Hafen-Makro: Schärfe am falschen Ende

Die Kombination von Makro mit Hintergrund kann durchaus funktionieren. Dazu muss aber der Vordergrund etwas bieten, was ich gerne sehen möchte.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Lindeman Andreas).

Kommentar des Fotografen:

Ein Bügel, wahrscheinlich zum vertäuen der Schiffe, im Hardenberghafen in Dortmund. Im Hintergrund nur noch durch seine Umrisse und Farbgebung zu erkennen, ein großer Verladekran. Mir gefällt an diesem Bild, neben den Farben (irgendwie warm und blaß) die Kombination aus Makroaufnahme und verschwommenem Landschaftsbild. Eure Meinung dazu und höchstwahrscheinlich fällige Tipps, sind mir wichtig, da ich diese Art der Bildkomposition gerne als Linie für mein weiteres „Werkeln“ als Hobby-Fotograf fortführen möchte und auch teilweise schon tue.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Lindeman Andreas:

Landschaftsfotografie braucht Ebenen – Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund im besten Fall – und auf Industrielandschaften trifft das auch zu. Nur ist Schärfentiefe, oder deren Begrenzung, für die Schaffung von Ebenen in Landschaftsbildern denkbar ungeeignet:

Es entsteht nämlich zwar Tiefe im Bild – aber in keiner ausser der einen Ebene im Fokus ist wirklich etwas im Detail zu erkennen. Deswegen gilt für Landschaftsfotografie grundsätzlich die Regel, eher mit geschlossener Blende zu fotografieren.

Nun ist das hier aber eine Makro-Fotografie, und da lässt sich das verschwimmen des Hintergrunds nicht mehr vermeiden. Es kann auch durchaus gewinnbringend eingesetzt werden: Indem im Hintergrund, schemenhaft, ein Merkmal für die Umgebung gezeigt wird.

Hier ist es der Hafenkran, der sofort verdeutlicht, wo wir uns befinden. Das wäre perfekt, wenn im Vordergrund irgendein äusserst interessantes Detail zu sehen wäre, eine Szene mit zwei kämpfenden Wasserkäfern oder sonst ein Makro-Objekt. Da ist aber leider nichts. Da ist ein Bügel oder Poller, eine gelbliche Oberfläche mit ein paar Rissen und Blasen – und sonst nichts.

Wenn dieser gelbe Bügel in irgendeinem weiteren Bezug zum Hafenkran stünde oder dem Auge etwas gäbe, was es erkunden kann, dann wäre die Geschichte anders. Aber so frustriert mich das Bild, weil ich da, wo das Hauptmotiv liegt, nichts spannendes finde und dort, wo ich gerne hingucken würde – auf den Kran und die aufregende Umgebung des Hafens – durch die Unschärfe nichts erkenne.

Als Rat für diese Art Komposition kann ich demnach nur sagen: Wenn Du einen wirklich spannenden Vordergrund hast, ein echtes Makrothema, dann kannst Du es mit einem derartigen Hintergrund noch weiter aufwerten, indem du es in seinen Kontext setzt. Aber wenn Du mir den Kontext andeutest, aber das Hauptmotiv weglässt, dann geht das Konzept nicht auf.

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6 Kommentare
  1. Andi
    Andi sagte:

    hallo alle miteinander

    erstmal an dieser stelle vielen dank für die kritik und die ratschläge, peter. werden, bzw. sind zum teil schon beherzigt.

    ich gebe hier vielleicht mal noch ein paar worte zur erklärung der „werkes“ ab. was beim einreichen des bildes wirklich etwas kurz kam.

    zuerst einmal, muss ich zum technischen faktor angeben, dass dieses bild mit nem fotohändie gemacht wurde und ich demnach natürlich geringen einfluss auf die gewählte blende hatte. genauso wie die meisten anderen faktoren, die man an slrs für gewöhnlich beeinflussen kann.

    und zum kompositorischen bzw intentionellen teil, möchte ich loswerden, dass ich persönlich einen großen fabel für materialien und oberflächen habe. was in diesem fall natürlich die vom rost zerfressene farbe und den von der witterung ausgewaschenen beton für mich interessanter macht, als je ein wasserkäfer oder anderes lebewesen für mich sein könnte.
    hinzu kommt, dass dieses bild ja im hafen aufgenommen wurde und im prinzip kein kontrast zwischen vorder und hintergrund entstehen sollte, sondern eher als „einheit“ in erscheinung treten sollte.

