Hasselblad Academy 2016: Perfekt bis auf den letzten Pixel

In zehn Genres hat Kamerahersteller Hasselblad neue «Master» erkürt. Die Sieger-Aufnahmen bestechen auf den ersten Blick durch einen extremen Detailreichtum, der namentlich bei den Outdoor-Fotografien der Kategorie «Street», «Landschaft» und «Natur» überrascht.

Sieger der Kategorie Stadt/Street: Ali Rajabi, Iran – mit einer Aufnahme, die mit der Mischung aus Klarheit und Wettertrübheit besticht.

Sieger der Kategorie Stadt/Street: Ali Rajabi, Iran – mit einer Aufnahme, die mit der Mischung aus Klarheit und Wettertrübheit besticht.

Fotografie-Wettbewerbe, die von Kameraherstellern ausgerichtet werden, setzen eines voraus: Perfektion in der technischen Umsetzung. Das kann einschränken: In sämtlichen fotografischen Genres, die mit Tempo, Zufall, Situationen zu tun haben, ist bisweilen das beste Bild eines Moments nicht in jedem technischen Detail vollkommen – oder aber die technische Imperfektion macht sogar überhaupt erst den Charme der Aufnahme aus.

Hier allerdings besticht die Perfektion: 

Wenn die Aufnahmen mit Hasselblad-Kameras entstanden sind (hier sind die Erfahrungen von Darius mit der analogen Hasselblad nachlesbar), die man doch in der Regel mit aufwändigen Shootings in Studios assoziiert, gehört kristallklare Schärfe, perfekte Ausleuchtung und Detailversessenheit dazu. Die schwedische Kameraherstellerin zeichnet jedes Jahr eine Reihe von Fotografinnen mit dem Titel eines Hasselblad-Masters aus.  Die zehn Gewinner 2016 erhalten (zum 75-jährigen Hasselblad-Jubiläum) die Aufgabe, eine neue und einzigartige Bilderserie zum Thema „Inspiriere“ zusammenzustellen, die in der aktuellen Ausgabe des «Hasselblad Masters Commemorative Book» veröffentlicht wird.

Die Arbeiten werden in einer Mischung aus professioneller Jury und Publikumswahl eruiert. Jury-Mitglied Jonathan Beer sagt denn auch: «Während in einigen Kategorien klare Überflieger auszumachen waren, gab es in anderen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Ich habe deshalb nach aufregender Kreativität gepaart mit technischer Perfektion Ausschau gehalten.»

Aus der Kategorie «Project»: Aufnahme von Jake Reeder

Aus der Kategorie «Project»: Fischer auf Papua-Neuguinea © Jake Reeder

Mich interessieren neben herausragenden Einzelaufnahmen immer auch die Resultate von fotografischen Projekten, in deren Verlauf sich eine Fotografin eine grössere Aufgabe gestellt hat – Hasselblad widmet diesem Vorgehen ein eigenes Preisgenre unter dem Titel «Project».

Der Gewinner hier ist Jake Reed, der in seinem Blog das Projekt sehr spannend beschreibt: Er stammt aus Papua-Neuguinea und ist für eine Fotoserie der lokalen Bevölkerung nochmals hingeflogen (Blogposting, englisch).  Er hat die Menschen am Meer porträtiert, und das in dieser spannenden Mischung von gestelltem Porträt, aber der Unmittelbarkeit ihrer Tätigkeit.

Dass Hasselblad für Hochzeitsfotografie eine eigene Masters-Kategorie bewertet, überrascht dann doch: Konzert- oder Eventfotografie wäre doch ebenso ein gebührendes Genre wie das der Hochzeit, das sich dorch eigentlich einzig durch seine kommerzielle Attraktivität für Fotografen auszeichnet. Die Überraschung liegt dann im Siegerbild:

Hasselblad Masters 2016 Hochzeit: John Paul Evans

Hochzeit: John Paul Evans

Hasselblad Masters Siegerbild Landschaft: © Lars van de Goor

Siegerbild Landschaft: © Lars van de Goor

Die Russin Katerina Belkina aus Berlin hat den Master in der Kategorie Fine Art gewonnen. © Katerina Belkina

Die Russin Katerina Belkina aus Berlin hat den Master in der Kategorie Fine Art gewonnen. © Katerina Belkina

