Fingerübungen: Jahrmarkt-Treiben

Jahrmärkte bieten Lichter und Menschen, bewegte Objekte und glänzende Kinderaugen en masse. Sie einzufangen ist eine grössere Herausforderungen als erwartet. Ein Erfahrungsbericht von der Basler Herbstmesse.

Das Staunen der Kinder: Der Mini-Jahrmarkt am Jahrmarkt. Alle Bilder 2008 © P. Sennhauser

Ein Jahrmarkt ist ein gefundenes Fressen für den Hobbyfotografen. Und eine ziemlich schwierige Angelegenheit, wie ich schnell merke. Ich war mit der Nikon D300 und dem 18-200 Zoomobjektiv (und gelegentlich dem Sigma 10-20mm) ausgezogen, „typische“ Jahrmarktsbilder von der Basler Herbstmesse zu machen, einem zwei Wochen lang die ganze Innenstadt bedeckenden Grossmarkt.

Überkopf-Normalansicht: Menschenmenge mit Live-View fotografiert.Etwas unverschämt, ein solch aufdringlichs Zoom-Bild, aber das Gedränge ist sichtbar. Auf ein Ziel-Motiv habe ich zunächst verzichtet in der Absicht, erste Erfahrungen zu sammeln und allenfalls später mit konkreterem Plan zurückzukehren. Auf der imaginären Liste der Testbilder standen: Nachtbilder mit bewegten Jahrmarktsattraktionen, glückliche Kinder, Menschenmenge und Verkaufsstand-Athmosphäre.

Die einfachste Aufgabe ist zunächst die Menschenmenge – oder einfach nur die Schlendernden Menschen zwischen den Ständen. Ich versuch’s zuerst auf dem „Chacheli-Märt“, dem Töpfermarkt voller Stände mit Zerbrechlichem, und dem gleich dahinter angeschlossenen richtigen Jahrmarkt mit einem Karussell und einigen kleineren Kinderattraktionen.

Die Erschwernisse:

  • Eine Perspektive zu finden, die Verkäufer und Kundschaft zeigt;
  • die Interaktion abzubilden, ohn sie zu stören
  • die Beleuchtung (meist sehr hell im Stand und dunkel draussen).

Nicht grade spannend, die Rückenansicht.Deutlich interessanter: Weitwinkel, Ware und Schärfentiefe.)

Im Dämmerlicht versuche ich, Waren an Ständen und vorbeigehnde Menschen zusammenzubringen. Dabei ist das Hauptproblem, dass die Menschen mich und die Kamera wahrnehmen – und einen Bogen um den Bildausschnitt machen. Auf den ersten Bildern schlendern die Menschen deshalb alle Menschen von mir weg – und Rückenansichten sind nunmal nicht sehr spannend.

Nicht ideal: Abgewandte Menschen.Etwas besser: Mehr Interaktion.Abhilfe kann ein Objektivwechsel bringen. Ich versuche es zunächst mit dem Weitwinkel: Waren im unmittelbaren Vordergrund, Leute und Lichter unscharf im Hintergrund. Das funktioniert meistens besser, weil die Menschen vor der Linse nicht erkennen, wie gross deren Blickfeld wirklich ist. Ausserdem lässt sich damit auch die Masse der Waren einfangen. Das wirkt allerdings deutlich besser, wenn zusätzlich eine erkennbare Interaktion von Menschen sichtbar ist.

Gefühltes Gedränge: Hier ist der unscharfe Vordergrund etwas übertrieben. Einen noch weit stärkeren Eindruck der Gedrängtheit produziert ein Zusammenzug der Menschen über eine in die Bildtiefe verlaufende Linie hinweg mit dem Teleobjektiv. Auch hier gelingt es besser, Menschen frontal zu fotografieren, weil sie auf die Distanz gar nicht erkennen, dass sie im Blickfeld sind.

Mit der Schärfentiefe kann zusätzlich das reale Gedränge im Bild simuliert werden. Das wirkt am besten, wenn sowohl ein unscharfer Vorder- wie auch ein Hintergrund vorhanden ist: Also mitten in die Strecke hineinzoomen und warten, bis jemand in den Fokus tritt. Auf die Spitze getrieben, ergeben sich allerdings schon fast unanständig nahe Bilder.

Problematisch: Verkäufer und Kundschaft ins Bild zu bringen.Wimmelbild: Weitwinkel bringt Menschen ins Bild - aber die Waren sind dafür nicht mehr zu sehen...

An den Verkaufsständen in „Boxenform“ erwartet mich eine weitere Herausforderung. Die Interaktion zwischen Verkäufer und Kundschaft inmitten der Ware – meist einer dichten Ansammlung bunter Gegenstände – ergäbe Wimmelbilder mit „Action“. Schwierig ist dabei erstens, die Leute nicht zu stören und trotzdem überhaupt erstmal eine seitliche Perspektive zu finden. Zweitens brauchts, um mehr als den verkäufer mit seiner Ware abzulichten, einen Weitwinkel. Mit dem 10mm Kriege ich zwar viel aufs Bild, aber der Eindruck der Warenmasse, das „Wimmelbild“, will sich so nicht mehr einstellen.

