Gegenlicht: Sonne im Herzen

Direktes Gegenlicht muss nicht zu Silhouetten führen. Bei näherem Hinsehen bringt eine Kontrasterhöhung so manch interessantes Detail zum Vorschein.


Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Michael Krehl).

Kommentar des Fotografen:

Light-Show auf Phönix-West in Dortmund. Kunst-Standort war das ehemalige Stahlwerks-Gelände Phönix schon häufiger, z.B. mit nächtlichen Lichtinstallationen. An diesem wolkenlosen Spätnachmittag am 30. Januar 2009 um 15.30 Uhr hat mir Sonne und Gegenlicht eine Light-Show mit grünem Ausrufungszeichen auf dem Gasometer beschert.

Profi Thomas Rathay meint zum Bild von Michael Krehl:

Ein (ver)alt(et)er Fotografenspruch ist mir immer noch im Ohr: „Sonne im Rücken bringt Fotografenentzücken!“ Und oftmals werde ich auch heute noch angesprochen, ob ich denn wirklich gegen die Sonne fotografieren will.

Ja, ich will. Sage ich dann meistens (muss natürlich schon mal gucken, wer mir so gegenübersteht ;-)). Denn gerade im Gegenlicht kommen viele Motive erst richtig zur Geltung. Mein Fotodesign-Dozent hatte einen anderen Spruch parat:

„Ein Foto ohne Gegenlicht ist ein schlechtes Foto!“

Nun, genug der Anekdoten. Es ist immer situationsabhängig, welches Licht und in welcher Kombination das passende ist.

Wie wir an dem Bild Michaels sehr gut erkennen können, ist direktes Gegenlicht schon sehr grenzwertig. Nicht nur weil diese Blendenflecken (auch lens flare = Linsenlichtreflex genannt) dabei entstehen, sondern weil durch das Streulicht das gesamte Bild flauer wird.

Das heißt, der Kontrast ist nicht mehr so hoch, besonders Farbkontraste werden durch die so genannte Schleierbildung der Objektive abgeschwächt. Beides, die Blendenflecke und der Kontrastverlust, ist von der Güte des verwendeten Objektivs und der eingestellten Blende abhängig. Auszuschließen ist es aber in einer solchen Situation nie.

Da unser Auge in manchen Situationen selbst solche Reflexe erzeugt, nehmen wir sie meist auch auf Bildern als natürlich wahr und tolerieren sie. So wie Michael diese Linsenreflektion hier sogar als Gestaltungsmittel eingesetzt hat, hat das Ganze schon künstlerischen Wert.

Allerdings würde ich das nicht so stehen lassen, respektive veröffentlichen. Im Nachhinein kann man den Kontrast noch etwas steigern und somit die Gefälligkeit des Bildes noch erhöhen. Und manchmal kommen wie hier noch interessante Details zum Vorschein.

Ein weiterer Nachteil der Gegenlichtfotografie ist es nämlich, dass man „einen Tod sterben“ muss: Entweder ist der Himmel überbelichtet und dafür etwas Zeichnung im Gasometer, oder das Gebäude ist nur noch eine Silhouette.

Na gut, eine Belichtungsreihe und daraus ein HDR-Bild anfertigen ginge auch noch, aber das ist hier nicht Thema.

Ein Herz

Da Michael noch etwas Zeichnung im Turm gelassen hat, entdeckte ich beim aufteilen der Gradation dieses kleine Herz am Turm.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
Mehr über die Profi-Bildkritik erfahren / Eigene Bilder zur Kritik einreichen.

5 Kommentare
  1. Horst Kloever
    Horst Kloever sagte:

    Der Ansatz ist gut und geschickt gebändigtes Gegenlicht nie verkehrt. Mir fehlt ein wenig die Anregung, die über das Einzelbild hinausgeht, z. B. der Verweis auf die Bechers, die aus einfachen Bildern von Industriebauten eines der herausragenden Werke der Fotografie des 20. Jahrhunderts geschaffen haben. Warum ihnen nicht nacheifern, auch in Farbe und im Gegenlicht, um etwas eigenes zu schaffen, das übers Einzelbild hinausweist?
    Bildbeispiel Bernd und Hilla Becher

    Antworten
  2. Corinne ZS
    Corinne ZS sagte:

    @Uwe: Ich verstehe den Einwand und möchte gerne wissen: Welche Bilder, die hier vorgestellt wurden, erfüllen Deinen Anspruch? Es gibt doch sicher welche.

    Was mir manchmal fehlt, sind Kommentare – dass zu Bildern wie „Industrielandschaft: Ablenkung auslassen“ oder „Der Stahlkrake: Tolle Linien“ niemand etwas zu sagen hat, ist mir ein Rätsel.

    Antworten
  3. Michael Krehl
    Michael Krehl sagte:

    Hallo Thomas Rathay,
    vielen Dank für deine Bildkritik, die mich sehr gefreut hat und die ich als sehr hilfreich empfinde.
    Ich fotografiere seit vielen Jahren mal mehr und mal weniger doch erst seit Oktober 2007 bin ich bei der Digitalfotografie angelangt. Bei jeder Fototour mit meiner D80 und der anschließenden Bildbearbeitung lerne ich etwas dazu. Das Herz in meinem Foto hatte ich selbst bisher noch gar nicht entdeckt. Es sind sogar noch weitere Graffiti auf dem Gasometer. Die sind mir vielleicht deshalb gar nicht als motivwürdig aufgefallen, weil es deren so viele in Dortmund (gerade auch an alten Industrieanlagen) gibt.
    Ich werde mich nun jetzt erst einmal mit „Aufteilung von Gradation“ beschäftigen (müssen). Mit Belichtungsreihen habe ich mich schon beschäftigt. Ob ich mich der Anfertigung eines HDR-Bildes aus einer Belichtungsreihe anfreunden kann, weiß ich nicht. Ich bin da eher (analog) puristisch und will das ablichten was man auch wirklich mit dem Auge (oder mit Hilfe eines Fernglases )sehen und erkennen (und empfinden) kann.
    Wenn ich mit mein Foto heute so anschaue bin den „einen Tod“ bei der Gegenlichtfotografie ganz gern gestorben. Der wolkenlose Himmel ist eben im Gegenlicht gar nicht mehr so strahlend blau wie mit Licht im Rücken. Ich hatte eine halbe Stunde früher auch Fotos von der anderen Seite des Gasometers gemacht, fand sie aber im Nachhinein langweilig. Gasometer in Farbe und blauer Himmel eben.
    Nach meiner Entdeckung von „fokussiert.com“ habe ich mich zunächst gar nicht getraut ein Foto zu einzuschicken. Deine Bildkritik gibt mir Mut und Ansporn demnächst mal wieder mit einem Foto vorsichtig anzuklopfen.

    Michael Krehl

    Antworten
  4. Thorsten Olbrich
    Thorsten Olbrich sagte:

    Wenn ich super Fotos ansehen will geh ich in eine Ausstellung oder Kauf mir Bildbände.
    Wenn ich aber was lernen will gehe ich auf Fokussiert.com und sehe mir die Leserbilder an und lese aufmerksam die Meinungen der Autoren. Auch wenn ich nicht immer mit ihnen einer Meinung bin lernt man aus den Fehlern anderer meist mehr als von einer perfekten Fotografie. Das ist nämlich genau das worum es in den Leserbildern geht.
    Lernen

    Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar zu Horst Kloever Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert