Fotocommunity plus im Test: Viele schöne Bilder

Die Online-fotocommunity findet ihre Fortsetzung Offline: „fotocommunity plus“ ist das Mattpapier-Magazin der Autodidakten-Webplattform. Sie bietet viele tolle Fotos und wenig Systematik.

Fotocommunity plus 2/2009

Foto-Magazine im TestWir testen und bewerten in lockerer Folge Zeitschriften zum Thema Fotografie aus aller Welt - mit Punkttabelle und Fazit.

Es ist seltsam: Während die traditionellen Fachmagazine schon fast verzweifelt versuchen, online Fuss zu fassen, steuern reine Online-Angebote regelmässig in die Domäne der Papiermedien vor. Die Erklärung ist einfach: Im Papiermarkt liegen noch immer weit höhere Werbeinnahmen drin als online. Dieser Versuchung können deshalb auch neuartige Angebote wie die „selbstverwaltete“ Fotocommunity, das grösste Forum von und für Amateurfotografen, nicht widerstehen.

Vierteljährlich erscheint das „interaktive“ Magazin der kostenpflichtigen Fotocommunity. Mit einem Preis von satten 7 Euro 80 ist es nicht von Pappe, auch wenn sich „fotocommunity plus“ schon beim Papier von dem abhebt, was traditionell, aber nicht wirklich Konkurrenz ist.

Seidenmatt statt Hochglanz, viele, großformatig gedruckte und großzügig platzierte Fotos von Lesern statt der ewiggleichen Studio-Produktfotos, lyrische, sachliche und manchmal etwas peinliche Texte über Licht und Fotografie statt endloser Faktentabellen zur neusten Spiegelreflex.

Wir wollen dem Fazit nicht vorgreifen. Die Ausgabe 2/2009 von fotocommunity plus, die wir uns genauer angesehen haben, behandelt laut Titelseite (mit extreme geschminktem und ebenso nachbearbeitetem Modell als Aufhänger) die Themen „Sehen – Wie Licht die Natur beschreibt“, „Machen – Was Highkey in der Praxis bringt“ und „Können – Wer die Stars vor der Linse hat“. Das verspricht doch schon mal mehr Konzentration auf die Fotografie an sich als auf die Fototechnik, wie sie die herkömmlichen Magazine im Hinblick auf Inserate abfeiern – auch wenn die Storybeschreibungen dem üblichen Geschwurbel à la „Alles über Highkey! – Wie sie mit Weiss tolle Bidler gestalten“ sehr nahe kommen.

Die Themenabschnitte bestehen aus zahlreichen Einzelfotos und Artikeln, die sowohl in Ausrichtung als auch Art verschiedener nicht sein könnten – irgendwie scheint es sich um wild zusammengewürfelte Themengebiete zu einem etwas angestrengt gesuchten Gesamtbegriff zu handeln.

fotocommunity plus zeigt teilweise großartige Fotos.

Was man sich beim ersten Thema – Natur- und Landschaftsfotografie -bei den Zwischentiteln wie „Natur im besonderen Licht“ oder „Lichtstrahlen in der Natur“ vorzustellen hat, eröffnet sich erst, wenn man auf die entsprechenden Seiten blättert: Viele Bilder aus dem Fundus der fotocommunity, versehen mit den etwas bunt zusammengewürfelt wirkenden Bildunterschriften der Fotografen. Immer versehen mit deren „fotocommunity“-Adresse, damit man sie – wenn man zahlendes Mitglied dieser Gemeinde ist – kontaktieren und zum Abdruck beglückwünschen kann („interaktives Magazin“). Leider aber sind diese Texte in ihrem Informationsgehalt genauso unterschiedlich wie in ihrer sprachlichen Genießbarkeit. Und genau hier – in den Texten – liegt ein Mangel des Magazins.

Auch wenn die Fotos vielfach von beeindruckender Qualität sind: In einer fotografisch interessierten Gemeinschaft erwarte ich nun mal zu jedem Bild die Basisangaben zur Belichtung und jedenfalls zwei oder drei Sätze zu Absicht, Motiv und Entstehungsweise. Von einem Hochglanz (oder vielmehr Seidenmatt-) Magazin erwarte ich ausserdem eine Fülle an professionell geschriebenen Anleitungen, Service-Texten, Analysen und Expertenkommentaren.

Beim Lesen von fotocommunity plus macht sich deswegen schnell eine leichte Enttäuschung breit, denn es ist nicht zu übersehen, dass die Themengebiete ganz einfach anhand der verfügbaren Fotos von einer Minimalredaktion zusammengestoppelt worden sind, mit einem sehr dünnen roten Faden und ohne textliche Abstimmung oder wirklich lesenswerten Klammertext.

Collagen, erklärt: Details zu den Bildern wie hier sind selten.

Hier zeigt sich eben auch der Unterschied der Ansprüche an eine Online-Community und ein teures Magazin auf Papier, das mich für den noblen Preis eine ganze Weile beschäftigen und mir geballte Ladungen an Inhalten liefern soll. Wenn ich dagegen einfach eine Reihe toller Fotos unter speziellen Lichtverhältnissen in der Natur (Nordlicht, Blitzschlag, Nebel, Alpenglühen etc. sehen und studieren will, eignet sich eine Webplattform trotz ihrer unterschiedlichen Beschreibungen wesentlich besser. Hier kann ich ja auch schnell eine Frage an den Fotografen abschicken – im Zug, beim Durchblättern des Papiermagazins, frustriert mich die Kürze oder gar die Themenfremdheit der Kommentare der Fotografinnen dagegen eher.