    was die erfüllung bzw nichterfüllung bestimmter erwartungen angeht, so denke ich wollte ich in erster linie mit den klassischen regeln der landschaftsfotografie brechen. denn der hafen als ganzes und der kran im hinterfrund sind ja als solche zu erkennen. hingegen wird die aufmerksamkeit ja auf ein profanes detail gelenkt, welches einem doch eher entginge, würde man an dieser stelle im hafen spazierengehen.
    den kran sieht nämlich jeder sofort und findet den auch direkt interessant. wohingegen der ganze „verfall“ und die strukturen der oberflächen, den meisten entgehen.
    hier ist die schärfentiefe meiner meinung nach ein wirklich schönes mittel. richtig geweckt wurde dieses interesse daran übrigens von dir, peter, als du nämlich deine artikel über deine erfahrungen mit deinem 30mm-1,4er-objektiv gepostet hast.

    jedenfalls hab ich noch ein ähliches bild in meinem flickr-profil, dass ich auf einem spielplatz gemacht habe, das hier vielleicht noch klärenden einfluss haben könnte: westparkklettergerüst
    allerdings bin ich mit dem auch noch nicht richtig zufrieden. die kette der schaukel glänzt zwar supertoll, nur denke ich wäre vielleicht der sockel und die spiralfeder eines dieser feder-schaukelpferde besser gewesen als vordergrund, da dort nochmehr elemente eines spielplatzes vereint gewesen wären. halt sand, erde und grashalme und mit ein wenig glück noch etwas beton.

    nebenbei habe ich festgestellt, dass sich diese art der komposition oft nur mit großen kompromissen, oder auch teilweise garnicht umsetzen lässt. da man ja oftmals in sachen bildwinkel und perspektive stark eingeschränkt ist. so habe ich ein oder zwei fotokonzepte schon über den haufen werfen müssen, da sich keine geeignete position finden ließ.
    bleibt trotzdem irgendwie ne schöne herausforderung. :)

    auf jeden fall vielen dank an alle kommentierenden. es ist schön die möglichkeit zu bekommen, technisch und künstlerisch zu wachsen.

    lg .. andi

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  2. Manfred Geck
    Manfred Geck sagte:

    Lasst Euch doch mal den folgenden Satz von Picasso, bezogen auf die Fotografie,bzw. die angebliche Notwendigkeit einer Absichtserklärung für jedes Bild durch den Kopf gehen: Ich suche nicht – Ich finde.! Will sagen: Nicht jedes Bild (Foto) braucht eine Intention um ein gutes Bild zu sein.In der journalistischen, bzw. Reportage-fotografie ist ein narrativer Bildinhalt natürlich unverzichtbar.Das Bild einer künstlerischen Fotografie entsteht ohnehin im Kopf des Betrachters,unabhängig von der Absicht des Fotografen.

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  3. Peter Sennhauser
    Peter Sennhauser sagte:

    Sehr schön gesagt.

    Nur — und das ist ein Punkt an dem ich selbst mit schöner Regelmäßigkeit mit mir hadere — muß man sich als “Bildender” eben beim Abbilden dann doch über die eigene Intention klar sein.

    Der Punkt macht die Anmassung einer Kritik an den Bildern anderer, die wir uns hier leisten, so schwierig.

    Denn ich könnte mit der Freiheit des Rezipienten in vielen Bildern vieles finden, was erfreulich ist und grandios wirkt – und darüber berichten, was das Bild „bei mir auslöst“. Nur ist das keine Bildkritik und wenig hilfreich für jemanden der wissen will, wie er das, was er beabsichtigte, besser erreicht.

    Zur Kritik gehört deshalb der Kontext der Aufnahme, die Absicht und die Überlegungen der Fotografin, und obwohl wir dazu ein Kommentarfeld liefern, ist es vielfach nicht einfach, aus den Informationen zum Bild die benötigten Schlüsse ziehen zu können.

