Drohnen-Foto: „Von oben“ ist immer anders

Drohnen-Fotografie ist eine neue Gattung – Luftaufnahmen für oder von jedermann, sozusagen. Zwar fasziniert uns zunächst die andere, ungewohnte Perspektive. Aber über den künstlerischen Anspruch kann man sich streiten.

Roche-Tower in Basel Drohnenfotografie

FC300X Aufnahmedaten: 3s bei Blende 2.8 mit 3.61mm Brennweite und ISO 100 © Tim Anders

Tim Anders aus Inzlingen: Das Bild zeigt eine Luftaufnahme des Roche Towers mit Rhein in Basel, Schweiz. Das Bild wurde im Januar 2016 mit einer DJI Phantom 3 Professional aufgenommen (zur blauen Stunde, morgens). Die Belichtungszeit betrug 3 Sekunden. Das Gebäude hat in Basel zum Teil grosse Ablehnung erfahren. Ich persönlich finde den Roche Tower gelungen. Ziel war es daher, das Gebäude aus einem neuen, ungewohnten Blickwinkel zu zeigen und die schönen Seiten hervorzuheben. Es entstand eine tolle Bildserie. Die Phantom wurde von einem öffentlich zugänglichen Ort gestartet und nicht über privatem Gelände geflogen. Der gesamte Flug fand über dem Rhein statt.

Ein Hochhaus in der Morgendämmerung von oben gesehen – vor sechs, sieben Jahren ein exklusives Bild. Heute aber einfach eine technisch gute, etwas banale Drohnenfotografie. Oder?

Für alle, die’s nicht wissen: Diese Fotografie wurde mit einer ferngesteuerten [amazon  B00WAGS5W2]Drohne der Firma DJI vom Typ Phantom 3 pro[/amazon] aufgenommen. Die Technik ist bei Deiner Aufnahme insofern bemerkenswert, als ich drei Sekunden Aufnahmedauer bei einem fliegenden Objekt recht gewagt finde, was Verwackelung angeht. Allerdings hatte meine Phantom der ersten Generation noch nicht mal ein 3D-Gimbal, deswegen bin ich vielleicht etwas ahnungslos, was die Stabi-Fähigkeiten angeht.

Kommen wir aber gleich zur Einschätzung der Fotografie: Du hast versucht, den Roche-Turm aus einer unbekannten Perspektive, in einer fotografisch interessanten Zeit und rechtlich einwandfrei fotografiert zu zeigen. Dieses Ziel hast Du erreicht. Das Bild ist dennoch nicht wirklich spektakulär. Warum?

Weil sein wichtigster Aspekt in der simplen Tatsache liegt, dass es aus der Luft aufgenommen worden ist. Ich kenne einen Fotografen, der Hochzeitsgesellschaften jeweils mit extrem spektakulären Fotos beglückt hat, indem er seine Spiegelreflex inmitten der versammelten Familie so oft in die Luft geworfen und nach einer Zufallsauslösung mit Selbstauslöser wieder aufgefangen hat, bis er eine „Luftaufnahme“ mit Fischauge im Kasten hatte. Der Effekt dieser Fotos heute? „Ah, Ihr hattet eine Drohne. Onkel Alex schaut aber ganz schön grimmig!“.

Der Luftwaufnahmen-Aspekt allein reicht also einfach nicht mehr aus für ein fesselndes Foto – kein Wunder angesichts der Inflation fliegender Kameras. Und Wolkenkratzer aus der Luft haben wir schon in den siebziger Jahren in [amazonna  B01K3RUE5K]Büchern wie „Aerial View of…“[/amazonna] zu Hauf gesehen.

Vor allem aber ist zu bemerken, dass ein Turm (und vor allem ein alleinstehender und alles um ihn herum weit überragender wie der hier) seine optische Wirkung verliert, wenn man ihn vom Horizont isoliert, ihn also nicht mehr aufragen lässt, oder ihn sogar auf seinen Grundriss reduziert – und die Ansicht von oben, wenn auch von schräg oben, tut genau das. Seine Höhe und seine Wirkung kann gar nicht mehr eingeschätzt werden.

