Exotisches Porträt: Bewegte Ruhe

Formen, Farben und Bewegung sind das eine bei einem solchen Foto. Das Auftreten der Fotografin aber bestimmt die eigentliche Stimmung der Szenerie.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Sybille Stempel).

Kommentar der Fotografin:

Teppichweberin in Tingir, Marokko, aufgenommen mit Nikon coolpix compakt. Interessiert hat mich bei dem Motiv der fast stoisch gleichmütige Gesichtsausdruck der Weberin im Gegensatz zu ihren flinken Händen, die fast unabhängig von ihr zu leben scheinen

Profi Thomas Rathay meint zum Bild von Sybille Stempel:

Bei Reisen in gänzlich andere Länder, mit komplett anderen Sitten findet man als Mitteleuropäer tausende von herrlichen Fotomotiven. Die Farben, aber auch die Gerüche überwältigen einen fast, so dass man manchmal völlig vergisst, worauf es ankommt.

Als Reisender und Fotograf muss man sich nämlich auf die Menschen vor Ort einlassen können. Ihnen offen, ehrlich und respektvoll gegenüber treten, um zu guten Bildern zu kommen.

Das Bild von Sybille zeugt von solchem (nachahmungs-) würdigen Verhalten. Das Bild lebt zum einen von der gekonnt eingefangenen Bewegungsunschärfe der flinken, spinnenden Hände, erhält zum anderen seinen Reiz erst durch den offenen und freundlichen Blick der Marokkanerin.

Blicke sind es, die uns als Betrachter in das Bild ziehen, die uns ansprechen. Wenn wir durch diese gefangen genommen sind, erkunden wir den Rest des Bildes, so es denn einen gibt.

Hier gibt es viel zu sehen, allerdings nicht zu viel, was uns großartig ablenken würde. Alles, was auf dem Bild erkennbar ist, gehört dazu, erzählt uns etwas über die Arbeit und das Leben der Person auf dem Foto.

Von der Wolle bis zum „angewebten“ Teppich ist alles da. Und trotz ihrer sicher ärmlichen Lebensumstände, sitzt die Frau würdevoll und kerzengerade da, schaut der Fotografin freundlich und erwartungsvoll ins (Kamera)-Auge. Die hellen Wände ringsherum reflektieren das (Blitz?) Licht und erweichen somit die Schatten.

Was noch eine Anregung wert ist, ein wenig auf die Drittel-Regel zu achten – es wäre gut machbar, die Frau im Bild noch etwas nach links zu rücken und somit der bewegten Hand etwas mehr Freiraum zu verschaffen. Im Nachhinein den Ausschnitt bei diesem Foto zu verändern bringt nicht so viel, da Wichtiges beschnitten würde.

Ist es also ein perfektes Bild? Beinahe. Ist es allerdings nicht manchmal auch langweilig, perfekt zu sein?

Sybilles Bild ist wahrlich ein Postkartenmotiv, eine gelungene Fotografie, eine schöne Erinnerung an diese Begegnung mit der Teppichweberin.

Es fehlt ihm meines Erachtens nach aber das gewisse Etwas, der Überraschungseffekt. Sicher kommen in der gemeinsamen Diskussion wieder gute Ideen und Anregungen.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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