    Deswegen hier der Aufruf (genau genommen sollte ich das wohl ins Upload-Formular schreiben): Bitte schreibt ins Kommentarfeld zum Bild, was ihr künstlerisch beabsichtigt habt und warum ihr dazu welche Methode und grade diese Perspektive gewählt habt.

    Das könnte auch helfen, dass zum auf den ersten Blick identischen Bildtyp zwei gänzlich verschiedene Kritiken zustandekämen.

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  4. Jo
    Jo sagte:

    Herrjeh, gebrüllt? Nein, das sollte es nicht sein, lieber Peter.

    Und natürlich hast Du recht, weder ist alles, was struppig daherkommt künstlerisch wertvoll, noch ist alles, was sich geleckt gibt, von vornherein aussagelos.

    Letztendlich liegt es immer beim Rezipienten. Da kann ich die, die auf Zielgruppenorientierung schwören ebenso verstehen wie die, die sich dem verweigern.

    Nur — und das ist ein Punkt an dem ich selbst mit schöner Regelmäßigkeit mit mir hadere — muß man sich als „Bildender“ eben beim Abbilden dann doch über die eigene Intention klar sein.

    Weil, das ist jetzt ein Glaubenssatz, nur dann kann man dem Rezipienten den Freiraum eröffnen, die Intention zu übernehmen oder genau so gut etwas ganz anderes zu sehen. Vielleicht ist die Intention ja auch gar nicht verständlich. Aber die Haltung bei der Aufnahme, eben eine Intention transportieren zu wollen, die ist trotzdem spürbar. Und dann ist es egal, ob ein Bild technisch fehlerhaft ist, oder perfekt.

    Sonst, wenn man lediglich abbildet, ist es eben reine Dokumentation und dann gibt es eigentlich auch nur eine Erwartung, nämlich technische Perfektion.

    Und selbstverständlich ist es jedem, sei es als Rezipient oder als Produzent, freigestellt, sich da einzusortieren, wo immer sie/er mag oder auch meine Unterscheidungen komplett abzulehnen. Auch das letztlich nur eine Frage der Intention.

    Jo. (Und vielen Dank für die Blumen!)

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  5. Peter Sennhauser
    Peter Sennhauser sagte:

    Gut gebrüllt Jo – und mit Deinen eigenen Bildern (sehenswert!) auch gut belegbar. Nur finde ich, dass solche Aussagen in Fotos den Anspruch auf hohe künstlerische Qualität erheben und die eigentliche Intention der Verführung zumindest im Nachhinein als solche erkennbar sein muss – ein Aha-Effekt muss sich irgendwann einstellen.

    Wenn ich an der Absicht des Künstlers (der Absicht – nicht der Aussage) zweifle, stimmt etwas nicht. Bei Deinen Bildern besteht dieser Zweifel nicht, hier schon.

    Alles, was es dem Betrachter einfacher macht oder ihn auf einer , sagen wir, konventionelleren Ebene verführt, als „gefälliges Bildchen“ zu bezeichnen, finde ich ausserdem heikel. Denn am Anfang des grossen Kunstwerks steht eigentlich immer ein gefälliges Bildchen.

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  6. Jo
    Jo sagte:

    Da muß ich widersprechen. Gerade die Tatsache, daß der Vordergrund auf den ersten Blick nicht viel Reizvolles bietet (worüber man auch noch streiten könnte, für mich gibt’s da einiges) lenkt, soweit richtig, den Blick auf den Hintergrund. Und dort, da stimme ich ebenfalls zu, ist nur schemenhaft etwas zu erkennen, was die Sehnsucht weckt, mehr davon zu sehen.

    Und genau diese Sehnsucht wird nicht erfüllt. Was für mich ein ziemlich guter Schachzug ist. Man muß nicht jede Erwartungshaltung des Betrachters bedienen. Man kann ihn stattdessen auch durch die Nichterfüllung der Erwartung überhaupt erst auf das Vorhandensein der Erwartung aufmerksam machen. Das ist für mich eine völlig legitime Intention.

    Außer natürlich die Idee bei der Gestaltung ist „gefälliges Bildchen“. Dann müßte ich dem Rezensenten recht geben.

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