Floris Neusüss: Traumbilder

Seit den späten Fünfzigern experimentierte Floris Neusüss damit, statt fotografischer Abbilder Traumbilder herzustellen. Also lange vor den Möglichkeiten der digitalen Ära.

Floris Neusüss, Wurzelgesicht, Akademiegarten, München 1959

Floris Neusüss, Wurzelgesicht, Akademiegarten, München 1959

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Bekannt ist Floris Neusüss vor allem mit seinen lebensgroßen Fotogrammen. Die Akt-Fotogramme wurden als „Nudogramme“ bezeichnet und vielfach ausgestellt, die „Traumbilder“ bisher nur selten.

Floris Neusüss‘ Arbeiten aus der Serie der Traumbilder entstammen seiner künstlerischen Frühzeit zwischen 1958 und 1965, wie das Münchner Stadtmuseum mitteilt, wo wir die Bilder bis Oktober sehen können. Die alltägliche Umgebung seiner Studienorte München und Berlin, die Parks der Städte, die Gärten der Akademien, seine Wohnung in der Münchner Türkenstraße werden im Blick seiner Kamera zu rätselhaften Orten von entrückter Schönheit. Die Menschen, die diese Welt bevölkern, scheinen kaum mehr aus Fleisch und Blut, sondern tauchen wie Erscheinungen aus der dichten Vegetation der Parklandschaften auf. Neusüss experimentierte hier mit Belichtungs- und Negativmontagen und trieb der Fotografie so ihre Abbildhaftigkeit aus.

Floris Neusüss, Traumbild, München 1958

Die Serie der Schaufensterbilder zeichnet sich durch eine skizzenhafte Arbeitsweise aus. Auf Neusüss‘ Reisen durch Europa in den Sechzigern und Siebzigern mit der Handkamera fast wie im Vorbeigehen fotografiert, wirken die Bilder wie Notizen aus einem surrealistischen Alltag der Warenwelt.

Floris Neusüss, Selbstbildnis mit Fotogrammen, Atelier Uhlandstraße, Berlin 1962

Die Porträtreihe „VIPs der documenta 5″ mit 36 Bildnissen von Künstlern, Besuchern und Machern der documenta in Kassel 1972 markierte Neusüss‘ Aufbruch zu den Fotoaktionen der Siebzigerjahre. Ursprünglich waren diese lebensgroßen Porträts in einer Kasseler Unterführung installiert, wurden dort aber von einer übereifrigen Stadtreinigung entfernt. Die Ausstellung zeigt erstmals seit 1972 alle 36 Arbeiten der Serie als Neuabzüge, darunter Porträts von Joseph Beuys, Arnulf Rainer oder des Ästhetik-Professors Bazon Brock.

Floris Neusüss, Maßstabsobjekt 1: unendlich bis 1:1, Kassel 1974

In den Fotoarbeiten der Siebziger suchte Neusüss die theoretische wie praktische Auseinandersetzung mit den medialen Voraussetzungen der Fotografie. Sein besonderes Interesse galt der Beziehung von Objekt und fotografischem Abbild sowie den verschiedenen Ebenen eines Bildes. In Aktionen wie „Flugtraum“ oder den „Körperauflösungen“ macht sich Neusüss‘ selbst zum Spielball der Elemente: Er überlässt sein fotografisches Abbild den Wogen der Gezeiten , es wird ein Raub der Flammen oder mit einem Drachen in die Lüfte geschickt.

Floris Neusüss, Figur im Raum, Kassel 1976

Floris Neusüss war bis 2002 Professor für experimentelle Fotografie in Kassel. Zur Münchner Ausstellung anlässlich seines 75. Geburtstages erschien im Juni 2012 der Bildband [amazon 3775733582]Traumbilder: TraumbilderFotografien, 1958 bis 1983[/amazon] im Hatje-Cantz-Verlag, Ostfildern (in englischer Sprache).

Floris Neusüss – Traumbilder
bis 14. Oktober
Münchner Stadtmuseum, St.-Jakobs-Platz 1, D-80331 München
+49-(0)89-233-22370, stadtmuseum(at)muenchen.de
Geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 – 18 Uhr

Floris Neusüss bei Wikipedia
Münchner Stadtmuseum

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