Einblick Dank Seitenfenster: Menschen, Ware und Verkäuferinnen.Angeschlichen: Durchs Glas auf Hüfthöhe lässt sich das Magenbrot ins Licht rücken.Eine Lösung ist die Suche nach einem Stand mit sietlicher Öffnung, durch welche die Kundschaft fast aus der Sicht der Verkäufer gesehen werden kann. Das gelingt mir schliesslich an einem Lebkuchenstand. Gleich nebenan findet sich noch eine neckische Variante: Mit der Ware gross im Vordergrund kann ich durchs Glas an der Verkaufsfront die Damen im Stand unscharfr im Hintergrund mitnehmen. Für Bilder, welche die Betonung auf die angebotenen Produkte legen sollen, ist das ganz gut geeignet – als Stimmungsbild weniger.

Direktverkauf: Das Publikum kommt gut, der Verkäufer weniger.Mehr Aktion, Aber leider auch Aufmerksamkeit des Verkäufers.Wirkliche Jahrmarktstimmung kommt natürlich bei den „billigen Jakobs“ auf, die heute nicht mehr allerlei billige ware, sondern irgendeine geniale Putzmaschine oder einen Gemüseschneider anpreisen – und dabei direkt in Kontakt mit dem Publikum treten. Hier bieten sich Möglichkeiten, die Aktion im Bild festzuhalten. Der Verkäufer allerdings sieht ungern einen Fotografen beinahe hinter sich, also muss es schnell gehen. Als ich eine Interesentin mit aufs Bild nehme, bringt das zwar mehr Beziehung, aber der Händler widmet mir sofort seine Aufmerksamkeit, und damit ist diese Session vorerst gelaufen.

Demnächst im Teil II: Das bunte Treiben nach der Dämmerung (Fahrgeschäfte)

Weitere Fingerübungen:

[postlist „Fingerübungen“]

6 Kommentare
  1. Peter Sennhauser
    Peter Sennhauser sagte:

    Ich möchte dazu schon längst eine grössere Recherche starten und komme nie dazu…

    Nicht nur unterscheiden sich die Gesetze von Land zu Land – sie sind noch dazu meistens nicht absolut eindeutig. Aus der journalistischen „Lehre“ gehe ich davon aus, dass Aufnahmen, die im öffentlichen Raum entstanden sind, grundsätzlich für redaktionelle Zwecke verwendet werden dürfen, selbst wenn sie Personen relativ nah auf den Leib rücken. Dasselbe dürfte für die Kunst gelten. Aber sobald eine kommerzielle Nutzung – Werbung etc – ansteht, ist ein unterschriebener Model-Release (Zustimmung des Modells zur Bildnutzung) jedenfalls dringend nötig.

    Profis haben mir ein ums andere Mal gesagt, dass sie sich gewissermassen eine nonverbale Zustimmung einholen: Wer klar erkennt, dass er fotografiert wird und vielleicht sogar mit dem Fotografen ins Gespräch kommt, erteilt damit eine (juristisch äusserst wacklige) Zustimmung zur Verwendung des Bildes.

    Neben dem Schutz der Privatsphäre gibt es in manchen Ländern auch das „Recht auf das eigene Bild“, was die Nutzung des Bildes einer Person ohne Einwilligung ausschliesst, wenn diese in einer Porträt-Form abgebildet wird – also in einer gewissen Grösse.

    Und schliesslich ist in manchen Ländern der Schutz der Privatsphäre aufgehoben, wenn eine Person im öffentlichen Interesse steht. Aber auch hier kann man sich die Finger verbrennen: Nicht jeder Prominente lässt sich wie fotografisches Freiwild behandeln, wie einzelne Urteile vor allem aus Deutschland zeigen. Angesichts explodierender Zahlen von Promi-geilen Handy-Fotografen ist wohl künftig mit einer Verschärfung der Lage zu rechnen.

    All das beiseite gelassen, versuche ich das genaue Gegenteil dessen zu tun, was Du vermutest, Martin: ich verstecke die Kamera nicht, wenn mich jemand erblickt, sondern ich zeige umso deutlicher mein Interesse daran, ihn zu fotografieren. Oder ich fange gleich an, ein Bild zu komponieren, nehme mir aber besonders Zeit, die Reaktion der Fotografierten zu beobachten: Wenn kein eindeutiger Protest laut wird, gehe ich von stillschweigender (und häufig lächelnd-freundlicher) Zustimmung aus.

    Aber für Kaffeewerbung würde ich ein solches Bild jedenfalls nicht zu verkaufen wagen…

    Antworten
  2. Puppet Master
    Puppet Master sagte:

    Schliesse mich Martin an, dieser Punkt der Fotografie war auch mir immer eine Unsicherheit.

    Worauf muss man achten und was für Gesetzte / Regeln gibt es. Zumal das wohl auch pro Land D / CH / AT unterschiedlich sein dürft.

    Antworten
  3. Martin Wolf
    Martin Wolf sagte:

    Toller Artikel! Danke für die Einblicke und Tipps.
    Eine Frage habe ich allerdings noch:
    Hast du da irgendwelche Menschen, Verkäufern, etc um Erlaubnis gefragt oder einfach fotografiert und wenn jemand doof geguckt hat, Kamera eben an die Seite gepackt?

    Ich traue mich in einer solchen Menschenmasse so nah an den Leuten nie meine Kamera herauszuholen und einfach so zu fotografieren.

    Würde mich sehr über Rückmeldung freuen!

    Antworten

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] schöne weitere Tipps zum Thema “Fotografieren auf Jahrmärkten” gibt es u.a. bei fokussiert.com und bei […]

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar zu Puppet Master Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert