Güterwagenstellwerk Hagen: Endstation Bildrand

Linien, die in einen Fluchtpunkt laufen, sind ein dankbares grafisches Motiv. Bei Bahnanlagen spielt dabei der Horizont eine zusätzliche Rolle.Dort sollte ein wenig Raum dem Blick Auslauf gewähren.

Der Gueterbahnhof - schwarz-Weiss-Foto

Güterbahnhof Hagen. Nikon D5300 1/250s bei f/7 mit 18mm Brennweite und ISO 100

Sebastian Jonton aus Herten schreibt zu diesem Bild: Das Bild ist in Hagen entstanden.
Es ist mit der Nikon D5300 und dem 18-105er Kit aufgenommen. Blende 7,1 (sollte ne 8 sein) und 1/250 Sekunden belichtet. Ich wollte einen alten etwas fischäugigen Look erzeugen. Die Ausrichtung hätte besser sein können, da ich ein Stück Himmel wegschneiden musste…

Wenige Erfindungen der Menschheitsgeschichte sind mit mehr Symbolik belegt als die Eisenbahn und das Bild von Eisenbahnschienen. Ihre kompromisslose Gradlinigkeit und die gleichmässige Struktur sind ein Motivmagnet für Fotografen.

Hier sehen wir in einer leicht getönten Schwarz-Weiss-Fotografie einen Güterbahnhof. Wir blicken von oben, wahrscheinlich von einer Brücke, aufs Gleisfeld, das sich nach hinten in die Aufnahme erstreckt bis fast ganz an den oberen Rand. Die meisten Gleise sind im Vordergrund leer, in der rechten Bildhälfte erstreckt sich ein Güterzug, dessen uns am nächsten liegende Wagen mit Rohren beladen sind, bis fast zu uns. In der linken Bildhälfte dominiert ein kürzerer, leerer Muldenzug. Das Bild hat eine starke Symmetrieachse in der Vertikalen, die Blickrichtung ist geradewegs auf den Fluchtpunkt ausgerichtet.

Beim Betrachten dieser Aufnahme ist es tatsächlich nicht ganz einfach, sofort zu erkennen, aus welcher Zeit sie stammt – oder aus welcher Zeit der Bahnhof stammt. Erst Details wie die Tankwagen hinten rechts, die Menge an Kabeln und die Betonschwellen im Vordergrund geben nach und nach preis, dass es sich um eine zeitgenössische Aufnahme handelt.

Du hast mit dem Weitwinkel und einer für den frühen Nachmittag und die nicht sehr stark geschlossene Blende relativ langen Belichtungszeit gearbeitet und den Kontrast in der Schwarz-Weiss-Umwandlung offenbar betont. In den Schattenregionen säuft das Schwarz fast ganz ab, die nahezu weissen Betonplatten-Pfade sind neben den Waggons grade noch erkennbar, weitere Zeichnung fehlt.

Als Stilmittel ist das grade bei einer durch die klaren Linien derart dominierten Aufnahme durchaus am Platz: Hier sollen Linien das Auge lenken und keine Details in allen Grauschattierungen ablenken.

Die Komposition, sprich namentlich die Ausrichtung exakt parallel zu den Schienensträngen mit einer eindeutigen Mitte verstärkt diesen Linienbezug weiter. Hier zeigt alles in die ferne, auf den Fluchtpunkt zu. Ausser den Senkrechten: Die kippen, je weiter aussen gegen die Bildränder sie liegen, immer mehr nach aussen weg.

Möglich, dass das zu einem Fischaugen-Look beiträgt, den Du angestrebt hast – ich habe interessehalber mal die Verzerrung rausgenommen und die Senkrechten in Lightroom mit den „Objektivkorrekturen“ und dort mit der manuellen vertikalen Entzerrung ins Lot gestellt.

Verzerrung behoben

Verzerrung behoben

Das kostet Bildinhalt an den oberen Rändern der Aufnahme, weshalb die Aufnahme vor Ort grosszügiger komponiert werden muss.

Du wolltest einen altertümlichen Look erzeugen, und das ist Dir, finde ich, recht gut gelungen. Ob die wegkippenden Vertikalen dazu beitragen oder nicht, finde ich einen interessanten Diskussionspunkt. Einen ins Auge stechenden Mangel des Bildes hast Du auch schon selber erwähnt: Das Stück Himmel, das Du wegschneiden musstest, würde mich brennend interessieren. Der Fluchtpunkt, auf den alle Linien zulaufen, liegt so nämlich  zwar noch im Bildrahmen, aber er klebt sozusagen in der Mitte am oberen Bildrand.

Das heisst, dass Du die Blicke aller Betrachter überall im Bild auffängst und ohne Ablenkung direkt in den Fluchtpunkt führst – wo es aber fast nichts mehr zu sehen oder auch nur ahnen gibt, weil wir mit den Augen am oberen Bildrand anstossen.

Ich habe deswegen dem Bild einen sehr groben zusätzlichen Himmel spendiert, um zu zeigen, dass es nicht viel braucht, um den Betrachtern die Luft zu geben, die sie für Ihre Sehnsüchte, ihren Fernblick oder was immer der Fluchtpunkt für sie bedeutet, brauchen.

Ich habe das Bild ausserdem mit der Sepiatönung aus den Lightroom-Voreinstellungen versehen, um den altertümlichen Look anders als durch die Verzerrung herzustellen.

Um ein Stück Himmel ergänzt (nur Anschauung!) und Sepiatönung)

Um ein Stück Himmel ergänzt (nur Anschauung!) und Sepiatönung)

 

2 Kommentare
  1. Steffen
    Steffen sagte:

    Schöne Bildbesprechung. Insbesondere die überarbeitete Variante zeigt für mich mal wieder wie aus einem mittelmäßigen Bild mit einem kleinen Fehler dann recht schnell ein wirklich stark wirkendes Bild entsteht.

    Viele Grüße
    Steffen

    Antworten

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  1. […] Problem hat Peter Sennhauser in seiner Besprechung des Fotos vom Güterwagenstellwerk in Hagen bereits sehr treffend […]

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