Gerda Taro: Die Fotografin als Kriegsheldin

Gerda Taro war vielleicht die erste weibliche Kriegsreporterin und wurde zur Kriegsheldin. Lange stand sie im Schatten ihres Gefährten Robert Capa.

Gerda Taro: Republikanische Milizionärin beim Training am Strand, in der Nähe von Barcelona, August 1936, © International Center of Photography

Jetzt, im Jahr ihres hundertsten Geburstages wird ihre Arbeit richtig sichtbar. Ihre Bilder werden aktuell in einer umfassenden Ausstellung präsentiert, an ihrem Geburtsort Stuttgart.

Gerda Taro gilt heute als Pionierin der Kriegsfotografie. Die Jüdin, 1910 geboren, war vor den Nationalsozialisten nach Paris geflohen. Zusammen mit Robert Capa, dem späteren Begründer der Fotoagentur Magnum, brach sie 1936 nach Spanien auf, um über den Kampf der Republikaner gegen Francos Faschisten zu berichten. Auf der Suche nach authentischen Bildern entstanden zwischen August 1936 und Juli 1937 Aufnahmen, die das Leid, aber auch das Leben der spanischen Bevölkerung in und mit dem Krieg aus der Nahsicht dokumentieren und einen neuen Weg in der Kriegsberichterstattung beschreiten. Taro starb 1937 bei einem Unfall während eines Rückzugsgefechtes in der Nähe von Brunete.

© International Center of Photography

Im linksintellektuellen Milieu von Paris wird aus der Emigrantin Gerta Pohorylle – so ihr Geburtsname – die Bildreporterin Gerda Taro. Durch die Arbeit in einer Bildagentur und private Kontakte zu Fotografen eignet sie sich das professionelle Handwerkszeug an. In dieser Zeit wird aus der privaten Liaison zwischen Gerta Pohorylle und André Friedmann die berufliche Verbindung Taro-Capa. Stand zunächst noch die Platzierung der „Marke“ Capa im Vordergrund, emanzipiert sich Gerda Taro im Laufe der nächsten Monate zu einer unter eigenem Namen arbeitenden Kriegsfotografin. Das Fotografenpaar kommt am 5. August 1936 in Barcelona an, als die Straßenschlachten und Barrikadenkämpfe zwischen rechten Putschisten und Republikanhängern gerade vorbei sind.

Gerda Taro: Rekrutierung und Training der neuen Volksarmee, Valencia, März 1937, © International Center of Photography

Taros Aufnahmen zeigen die Bewohner der katalanischen Hauptstadt, uniformiert in Arbeiterhosen und Milizoverall (dem so genannten Mono Azul), bei ihrer Rückkehr in den Alltag: Paare im Café mit Gewehr in der Hand, Frauen beim Waffentraining am Strand oder Kinder in Milizkleidung, die auf verlassenen Barrikaden spielen. Der Ruf nach Revolution schwingt in diesen Bildern mit. Auch entlang der Aragon-Front herrscht zu diesem Zeitpunkt weitgehend Waffenruhe. Auf den Fotografien von diesem Frontabschnitt sind Milizeinheiten zu sehen, die sich im Gelände üben, und Bauern beim Einbringen der Ernte. Mit dem Eingreifen italienischer und deutscher Truppen auf Seiten der Aufständischen verändert sich der Krieg und mit ihm die Bilder. Großflächige Bombardements ganzer Städte und die gezielten Angriffe auf die Zivilbevölkerung hinterlassen ein bisher nicht gekanntes Maß an Zerstörung.

Gerda Taro: Zwei republikanische Soldaten mit einem Soldaten auf einer Trage, Navacerradapass, Segovia-Front, Ende Mai – Anfang Juni 1937, © International Center of Photography

Am 1. August 1937 geben tausende Menschen Gerda Taro auf dem Weg zu ihrer Grabstätte auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise das letzte Geleit. Die junge Fotoreporterin – sie wäre an diesem Augustsonntag 27 Jahre alt geworden – war wenige Tage zuvor an den Folgen eines Unfalls gestorben, der sich während eines Angriffes der deutschen Legion Condor auf die sich auflösenden Reihen der spanischen Volksarmee an der Brunetefront ereignete. Mit ihrem Tod setzt in der linken Presse eine Stilisierung zur selbstlosen, sich aufopfernden Heldin ein, die in Erfüllung ihrer Pflicht, nämlich dem antifaschistischen Kampf, ihr Leben verlor – eine Jeanne d’Arc der Volksfront. Trauerfeier und Begräbnis geraten zur politischen Demonstration.

Gerda Taro: Junge mit Kappe der FAI (Anarchistische iberische Föderation), Barcelona, August 1936, © International Center of Photography

Doch bereits kurze Zeit später ist der Name Gerda Taro von den Titelseiten verschwunden, ebenso wie die Nachrichten aus Spanien. Neue Krisenherde und kriegerische Auseinandersetzungen rücken ins Zentrum des öffentlichen Interesses. Viele Jahre stehen Taro und ihr fotografisches Werk im Schatten ihres Kollegen und Lebensgefährten Robert Capa. Dieser war inzwischen zu einem der berühmtesten Kriegsfotografen der Welt geworden und lieferte weiterhin spektakuläre Fotos aus den Krisengebieten der Welt. Siehe dazu den Beitrag bei fokussiert.com: Die Geheimisse des mexikanischen Koffers.

Fred Stein: Gerda Taro und Robert Capa, Paris, 1935, © Fred Stein/International Center of Photography

Capas „Falling Soldier“ wurde zu einer Ikone des Spanischen Bürgerkrieges und steht heute mehr denn je im Zentrum einer Diskussion zum Umgang mit Bildmedien und Authentizität innerhalb der Geschichte der Kriegsfotografie. Durch eine Umbenennung der Autorenschaft zu Gunsten von Robert Capa erfuhren Gerda Taros Arbeiten eine Aufwertung und waren weiterhin marktfähig. Zugleich aber verschwand Taro aus der kollektiven Erinnerung. Erst die Entdeckung zahlreicher Negative aus dem Spanischen Bürgerkrieg machten eine Neubewertung beider Werke möglich. Die Stuttgarter Autorin Irme Schaber hat in einer Biografie [amazon 3865219454]Gerda Taro[/amazon] wiederentdeckt, erschienen bei Steidl in Göttingen (in englischer Sprache).

Gerda Taro – Krieg im Fokus
Bis 16. Mai
Kunstmuseum Stuttgart, Kleiner Schlossplatz 1, D-70173 Stuttgart
+49 (0) 711 – 216 21 88, info@kunstmuseum-stuttgart.de
Geöffnet Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 10 – 18 Uhr, Mittwoch und Freitag 10 – 21 Uhr, Karfreitag geschlossen. Alle anderen Feiertage 10 – 18 Uhr geöffnet, auch Ostermontag und Pfingstmontag

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Kunstmuseum Stuttgart

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