Kommt die Idee mit der Morgenstunde hinzu: Nachtfotografie in der Stadt hat zwar ebenfalls den Bonus des eher ungewohnten, und die Lichter funkeln dann besonders hell – aber der Turm verliert hier gleich nochmals, weil er beispielsweise im Sonnenschein einen gewaltigen Schattenwurf hätte aufweisen können.

Ich habe meine Schwierigkeit zu erkennen, inwiefern der Turm in dieser Aufnahme besonders schön wirkt – der ungewohnte Blickwinkel indes ist unbestritten. Selber bei Basel wohnhaft, habe ich das Gebäude aber wegen seiner Spiegelung des Lichts, seiner unglaublichen Präsenz aus jedem Winkel der Stadt und der Dominanz des rechten Rheinufers wegen wahrgenommen: Diese Eigenschaften in einer Fotografie auszudrücken wäre ein herausforderndes Projekt.

Über den künstlerischen Aspekt der Drohnenfotografie allerdings müssen wir diskutieren. Wenn man mit fliegenden Kameras neue Perspektiven erreichen kann, dann erwarte ich eine ganze Reihe an Experimente, Entdeckungen und Darstellungen, die es bisher zwar vielleicht auch schon gab, die aber Helikopter-, Ballonfahrer- und Drachen-Fotografen vorbehalten waren: Dinge, die aus der Luft so total anders aussehen, dass man gar nicht mehr wegschauen will; Kombinationen aus Licht und Schatten, die wir noch nicht gesehen haben oder Kompositionen, die vielleicht etwas in unserer Kultur oder Natur entlarven, das wir aber nur dank der neuen Perspektive erkennen können. Ich habe mit meiner Phantom am Anfang solche Versuche gemacht und beispielsweise dieses Bild eines Kreisverkehrs (sehr nahe Basel) geschossen. Die Idee hier war, im Zusammenspiel des extremen Weitwinkels mit der absoluten Senkrechten eine Perspektive zu erzielen, in der man das Objekt nicht mehr erkennt.

Drohnenfotografie Hülftenschanz-Verkehrskreisel

Verkehrskreisel Hülftenschanz. Aufnahme mit einer DJI Phantom I

Inzwischen sind die Geräte  unheimlich viel besser geworden und erlauben eine direkte Kontrolle der Komposition über ein Videobild aus der Kamera der Drohne: Damit ist eine kontrollierte künstlerische Fotografie möglich, und man kann sich über die Gestaltung der Bilder austauschen. Erste Wettbewerbe für die Drohnenfotografie gibt’s auch schon, aber was dabei ausgezeichnet wird, ist meiner Meinung nach ein wildes Durcheinander von mehr oder weniger spektakulären Luftaufnahmen. Ich bin gespannt, ob sich daraus ein eigenes Genre entwickelt, und welche Spielarten wir noch sehen werden.

4 Kommentare
  1. Tim Anders
    Tim Anders sagte:

    Ich bin jetzt doch etwas überrascht. Ich habe hier mitgemacht, um DIESES Bild kritisieren zu lassen. Meiner Meinung nach wird hier ziemlich viel auf Luftaufnahmen insgesamt herumgehackt (kann jeder, alles alltäglich, nichts Besonderes- dann macht es doch, eure Beispielbilder hauen mich jetzt auch nicht vom Hocker). Sollte ich jetzt Hochhäuser nur noch vom Boden aus mit der Drohne aufnehmen, damit die Grösse besser raus kommt? Keine Nachtaufnahmen, damit man Schatten hat? Im Ernst, über etwas mehr konstruktive Kritik am Bild und weniger allgemeine Kritik an Luftaufnahmen hätte mich gefreut. Dann hätte ich beim nächsten Mal vielleicht auch ein Bild machen können, welches nicht nur für mich besonders ist, sondern dem auch das geschulte Redakteursauge etwas abgewinnen kann ;) Motive sind wohl immer Geschmackssache. Das trifft natürlich auch auf dieses Bild zu. Prinzipiell denke ich jedoch, dass diese Motiv viel hergibt. Es wäre schön gewesen zu erfahren, wie Sie das Motiv zum Beispiel dargestellt hätten, bzw. welche technischen Verbesserungen möglich gewesen wären.
    Dennoch Danke für Ihre Bemühungen

