Gegenlichtfotografie: Auf der Lauer

Die besten Bilder entstehen oft spontan, aus der Situation heraus

gegenlicht-Fotografie, © Jens Friedrich

Gegenlicht-Fotografie, Olympus Stylus 1, 1/800s bei Blende 6,3 mit 108 mm Brennweite und ISO 100, © Jens Friedrich

Jens Friedrich aus Bludenz schreibt zu diesem Bild: Nach einer lange Bus-Fahrt bin ich morgens in Berlin angekommen und bin mit meiner Kompakten Olympus sofort auf Street-Erkundungstour gegangen. Dieses Bild ist bereits an der Unterführung vom ZOB Richtung S-Bahn entstanden.
Ich habe das perfekte Gegenlicht gesehen und für 20 Minuten verschiedene Bildkonzepte ausprobiert und die Belichtung so angepasst, dass der Hintergrund richtig ausbrennt.
In Lightroom hab ich dann nur noch 1zu1 beschnitten, SW umgewandet, den Kontrast und Klarheit noch etwas erhöht sowie eine leichte Vignette hinzugefügt.

Herzlichen Glückwunsch, Jens! Du hast mit deinem Bild eine motivliche Situation wahrgenommen, wobei du wohl schon eine klare Vorstellung hattest, wie das Foto nach dem Auslösen aussehen soll. 

Ich habe mal einen Artikel zur herangehensweise Motive zu erkennen geschrieben. Dein Bild würde auch gut in diese Serie passen.

Unterführungen sind hervorragend, geeignet um mit Gegenlicht oder mit Lichtkontrasten gute Streetfotos zu schießen: Man kann den Bildausschnitt in Ruhe auswählen und wartet mit dem Auslösen, bis eine Person in der richtigen Position das Bild betritt. Als weitere „Streetkomponente“ ist auch eine Treppe im Spiel, die hier etwas mehr Spannung ins Bild einbringt.

Bemerkenswert finde ich, dass du verschiedene Bildkonzepte zu Belichtung und Bildschnitt ausprobiert hast, denn wenn man die Zeit dazu hat, ergeben oft auch andere Bildkompositionen ein besseres, augenfreundlicheres Bild als andere. Auch durch die kurz gewählte Verschlusszeit (Belichtungszeit) von 1/800 Sekunden warst du auf der sicheren Seite, die Person „scharf“ abzubilden, ein Wischerbild hätte hier nicht so gut gepasst.

[amazon  3864903920]Gegenlicht[/amazon], das von vielen Fotografen leider immer noch gemieden wird, stellt das perfekte Licht für Scherenschnittmotive. Bei dieser Art von braucht man auch keine datenschützerischen Bedenken vor der Veröffentlichung zu haben, da man die Person/-en im Bild eh nicht erkennen kann.

Das Gegenlicht abstrahiert auch deine Aufnahme. Du hast sie zwar nachträglich in schwarzweiß umgewandelt, aber wahrscheinlich war auch das Original-Farbbild schon fast monochrom. Durch Erhöhung des Kontrastes und der Klarheit werden der Hell-/Dunkeleffekt und die „Klarheit“ des Bildes noch verstärkt.

Der Klarheitsregler (in Lightroom/RAW-Konverter) erhöht allerdings vor allem den Mittelkontrast, was bedeutet, das die Person wieder deutlicher erkennbarer wird, wenn man sich das Bild in einem etwas größerem Format anschaut.

Dem kannst du entgegenwirken, indem du mit dem Pinselwerkzeug und den Einstellungen „Klarheit zurücknehmen“ und „Tiefen verstärken“ nur die Person gezielt übermalst.

Der quadratische Schnitt zeigt in der unteren Hälfte eine große “leere“ Fläche, die dem Bild nicht unbedingt zuträglich ist. Daher hätte ich den Vorschlag dein Bild etwas zu beschneiden, so wie hier gezeigt.

Gegenlichtaufnahme, Vorschlag für Beschnitt

Gegenlichtaufnahme: Vorschlag Beschnitt

 

Gegenlichtfotografie Linienführung

Linienführung

Jetzt läuft auch zumindest eine Linie des Treppengeländers ins Bild hinein (rote Linie) und leitet das Auge des Betrachters zu der Person, die jetzt auch eine gute Position in der Drittelteilung (blaue Linien) hat.

11 Kommentare
  1. fherb
    fherb sagte:

    Ich finde die quadratische Variante auch spannender. Der Beschnitten von Carsten entspricht zwar viel besser den allgemeinen Regeln, macht das Bild damit tatsächlich harmonischer im Aufbau. Es ist den Sehgewohnheiten dann angepasster. Aber man muss sich entscheiden zwischen Harmonie und Spannung.

