Fingerübungen – Vogelfotografie: Nah dran ist nicht genug

Vögel gehören wohl zu den beliebtesten Wild-Tiermotiven: Sie sind fast überall anzutreffen. Deshalb ist es aber auch schwieriger, interessante Bilder zu schiessen.

Junger Hawk im Golden Gate Park - etwas langweilig...(© PS)

Eigentlich bin ich am Sonntag auf den Erdbeerhügel im Goldengate-Park spaziert, um den Kolibris aufzulauern. Aber schon unterwegs fragten mich andere Parkgänger, ob ich die Eulen suche oder die Falken (man kennt hier die Parktiere schon fast beim Namen – dabei sind sie alle wild!), und übrigens sässen zwei der Jungfalken (oder Habichte? „Hawks“) oben auf dem Berg gut sichtbar in einer Tanne.


Ich liess also die Kolibris surren und machte mich auf die Suche nach den beiden Falken, die tatsächlich keine drei Meter über den Köpfen der Spaziergänger in einem Pinetree sassen. Die „Session“ mit den Hawks (ich weiss nicht, ob es Habichte oder Falken sind) war eine entspannte Sache, die Bilder dank 400mm (600mm KB) ganz leidlich. Aber einmal mehr wurde mir bei der Durchsicht der rund 200 Aufnahmen deutlich, dass ein gut sichtbares Wildtier im Rahmen noch kein gutes Foto ist.

Mit Vögeln als Motiv schlage ich mich hier in Kalifornien übungshalber am liebsten herum. Zwar ist der ganze Staat ein einziger gigantischer Tierpark, und ich habe in selbst im Schweizer Nationalpark nie solche Ansammlungen an Rehen, Hirschen oder Murmeltieren (ground squirrels) gesehen, wie sie einem hier in nicht nur in der Dämmerung in jeder Kurve des Küstenhighways vors Motorrad traben (ausserdem gibt’s jede Menge Bären und gelegentlich Pumas).

So macht er gleich mehr her! (© ps)Selbst mitten ind er Stadt ist die Artenvielfalt kaum fassbar. In den Strassen San Franciscos begegnet man abends durchaus auch einmal einer Waschbärenfamilie oder einem Paar Coyoten.

Am einfachsten sichtbar aber sind die verschiedenen Vögel, die im Golden Gate Park leben: Neben Enten und Kanada-Gänsen gibt’s mindestens einen Night-Heron, ein halbes Dutzend brütende Blaureiher, ebenso viele grosse Eulen (ich kenne die Art nicht, aber sie haben Pinsel auf den Ohren), Hawks, Truthahn-Geier, Mockingbirds, Bluejays und natürlich die Kolibris.

Sie alle haben eins gemeinsam: Es ist nicht ganz einfach, ihnen für ein gutes Bild nah genug zu kommen. Was mit Gänsen, Enten und den frechen Möwen kein Problem ist, wird bei Blueheron und Hawk ebenso zur Herausforderung wie bei den Kolibris. Mit einem Unterschied: Die grossen Vögel sind leichter zu entdecken und fallen im Geäst auf (ausser den Eulen) – dafür bleiben sie aber meist auf Distanz. Die Kolibris und die übrigen kleineren Gesellen schwirren einem zwar sozusagen um den Kopf, aber für eine vernünftige Aufnahme müsste man sie in unmittelbarer Nähe vor der Linse haben, und das ist nicht einfach zu bewerkstelligen.

Interessant wird der Kolibri, wenn er fliegt oder mir die Zunge rausstreckt (© ps)

Und selbst wenn man sie mal vor dem Objektiv hat, stellen sich weitere Probleme. Sitzende Vögel sind nun mal nicht sonderlich spannend. Allerdings kann man, die nötige Geduld vorausgesetzt, durchaus spannende Momente erwischen: Der eine der beiden Jungfalken gestern tat mir den Gefallen, sich sehr ausgiebig zu strecken, bevor er abhob – und gab dabei eine eher ungewöhnliche Pose ab. Der andere kratzte sich irgendwann und sorgte für ein Bild, das zumindest seine beeindruckenden Krallen zeigt.

Begegnung (© ps)Kampf (© ps)LanzeAndere Beispiele sind der Weissreiher, der gähnte und dabei seine Lanzett-Zunge zeigte. Oder die drei Möwen, die auf einem Zweiplatz-Baum „Reise nach Rom“ spielten und mir eine Kampfszene lieferten.

Aber wirklich beeindruckend sind Vögel eigentlich erst im Flug. Bilder wie diese „Trittbrettfahrer“-Möwe auf einem Adler im Zustoss auf einen Fisch von Winfried Wisniewski sind immer wieder aufs neue faszinierend.

Und dass sie weder auf Zufällen basieren noch leicht zu erzielen sind weiss jeder, der auch nur schon einen prächtigen Vogel überhaupt in der Luft abbilden wollte.