    Tim

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    • Peter Sennhauser
      Peter Sennhauser sagte:

      Lieber Tim – „herumhacken“ sieht bei mir dann doch etwas anders aus, und ich sage nirgends, dass dies keine ansprechende Fotografie ist. In der Tat sage ich aber wenig dazu, wie man diese Aufnahme anders hätte gestalten können. Dass mein Beispielbild Dich nicht vom Hocker haut, glaube ich gern: ich führ’s genau deswegen als Beispiel an. Ich habe damals versucht, aus der Luftfotografie etwas neues herauszuholen und musste damit scheitern. Zu Deiner Aufnahme sage ich das einzige, was ich konkret sagen kann: Ich würde den Turm mit einer Drohne nicht so sehr von oben, sondern allenfalls in halber Höhe aus einer Perspektive fotografieren, in der seine Grösse auch aus der Luft zur Geltung kommt – und damit eine Perspektive einnehmen, die nicht der eines hoch fliegenden Helikopters oder Flugzeugs gleicht. Technisch muss man an dem Bild nichts verbessern, kann man ja wohl auch kaum, wenn wir an Blende, Zeit und ISO denken. Tut mir leid, wenn ich Dich enttäuscht habe, aber die konstruktive Kritik beschränkt sich meiner Meinung nach hier im wesentlichen darauf, dass die Perspektive anders hätte gewählt werden können/sollen.

    • Stefan Jeschke
      Stefan Jeschke sagte:

      Auch ich bin hier ganz bei Peter: Tim Du hast aus einem wohl imposanten Gebaeude (ich kenne es nicht persoenlich) einen unscheinbaren Zwerg gemacht, und zwar in erster Linie durch die Wahl der Perspektive (und dazu leider eine wenig spannende Komposition). Der vermutlich beabsichtigten Bildaussage (das imposante Gebaeude als solches eingebettet in die Stadt, das kann ich jetzt aber nur raten) wurde hier ein Bein gestellt. Es ist das gleiche wie ein Kind oder ein Tier von oben zu fotografieren: es wird klein und hilflos, der Betrachter setzt sich „ueber“ das fotografierte Objekt, und das passt hier so leider gar nicht..
      Um den Tower als solchen darzustellen, taete ich mich mit einem Weitwinkel bewaffnen und ihn nahe von unten mit etwas Umfeld herum fotografieren. Oder wenn eine Drohne mit dabei sein soll, hier gibts noch eine Anregung bzgl. ausgefaellener Perspektive:

      https://creators.vice.com/de/article/drohnen-fotos-verwandeln-diese-landschaften-in-schwindelerregende-achterbahnfahrten

      Bin gespannt ob obige Bilder bald auch nur noch gaehnen verursachen (wie die meisten „little Planets“, die übrigens vielleicht auch was fuer den Tower waeren?), aber im Moment finde ich einige Beispiele WOW! :-)

      Viele Grüsse,
      Stefan

  2. Dierk Topp
    Dierk Topp sagte:

    ich stimme Peter voll zu.
    Es ist sicher für den Besitzer einer Drohne ein Erlebnis, aus so einer ungewöhnlichen Perspektive zu fotografieren, aber das ist es dann auch. Durch den Einsatz von (besonderer) Technik wird ein Bild nicht zu etwas Besonderem.

    Es gibt wie in dem Beitrag erwähnt schon sehr lange beeindruckende Luftaufnahmen. Durch die Drohnen sind diese jetzt so einfach geworden, wie nie. Damit und durch die Vergleiche steigt aber auch der Anspruch an eine besondere Aufnahme. Damit meine ich z.B. die vielen faszinierenden Bilder der Darstellung von Mustern und Figuren der Landschaft aus dieser Perspektive. Gerne würde ich so etwas auch mal selbst machen, nachdem ich den Blick aus einem Ballon genossen habe. Da sehe ich endlose traumhafte Motive, die ich senkrecht von oben machen würde.

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