    Antworten
    • Jens
      Jens sagte:

      Hallo Fherb,

      es gibt immer Vor- und Nachteile und zum Glück lassen sich Dinge wie Geschmack, Spannung und Harmonie nie ganz in Formeln pressen. Ich versuche die „Regeln“ einzuhalten, entscheide am Ende aber trotzdem manchmal dagegen.
      1zu1 ist kein spannendes Format aber hier passts für mich am besten.

      Grüße
      Jens

  2. Lehmann
    Lehmann sagte:

    Hallo Jens,

    Starke Aufnahme!
    Mir persönlich gefällt auch die Perspektive von unten nach oben im Besonderen.
    Was ich auch sehr reizvoll finde, wenn Gegenstände (Objekte), sowie das leicht verschwommene Treppengeländer linksbündig in den Focus mit einbezogen wird. Schwarz und Weiß ist hier eine klasse Wahl! Die ganze Komposition aus Bildausschnitt, Bildaufbau und Motiv finde ich sehr ansprechend! Ich kann mich nicht ausdrücken, wie ein professioneller Fotograf, aber ich versuche es auf diese Weise :)

    Antworten
    • Jens
      Jens sagte:

      Hi Lehmann,

      bin auch kein Profi, also alles bestens. Danke für deinen netten Kommentar.
      Ich mag den Spruch: „Vordergrund macht Bild gesund“ und deshalb versuche ich möglichst eine paar Ebenen im Bild zu verwenden.
      Wenn du magst sind noch hier ein paar mehr Bilder von mir zu sehen:
      http://www.flickr.com/photos/jensfriedrich/

      Gut Licht und viele Grüße
      Jens

  3. ullrich
    ullrich sagte:

    Was mir an dem Bild gefällt: dass eine abstrakte Szenerie durch das Auftauchen der Silouhette zum konkreten Raum wird.
    Ich bin da ganz bei Stefan – durch den Beschnitt geht der Raum verloren. Und mit ihm die Dramatik des Auftritts von oben.
    Fazit: Nicht beschneiden!

    Antworten
    • Jens
      Jens sagte:

      Hallo Ullrich,

      Danke für deinen Kommentar. Ich bin mir auch nicht wirklich schlüssig welcher Beschnitt der bessere ist. Für mich passt 1zu1 hier recht gut.
      Hab mich in letzter Zeit sehr viel mit Silhouetten und der Streetfotografie beschäftigt.
      Ein paar Beispiele findet man hier:
      http://www.flickr.com/photos/jensfriedrich/
      Über Besuch freue ich mich natürlich sehr.

      Viele Grüße
      Jens

  4. Jens
    Jens sagte:

    Puhhhhhh… Womit wir wieder beim „meine Kamera ist besser“ wären.
    Neues Jahr neue Kameras. Das Spiel kann man auf ewig weiterspielen und das Geschäft anheizen.
    Dann geh ich lieber mit meiner Kompaktkamera raus. Ja, ich weiß damit werde ich nicht ernst genommen. Fakt ist aber dass man auch mit der neusten Kamera schlechte Katzenfotos machen kann.
    Auf der Straße ist dieses unauffällige sogar von enormen Vorteil.

    Zum Bild: Ich war sofort schwer beeindruckt von der schönen Stimmung. Den Farbstich finde ich auch sehr passend.
    Gestalterisch schließe ich mich der Kritik an. Fast perfekt nur fehlen mir auch die Hände.
    Ich fühle geradezu den Sand auf der haut.

    Gruß
    Jens

    Antworten
  5. Stefan
    Stefan sagte:

    Tolle Aufnahme, an der man kaum was verbessern kann. Schon gar nicht durch Beschnitt im Querformat. Im QF wirkt das Bild platt und langweilig, eben Schema F der Bildgestaltung. Die „Leere“ des 1:1-Formats trägt viel zur Faszination der Aufnahme bei. Mehr Räumlichkeit durch das Geländer, das im Vordergrund unscharf wird; die Treppe wirkt höher und die nur als Striche erkennbaren Stufen sind für mich wichtiger Teil der Aufnahme.

    Antworten
  6. Jens
    Jens sagte:

    Hallo Carsten,

    vielen Dank für die ausführliche Bildbesprechung!
    Besonders interessant für mich ist, dass LR mit Klarheit die Mittenkontraste erhöht.
    Da ich Gegenlichtaufnahmen liebe werde ich wohl in Zukunft mit Klarheit aufpassen bzw diese lokal wieder wegpinseln.
    Den Beschnitt im Querformat finde ich auch sehr spannend.

    Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar zu Jens Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert