Falsches Nordlicht: Farbenspektakel in rot und blau

Farben können auch in der Landschaft zum Motiv werden, das durch die Umgebungsdetails nur unterstützt wird.

[textad]

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Thomas Backhaus).

Kommentar des Fotografen:

Abend an der schwedischen Westküste.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Thomas Backhaus:

Eine Küstenlandschaft, fotografiert über eine Bucht hinweg. Der dunkelblaue Himmel bedeckt vier Fünftel des Bildes, ist aber von einer leichten, von unten in orange beleuchteten Wolkendecke bedeckt, wodurch der freie Himmelstreifen in der Langzeitaufnahme wie ein Nordlicht erscheint.

An der Küste, die nur im untersten Bildteil zu sehen ist, können drei Ortschaften mit hell erleuchteten Gebäuden ausgemacht werden; im Vordergrund rechts markieren Felsen im Wasser den Standpunkt des Fotografen als ebenfalls an der Küste liegend. Das leicht spiegelnde Wasser in der Bucht ist durch die lange Belichtungszeit analog zu den Wolken zu einer matten, verhältnismässig gleichmässig beleuchteten Fläche erstarrt.

Zum Wochenende hin versuchen wir jeweils an dieser Stelle ein aussergewöhnliches Bild zu zeigen. Dieses hier hat einen klaren „Wow“-Faktor. Wir wollen analysieren, woran das liegt.

Zunächst sind es die Farben: Licht macht Fotografie, Farben machen Farbfotografie. Fotografinnen machen daraus Bilder, und Farbe allein kann ein faszinierendes Motiv sein. Grade in der Landschaftsfotografie hängt viel davon ab, ob man die Licht- und Farbverhältnisse abwarten oder vielmehr antizipieren kann, die gegenständliche Motive zu eben diesen „Wow“-Bildern machen oder machen werden.

Wir Menschen haben für Farben ähnlich Präferenzen wie bei Flächenaufteilungen, die als ästhetisch oder harmonisch wahrgenommen werden oder eben nicht: Beispielsweise wirken die Komplementärfarben rot und blau sehr attraktiv, weshalb die roten Felsen der Sandsteinwüsten von Utah vor blauem Himmel so gut funktionieren.

Du hast Dich hier vollständig auf das Lichtspiel am Himmel konzentriert, was eine gute Entscheidung war, und dabei das Meer, die Küste und ihre Lichter sehr effektiv als Ergänzung in die Kompensation aufgenommen: Die Reduktion setzt die beiden Farbschwerpunkte und den Verlauf am Himmel ins Zentrum des Motivs, während aber zugleich die übrigen Landschaftselemente bezeugen, dass es sich um eine natürliche Erscheinung handelt.

Ich stelle mir vor, dass Du bei 30 Sekunden Belichtungszeit nicht wirklich abschätzen konntest, was aus dem Himmel und der Wasseroberfläche werden würde, aber die Dynamik des in der Bildtiefe verlaufenden blauen Streifens und die Redundanz des gelbroten Lichtscheins über der Küste und im spiegelnden Wasser schaffen eine gute Balance. Ich hätte mir allenfalls überlegt, das Bild noch etwas flacher zu schneiden, wodurch es aber mehr zu einer Landschaftsaufnahme würde; das aktuelle Format lässt es wie eine Abstraktion erscheinen, die sich auf den zweiten Blick als Naturschauspiel entpuppt (und auf den Dritten erst zugibt, dass es sich nicht um ein Nordlicht handelt). Sehr gelungen.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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