Einsamer Schuh am Wasser: Manchmal reicht ein wenig mehr

Bei der Anordnung von Bildelementen ist es oft hilfreich, ein Objekt von verschiedenen Blickwinkeln aus zu fotografieren. Meistens kommt dabei eine Komposition heraus, die man sonst nicht gesehen hätte, oder Elemente, die später als störend auffallen, werden korrigiert. Und oft genügt ein kleiner Schritt zurück, oder eine Bewegung nach oben oder unten.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Pascal Reis).

Kommentar des Fotografen:

Eigentlich war es frustierend, sich am Morgen um 5 aus dem Bett zu quälen und dann eine triste und neblige Gegend zu fotografieren, bis ich diesen Schuh gesehen habe. 3/4h habe ich damit verbracht, den passenden Ausschnitt und die Platzierung des Horizonts zu finden. Das Bild bot schon einigen Gesprächstoff, ob die Platzierung des Horizonts nun wirklich passt.

Profi Sofie Dittmann meint zum Bild von Pascal Reis:

Als ich dieses Foto sah, fiel mir unwillkürlich eine amerikanische Handywerbung ein („More bars in more places“), und daß Fotograf Reis dieses Motiv an einem nebligen Morgen am See auffiel, läßt auf ein gutes Auge schließen.

Das Panoramahafte des Fotos verrät, daß es vermutlich entweder zusammengesetzt oder unten beschnitten wurde, was aber dem Bildaufbau nicht abträglich ist (Canon Kameras dieses Modells nehmen Bilder im Verhältnis 2:3 auf).

Die Holzpfähle heben sich dunkel vom dahinterliegenden Wasser und trüben Himmel ab. Man hätte das Foto nachträglich noch etwas aufhellen können, um die Struktur des verwitterten Holzes (wie auch Details des Schuhs) noch etwas mehr herauszuarbeiten. Das ist aber hier Geschmackssache.

Fotograf Reis schneidet in seinem Kommentar die Frage des Horizontes an, der ich mich daher auch etwas mehr widmen will. So wie das Foto jetzt aufgebaut ist, liegt der Horizont direkt an der oberen Kante des (von links aus gesehen) dritten Pfahles, was wahrscheinlich der Grund für die von Pascal angesprochenen Diskussionen ist. Ich schließe mich denn auch denen an, die ihm wahrscheinlich gesagt haben, der Horizont hätte anders gewählt werden müssen.

Durch die jetzige Wahl des Horizontes, „klebt“ der Vordergrund irgendwie am Hintergrund, sie heben sich nicht vollkommen von einander ab. Da aber der Schuh als Detail das Auge des Fotografen (und des Betrachters) in seinen Bann gezogen hat (und zieht), muß man den See dahinter als Hintergrund visuell davon trennen. Den Horizont in die obere Kante des Pfahles mit einzubeziehen war für mich automatisch ein störendes Element.

Hätte man diese Linie nur ein kleines bisschen angehoben, wäre die Diskussion gar nicht erst entstanden, der See ist dann klar der Hintergrund, und der Horizont schleicht sich nicht irgendwie in den Bildvordergrund. Das habe ich hier mittels Photoshop getan:

Horizont angepasst

Ansonsten ist dieses Foto meines Erachtens ein gelungenes Bild.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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3 Kommentare
  1. Pascal
    Pascal sagte:

    Besten Dank für die Kritik. Wie vermutet bringt die Platzierung des Horizonts reichlich Diskussionsstoff mit sich. Aus meiner Sicht ist es schwierig, eine eindeutige Antwort dafür zu finden, was wirklich richtig ist. In all meinen Einstellungen habe ich alle Varianten durchprobiert und die gewählt als die Beste empfunden da sie so nichts schneidet. Weit runter gesetzt zerschneidet sie die Pfähle. Etwas höher schneidet sie den Schuh (was mir persönlich missfällt) und noch weiter wirkt die Verteilung wieder unausgewogen. Schlussendlich war die gewählt Lösung für mich die passendste, nicht zuletzt deshalb weil es zusätzlich die Frage aufwirft: Ist der Schuh nun auf dem Pfahl oder ist es ein riesen Schuh auf dem Horizont?

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  2. Helmut
    Helmut sagte:

    Hallo, mir gefällt das Bild mit den nach oben gesetzten Horizont gut. Beim lesen des Textes hatte ich aber erst an eine Herabsetzung des Horizonts gedacht. Um den Schuh über dem Horizont/Weite schweben zu lassen? Wie ist Ihre Meinung dazu? – VG Helmut

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    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      @Helmut So, wie Pascal es fotografiert hat, soll das Wasser Teil des Hintergrundes sein. Die Linie des Horizonts ist aber auch gleichzeitig die, die hier im Goldenen Schnitt liegen sollte. Wenn man das Wasser und damit den Horizont zu weit nach unten versetzt, bringt man das Foto aus dem Gleichgewicht. Das kann OK sein, wenn es dem Bild zuträglich ist, das Ungleichgewicht also gewollt. Meines Erachtens wäre es hier zu extrem.

      Da, wo ich sie hinversetzt habe, ist sie immer noch im unteren Drittel des Bildes, aber sie separiert den Schuh visuell gerade genug vom Horizont, daß er nicht mehr an ihm „klebt“.

      @Pascal Ja, und unserer Meinung nach haben wir auch immer alle recht. :) Wenn bestimmte Bildinhalte oder ein bestimmter Bildaufbau zu Diskussionen anregen, ist das zunächst einmal eine tolle Sache. Das heißt nämlich, daß Du etwas fotografiert hast, das die Leute zum Nachdenken anregt.

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