Elefantenporträt: Zu unentschieden
Auch Tierporträts verlangen das Einfangen des Wesens eines Modells. Eine wichtige Rolle spielt dabei jedenfalls das „Gesicht“ – und vor allem der Blick, sprich die Augen.
Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Sebastian Veith). – Leica V-LUX 1 – 1/640s – f/8 – ISO 100 – 88.8mm (420mm)
Kommentar des Fotografen:
Ein Portrait eines Elefantenbullen in freier Wildbahn. Sollte die Mächtigkeit des Tiers zum Ausdruck bringen.
Peter Sennhauser meint zum Bild von Sebastian Veith:
Dieses Bild beeindruckt vor allem durch die Nähe zum abgebildeten Elefanten (der mit dem 420mm-äquivalent herangezoomt wurde). Der Dickhäuter scheint den Fotografen schon fast mit dem Rüssel zu berühren. Nur leider sehen wir das nicht:
Die Aufnahme kann sich nicht entscheiden, was sie denn jetzt sein will. Zum einen ist da die Haut, die Nähe, das Gesicht des Elefanten – aber davon sehen wir das Wichtigste – mindestens ein Auge, vielmehr aber den Blick des Tiers – so wenig wie seine Stosszähne oder seinen Rüssel.
Auf der anderen Seite wird das Tier, dessen Mächtigkeit du ausdrücken wolltest, durch die Nähe und vor allem die Perspektive auf Augenhöhe des Bullen regelrecht verkleinert: In der Natur sind afrikanische Elefantenbullen in der Regel weit grösser als der Mensch, wenn Du also auf Augenhöhe wärst, hätte dieser Bulle die Körpermasse einer grossen Kuh.
Porträts sollen durch einen bildhaften Eindruck eine Botschaft über das Wesen des Modells transportieren. Das gilt für Tierporträts genauso wie für Menschen. Wenn dies also ein Porträt dieses individuellen Elefanten sein wollte, müsste es deutlich mehr von seinem Gesicht, seinem ganzen Kopf, seiner Haltung, seinem Bezug zum Eindringling oder Besucher mit der Kamera vermitteln.
Der hier gezeigte Ausschnitt leidet darunter, dass er Körperteile des Tiers, und noch dazu recht wichtige und typische, „abschneidet“ – das geht fast nie gut. das scheint mir auch ein bisschen eine symptomkrankheit der Superzoom-Kameras zu sein (die ich vom Einsatz meines 80-400mm oder eben 120-600mm auf der Nikon gut kenne): Das „Fernrohr“ verführt dazu, mehr oder weniger sinnlos nah ans Motiv heranzuzoomen, statt sich für eine Brennweite zu entscheiden, die einer wirklich gelungenen Komposition gerecht würde. Ich hab mich schon beim Gedanken erwischt „dann hätte ich ja gleich das 18-200er drauflassen können, jetzt wird angesaugt“ – und der tut keiner Fotografie wirklich gut…
Paradoxerweise besteht eine Version der Abhilfe in noch mehr Nähe: Nur gerade das Auge des Bullen, oder ein Ausschnitt seiner Haut, den Falten im harten Mittagsschatten. So aber zeigt das Bild die wenig interessante Stirn des Tieres und ein halbverdecktes Auge, das uns nicht zeigt, wohin der Bulle blickt. Für ein Porträt hätte der ganze Kopf ohne die gekappte Schädeldecke, ein Blick des Tiers, eine „Geste“ im weitesten Sinn eingefangen werden müssen.
Wenn Du allerdings statt der Wesensstudie dieses Tieres seine Majestät und seine Grösse zeigen willst, müsste der Blickwinkel deutlich anders sein. Entweder, indem Du das Tier mit einem Grössenvergleich – einem Baum, Strauch, einem Vogel auf seinem Rücken oder auch einem der Safari-Fahrzeuge in voller Pracht zeigst. Oder aber, indem Du Dich ihm aus Deiner, unserer Froschperspektive näherst und es von unten ablichtest, mit einer Normalbrennweite oder gar einem Weitwinkel.
Ich weiss nicht, ob das bei einem wilden Elefantenbullen eine Option für einen Amateurfotografen ist und hätte mich persönlich hier wohl eher für ein paar Experimente mit verkürzter Brennweite und dem ganzen Kopf des Bullen, mit Zoom auf das Auge oder sogar einfach nur mit Studien mit der Haut versucht: Auch das hätten sehr interessante und spektakuläre Bilder werden können. Wer kommt denn schon einem Elefantenbullen nahe genug, um die Details seiner Haut abzulichten?
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