Gurken-Architektur: Dreieck für Stärke und Stabilität

Wenn du dein Motiv nicht nur als ein Objekt, sondern auch als eine Form betrachtest, kannst du dessen geometrische Stärken nutzen, um die Elemente deiner Bildkomposition zu verstärken.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Rebecca Krebs).

Kommentar der Fotografin:

Das Bild zeigt den Swiss Re Tower in London. Mit der Aufnahme wollte ich die Stärke des Gebäudes aufzeigen.

Profi Douglas Abuelo meint zum Bild von Rebecca Krebs:

Ich glaube nicht, dass die Fotografin mit dieser Aufnahme ihr Ziel erreicht hat, die Stärke des Swiss Re Towers (besser bekannt als der „Gherkin“) aufzuzeigen. Ich glaube, dass sie ein ansprechendes, wenn auch durchschnittliches Touristenfoto gemacht hat.

Aber mal abgesehen von ihren Absichten; es ist der Fotografin gelungen, mit dem Gebäude und dessen äußeren Mustern den linken Bildvordergrund auszufüllen und unsere Augen dann zu den Gebäuden im Hintergrund zu führen. Sie hat die Perspektive ziemlich effektiv gewählt. Die Tonabstufung von den Schatten im linken unteren Bildrand über mittlere Töne bis hin zu den hellen Wolken oben im Bild verstärkt die Wahrnehmung von Tiefe und Richtung.

Zugegeben, auf diesem Foto wirkt der Gherkin groß und dominant relativ zu den anderen Gebäuden – aber seine absolute Mächtigkeit und seine Stärke kommen nicht richtig rüber.

Der Gherkin, ein 180 Meter hohes architektonisches Wunderwerk im Herzen von Londons Bankenviertel, der an seiner breitesten Stelle bis zu 180 Meter Umfang misst, beeindruckt vor allem durch seine Höhe. Wenn du so nah wie möglich an das Gebäude herangegangen wärst und den Bildrahmen vertikal gesetzt hättest, wäre es möglich gewesen, ein Dreieck anzudeuten, indem du mit einem Weitwinkelobjektiv die konvergierenden Linien des hohen Gebäudes aufgenommen hättest. Das Gebäude wäre so nicht nur imposant, weil es über uns hoch aufragt; das angedeutete Dreieck würde einen Eindruck von Stabilität und Stärke vermitteln.

Wenn es für dich wichtig war, den Gherkin kleineren Gebäuden gegenüberzustellen, hättest du ein Ultra-Weitwinkelobjektiv, vielleicht sogar ein Fischauge, benutzen können. Das Gebäude hätte trotzdem gewirkt, als würde es über dem Betrachter aufragen.

Auf jeden Fall ist es eine gute Idee, Dir vor der Aufnahme die Bildaussage ganz konkret festzulegen. Deine Fotos werden automatisch visuell stärker, wenn du dir über die Form, den Inhalt und die Botschaft im Klaren bist.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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3 Kommentare
  1. Paul
    Paul sagte:

    > grade im Kontext “Gegensätze recht gelungen – der Bauch,
    > das rechteckige Hochhaus dahinter und dann das alte Townhouse

    Yep, genau so meinte ich es auch. Nicht perfekt, aber in meinen Augen auf jeden Fall mehr als ein Touristen-Zufallsschuss ;)

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  2. Peter Sennhauser
    Peter Sennhauser sagte:

    @Paul
    Vielleicht ist das ein Missverständnis – „Stärke“ als Stichwort kam ja von der Fotografin, Rebecca Krebs. Wenn damit „Designstärke“ gemeint war, ist das etwas anderes, als wenn „Mächtigkeit“ gemeint war.
    Ich finde die Aufnahme übrigens grade im Kontext „Gegensätze recht gelungen – der Bauch, das rechteckige Hochhaus dahinter und dann das alte Townhouse. Die Linienführung mit den gut platzierten Streben der Gurke und der Diagonalen des Himmels rechts zieht dem Turm entlang in die Bildhöhe.

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  3. Paul
    Paul sagte:

    Also, wenn ich Herrn Abuelo folgen soll, dann läge die Stärke des Towers also in seiner Höhe von 180m? Naja, nicht wirklich, oder? Seine Stärke liegt m.E. darin, dass seine Form sich wohltuend vom Einheitsbrei der zeitgenössischen Hochhausarchtektur unterscheidet. Zu dieser außergewöhnlicchen Form gehört das Gewölbte, Gerundete, Bauchige, das in diesem Foto gerade im Kontrast zu den kubischen Formen des Nebengebäudes bereits ansatzweise heraussticht. Sicher noch nicht optimal und auch nicht perfekt umgesetzt, aber im Prinzip schon richtig gesehen. Auf jeden Fall ist der Gegensatz „gewölbt“ – „kubisch“ mindestens so spannend wie der von Herrn Abuelo a priorisch vertretene Gegensatz groß – klein, wenn nicht spannender. Allerdings muss ich Herrn Abuelo recht geben, dass auch für das von mir bevorzugte Gegensatzpaar möglicherweise ein Einsatz einer extremen Brennweite das Mittel der Wahl gewesen wäre, um das gestalterisch herauszuheben.

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