Weisskopfadler: Mit dem langsamen Autofokus nicht zu erhaschen. (© ps)

Diese Serie meines ersten Weisskopf-Adlers (am Lake Shasta in Kalifornien) illustriert bestens das Problem: In den Bäumen sitzend, ist es nur ein langweiliges Bild mehr vom amerikanischen Wappentier. Als sich der Adler dann aber von seinem Ast in die Luft erhob, war ich zwar auf unserem Hausboot nah genug dran und sogar der Hintergrund wäre ideal gewesen, um den Vogel freizustellen – mehr noch, im Vorbeiflug hätte die Sonne sein gefider durchleuchtet – aber ich war zu ungeschickt mit dem schweren Tele, und dessen Autofokus war viel zu langsam, um mit dem dahingleitenden Vogel mitzuhalten. Es wäre wohl meine persönliche Jahres-Topaufnahme geworden.

Blaureiher im Nestanflug (© ps)Ähnliches habe mit allen Vogelarten erlebt, die ich bisher intensiver zu fotografieren versuchte. Die brütenden Blaureiher im Geäst der Pinien am Stow Lake im Golden Gate Park werden schnell langweilig, wenn sie nicht fliegen oder zu fliegen versuchen – und wenn sie es tun, werden sie sofort zu einem um Faktoren schwieriger zu fotografierenden Motiv.

Die Kolibris lassen einen zwar auf zwei Meter herankommen, sind dann aber immer noch sehr klein im Sucher und fliegen dermassen schnell, dass es keine Möglichkeit gibt, ihnen mit der Kamera zu folgen: Die einzige Chance besteht darin, eine der Futterblumen anzuvisieren und zu warten, bis einer der Winzlinge sich daran gütlich tut.

Das wiederum verlangt zwar viel Geduld, aber es hilft, ein weiteres Problem zu Lösen: Der Vogel soll im Bild so plastisch wie möglich wirken und muss deshalb vor einem Hintergrund freigestellt werden, der seine Farben und Konturen betont und ihn nicht darin verschwinden lässt. Hier kamen mit gestern die beiden Junghabichte entgegen: Ihr Gefieder hat noch einen hohen Weissanteil, was auch hilft, sie im Geäst überhaupt zu entdecken. Die Kolibris dagegen sind nur bei bestimmtem Lichteinfall überhaupt so knallbunt, wie man sie von den schönsten Fotos kennt, deshalb ist eine Position mit praller Abendsonne und schattigem Hintergrund ideal.

Was ich (nicht nur gestern, sondern auf vielen Ausflügen auf der Jagd nach Kolibris, Pelikanen, Kormoranen, Truthahn-Geiern und all den Reihern im Golden Gate Park) gelernt habe:

  • Ich bin den Vögeln nie nah genug, egal wie dicht ich dran bin. Deswegen benutzen Naturfotografen Tarnzelte und harren wochenlang aus, bis sie die Vögel wirklich dicht vor der Linse haben.
  • Der Himmel ist ein sehr undankbarer Hintergrund für Vogelbilder – denn so sehen wir die Tiere meistens. Spannender wird es, wenn es gelingt, die Tiere aus einer ungewohnten Perspektive (gleiche Höhe oder sogar von oben herab) zu fotografieren und sie vor einem dunklen, Kontrast bietenden Hintergrund freizustellen.
  • Im Geäst sitzende Vögel sind meist langweilig, egal wie schön oder beeindruckend das Tier im Moment der Aufnahme auf den Fotografen wirkte. Es lohnt sich, auf eine Aktion oder den Abflug zu warten.
  • Fliegende Vögel sind eine enorme Herausforderung an Fokussier-Vermögen und Mitzieh-Fähigkeiten eines Fotografen. Ich nehme an, Übung macht den Meister – und ein schneller Autofokus hilft dem Amateur.
  • Geduld und Erfahrung mit einer speziellen Vogelart sind ein grosser Vorteil. Ich habe die brütenden Blaureiher eine Saison lang fast täglich besucht und einiges über ihr Verhalten gelernt, so dass ich schliesslich wusste, wann die grösste Chance auf Aktivitäten im nest zu erwarten waren. Die Kolibris auf dem Strawberry Hill dagegen schienen sich bei meinen Jogging- und Spazierausflügen auf eine Stelle im Wald für ihr Abendbrot zu konzentrieren, die dank Sonnenlicht und dunklem Hintergrund ideal war – aber stundenlanges Herumsitzen hat dennoch nur wenige halbwegs interessante Bilder ergeben.

[postlist „Fingerübungen“]

5 Kommentare

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] weiss es ein bisschen besser, denn ich habe einige Zeit in Vogelfotografie investiert und auch versucht, diese Tierchen zu fotografieren. Dabei werden zwei Dinge zur Herausforderung: […]

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar zu Fotografie im Juli: Das Beste aus fokussiert.com » fokussiert.com Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert