zu wollen, von einer neuen Seite her beleuchten.

    Bliebe das Zitat. Das ist nicht falsch.

    Bleibt deine Einschätzung, dass da Informationen fehlen. Dass er für Magnum arbeitet. Gut. Aber gibt es den Bildern eine zusätzliche Dimension? Nein.

    Genauso der Auftraggeber. Es bringt eine zusätzliche Information, von der ich mir gesagt habe. Ok, schön zu wissen. Aber bringt mir das etwas für die Wirkung der Bilder? Beeinflusst es meine Interpretation? Nein.

    Daher: Beschränkung auf das Wesentliche. Und das sind die vorliegenden Bilder, die im Buch präsentierten Bilder.

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  2. CorinneZS
    CorinneZS sagte:

    „Zwischen 2006 und 2011 hat Donovan Wylie immer wieder die afghanische Provinz Kandahar besucht und dabei die Wachposten der kanadischen Armee fotografiert.“

    Und nichts zu Magnum, nichts zur aktuellen Ausstellung, nichts zu Auftrag und Auftraggeber für die Serie?

    Also da wär ich nicht stolz drauf, sorry.

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  3. jörg
    jörg sagte:

    Hallo Corinne,

    vielen Dank für deinen ausführlichen und auch teils emotionalen Kommentar. Ich kann dich ja verstehen. Ich weiß, wo und wie Wylie aufgewachsen ist und welchen Werdegang er hat.

    Aber der Bildband ist, wie er ist. Er zeigt keine Kriegsbilder. Er zeigt keine Opfer. Er zeigt keine schießenden, patrouillierenden Soldaten. Er zeigt eine Seite, die diesen Krieg mindestens so prägt wie die offensichtlichen Bilder. Und da ist es durchaus ein verborgener, ein verdrängter Krieg. Afghanistan ist wird mindestens so sehr im Untergrund und Verborgenen und an Computern geführt wie mit blutigen Anschlägen.

    Selbst wenn Wylie keine Stellung beziehen will. Das ist schlicht unmöglich. Jedes Foto ist eine Stellungnahme. Da führt leider kein Weg vorbei, da jedes Foto ein Ausschnitt und eine Abstraktion der Realität ist. Also, er ist nicht neutral, kann es nicht sein.

    Ja, er zeigt die Zerbrechlichkeit dieser Bauten, er zeigt, wie verschwindend klein der Mensch in dieser Landschaft ist – und damit auch, wie fragwürdig der Versuch ist, durch Soldaten das Land und die Menschen beherrschen zu wollen. Es muss ja nicht seine Absicht sein. Aber er hat bei mir diese Wirkung ausgelöst. Und das habe ich beschrieben und bewertet. Dafür stehe ich mit meinem Namen ein.

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  4. CorinneZS
    CorinneZS sagte:

    Bilder vom unsichtbaren Krieg? Gott, wirf Hirn vom Himmel! Zu oft sah ich auf fokussiert.com Fotos von Emilio Morenatti aus Afghanistan (oder aus den afghanischen Flüchtlingslagern in Pakistan), als dass ich das so stehen lassen könnte. Unsichtbarer Krieg? Nur für Blinde. Und von Donovan Wylie? Ha!

    Es hätte gereicht zu sagen, wer die Fotos gemacht hat, wie er sie gemacht hat, wann er sie gemacht hat, was er zeigen wollte. Und allenfalls wie die Fotos in sein Werk passen.

    Der Text dünkt mich dermassen weit von Wylies entfernt, dass er schon fast als Kunst durchgehen könnte (zumindest als Essay).

    Donovan Wylie ist während des Nordirland-Konflikts in Belfast aufgewachsen. Mit 10 verkaufte er ein Fahrrad, um seine erste Kamera zu kaufen, mit 20 arbeitete er bereits für Magnum – weil er Geld brauchte, wie er bemerkt, und ohne je eine fotografische Ausbildung genossen zu haben.

    Wichtige Arbeiten sind:
    „The Maze“, Fotos aus einem Gefängnis, das zum Symbol des Nordirland-Konflikts geworden war; später eine Serie zum Abbruch der Gebäude.
    „British Watchtowers“, Fotos von britischen Wachtürmen in Nordirland, bevor sie im Zuge der Entmilitarisierung abgerissen wurden.
    „Green Zone“, Fotos der seit der Besetzung des Iraks 2003 errichteten Befestigungsanlagen und Checkpoints rund um die internationale Zone in Bagdad durch amerikanische Truppen, kurz vor der Rückgabe an den Irak.
    Und nun also: „Outposts“. Zufall, Zufall: Es sind Fotos der zwischen 2006 und 2011 von amerikanischen und kanadischen Truppen errichteten Vorposten in Afghanistan, fotografiert kurz bevor die kandadischen Truppen abzogen, genauer zwischen Dezember 2010 und Januar 2011. (Wenn schon aus einem Fotoband abschreiben, dann bitte richtig.) Und „Outposts“ ist zudem, wie schon „Green Zone“, eine Auftragsarbeit des britischen Imperial War Museums, das noch bis Februar 2012 Wylies Fotos zeigt (wobei zur Ausstellung ein Buch erscheint, wie halt so üblich).

    Nun könnte man weiter hoffen, Wylie habe wenigstens irgend etwas mit „unsichtbarem Krieg“ oder „einem Krieg, der immer vorhanden und präsent aber nie sichtbar“ sei, am Hut. Hat er aber nicht. Er will keine politische Aussage machen und nicht Stellung beziehen (sagt er über sich selber). Er will Architektur zeigen, die in Konflikten der Überwachung dient, und die passende Landschaft für solche Überwachung. Spannend findet er, dass die Militärbauten einerseits brutal, andererseits zerbrechlich sind und heute eben so schnell aufgebaut werden wie abgebaut, ohne Spuren zu hinterlassen. Deshalb fotografiert er sie. Weil sie nachher weg sind – wenn die kanadischen Truppen aus Afghanistan, die amerikanischen aus dem Irak oder die britischen aus Nordirland abgezogen sind.

    Er beobachtet Beobachtungsposten und überwacht Überwachungslandschaften, mittels stark strukturierter Fotos, könnte man sagen.

    So sieht’s aus.

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  5. Dennis
    Dennis sagte:

    Es ist wirklich spannend wie doch Bilder von einem so tragischen Thema (dem Krieg) so schön sein können. Ich finde in den Bildern kommt die ruhe nach dem Sturm gut zum Ausdruck. Eindrucksvoll wirklich.

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