Die ersten vierzig der 100 Seiten „fotocommunity plus“ erweisen sich leider als, wenn auch schön gestalteter, aber inhaltlich nicht um das „plus“ angereicherter Abklatsch des Online-Forums. Daran ändern auch die Einleitungen vor den einzelnen Abschnitten nichts, die vom Stil her der Textverarbeitung eines gewandten Redakteurs entstammen, der gelernt hat, zu wenig Substanz ein paar elegante Sätze zusammenzuhacken, die das kunterbunte Sammelsurium irgendwie unter ein Dach bringen sollen.

fotocommunity plus zu Highkey-Aufnahmen: Wie geht das in Photoshop?

Im nächsten Teil des Hefts geht es um Highkey-Aufnahmen. Auf eine eher seltsam-untechnische Definition, die wiederum aus einer Mischung von Redakteurs-Geschreibse und Wikipedia-Stilistik besteht, folgt zunächst eine lange Strecke von wild zusammengesucht scheinenden Mitglieder-Bildern, von denen auch noch der grösste Teil nicht wirkliche Highkey-Aufnahmen sind, sondern in Photoshop dazu gemacht wurden. Teils mit Entstehungsgeschichte angereichert, mit mehr oder weniger lesenswerten, kurzen Aufsätzen der Fotografen versehen: Es wirkt alles wie das, was es wahrscheinlich ist: In der FC zusammengesuchte Leserbeiträge.

Story über den Promi-Fotografen Stephan Pick: Vornehmlich Bilder, wenig Information, keine Geschichte.

Und so geht es denn weiter, bis hin zur Anleitung, wie man auf fotocommunity zu vielen Bildkommentaren anderer Benutzer kommt etc. Wer Mitglied der fotocommunity ist, fühlt sich schnell daheim; wer’s nicht ist, hat den Eindruck, für einen ziemlich hohen Eintrittspreis in eine verschworene Gesellschaft mehr oder minder begabter Fotografen, vor allem aber Autoren, geraten zu sein – und ob Mitglied oder nicht, man fragt sich unweigerlich, ob Papier das richtige Medium für diese Art von „user generated content“ ist.

Fazit:

Die fotocommunity.de ist eine aktive und grosse Gemeinde engagierter Foto-Amateure, unter denen sich viele mit beeindruckenden fotografischen Kenntnissen, künstlerischem Talent, Autorenbegabung oder technischem Wissen befinden.

fotocommunity plus - Anleitung: Viel 'wie', aber kein 'warum'.

Wer sich online einer solchen Gemeinschaft anschliesst, lässt sich auf den Diskurs mit Gleichsinnten ein und weiß, dass er keine Ansprüche erheben kann und dass mal dies, mal jenes besser zur Geltung kommen wird.

Aber wer ein professionell aufgemachtes Heft für einen verhältnismäßig hohen Preis am Kiosk ersteht, erwartet eine geballte Ladung nicht nur professionell aufgemachter, sondern auch professionell konzipierter und geschriebener Information auf gleichbleibend hohem Niveau.

Diesen Anspruch kann fotocommunity plus in keiner Weise einlösen. Die einzige vermeintlich redaktionell verfasste Story in der Ausgabe 2/2009 über den promi-Fotografen Stephan Pick erweist sich als Sammlung seiner Arbeiten mit erweiterten Kommentaren und ein kurzes „Making- Of“ eines Shootings, aus dem über die Arbeit des Fotografen selber nicht viel zu erfahren ist.

Erfreulich an dem Heft sind die vielen hochwertigen Fotos und die Gewichtung auf Fotografie an sich und den künstlerischen Anspruch. Aber wenn alles, was ich daraus lerne, auf die gleichen Kommentare zurückzuführen ist, welche die Fotografen schon online in der Community hinterlassen haben, brauche ich das Magazin nicht auf Papier.

Es drängt sich ein wenig der Verdacht auf, dass das Heft ein Bonus für einige der Community-Mitglieder sein soll, die sich endlich einmal auf Papier gedruckt sehen – und die gesamte Verwandschaft zum Kauf des Heftes anhalten.

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„fotocommunity plus“ im Test
Verständlichkeit ******
Tiefgang ******
Nutzernähe ******
Aufmachung ******
Aktualität ******
Zusatznutzen (online) ******
Originalität ******
Präsentation ******
Sehschulung ******
Gesamtbewertung 30/54

[postlist „Fachmagazin-Test“]

5 Kommentare
  1. bee
    bee sagte:

    Auch ich schließe mich deiner Meinung an. Hatte im Vorfeld eine Lobeshymne auf dieses Heft gelesen, es voller Vorfreude gekauft – und war doch arg enttäuscht. Trotz der vielen Seiten ist an dem Heft irgendwie nicht „viel dran“, und ich hatte es allzu schnell durch. Nur wenige Seiten werde ich mir nochmal in Ruhe ansehen…

    Fazit: Das Geld lieber für ein großes Eis ausgeben.

    Antworten
  2. Blue
    Blue sagte:

    Sowas schimpft sich dann im Hintergrund als „User generated Content“ – auch Tageszeitungen bringen vermehrt Extra-Teile, die direkt von Lesern selbst verfasst werden, vorzugsweise auf den Webseiten der Zeitungen – ganz nach dem Motto: Lass die doch schreiben, wir kassieren! Das da die Qualität auf der Strecke bleibt, bestätigt sich erneut leider. Vielen Dank für die Rezension, kann dem nur beipflichten.
    Grüße Blue

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