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Color-Key der doppelten Art: Kategorie Produkt, © Giorgo Cravero

Hasselblad Master 2016 Architektur

Hasselblad Master 2016 Architektur: © Swee Oh

Hasselblad MAsters 2016: Kategorie Porträt: Natalia Evelyn Bencicova

Kategorie Porträt: Natalia Evelyn Bencicova

Wildtier, Natur («wildlife»): Sieger ist

Wildtier, Natur («wildlife»): Sieger ist David Peskens aus den Niederlanden

Mode und Fashion, Master 2016 http://www.royrossovich.com/

Mode und Fashion, Master 2016 – Roy Rossovich

[postlist „and“ „Hasselblad“ „Wettbewerb“]

5 Kommentare
  1. Marcus Leusch
    Marcus Leusch sagte:

    „… Möglichkeiten des größeren Formats …“
    – Das wäre ja vielleicht etwas zu viel an Gestaltungswillen, wenn man arg böswillig sein möchte. Zumindest die Baumlandschaft von Lars van de Goor spielt doch sehr Gekonnt mit der Schärfentiefe, freilich hier nicht unbedingt mittelformatspezifisch und mit jeder besseren Vollformat-SLR wohl auch zu bewältigen. Trotz allem eine Aufnahme, die ich als überaus gelungene Studie herausstellen würde.

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    • Christian Fehse
      Christian Fehse sagte:

      Stimmt, bei den Bäumen ist das so. Da hab ich nicht richtig geguckt. Auch noch mal klar gesagt, das sind alles mehr als sehr gute Bilder. Da gibt es keine Frage. Ich käme nur nicht auf die Idee solche Bilder so zu machen (ganz zu schweigen davon, daß ich es mit meinem fotografischen Können auch gar nicht könnte) oder sie mir an die Wand zu hängen.

  2. Marcus Leusch
    Marcus Leusch sagte:

    Lieber Christian Fehse,

    mir ging es beim Betrachten dieser Fotos ganz ähnlich. Lässt man einmal die Aspekte Gestaltung und kreative Idee bei Seite, dient der Wettbewerb natürlich (auch) dazu, die aktuellen Möglichkeiten des digitalen Mittelformats hervor zu heben. In diesem Sinne sind alle prämierten Bilder gewiss über jeden Zweifel erhaben, da sie in ihrer lichtbildnerischen Akkuratesse auch die technischen Vorteile des Mittelfomats voll ausschöpfen. Über Sinn und Zweck bestimmter Aufnahmen (Bildidee/Aussagegehalt) kann man gewiss geteilter Meinung sein (die tropfenden Bananen sind da schon die Spitze der Bedeutungstiefe), zumal darunter ja auch einige sind, die man an anderen Orten schon hundertfach so (oder so ähnlich) gesehen hat (Beispiele Architektur/Fashion), aber wahrscheinlich selten so präzise in Szene gesetzt. 


    Diese Fotos sind also „perfekt bis auf den letzten Pixel“, und darauf kommt es in dieser Leistungsschau doch an: Die Mittelformatkamera (Hasselblad) als professionelles Werkzeug mit professionellen Ergebnissen für die unterschiedlichsten fotografischen Aufgabengebiete. Das mag zuweilen seelenlos wirken, gehört aber wie Du zu Recht anmerkst, zu einem Grundzug unserer Zeit. 


    Diese „Materialschlacht“ zwischen Bits und Bytes findet doch schon lange in unseren Köpfen statt, bewegt die Diskussionen in Fotoforen und ernährt eine Kameraindustrie samt all ihren Nebenschauplätzen (Fotozeitschriften, die Kameras von Herstellern bewerten, von deren Werbeeinnahmen sie profitieren). 

    Wenn wir uns nicht mehr so verbissen darüber auseinandersetzen, wieviele Megapixel Auflösung nötig sind, um ein gutes Foto zu machen und ob unsere Kamera für uns auch noch das Telefonieren übernehmen soll, dann kommen wir zurück zu den Ursprüngen einer Fotografie (Blende/Belichtungszeit/ISO), die das zum Ausdruck bringt, was wir zu sagen haben, wenn wir noch etwas sagen möchten. Kameramodelle haben im digitalen Zeitalter eine kurze Halbwertzeit, ganz zu Schweigen von der Bearbeitungssoftware … gute, aussagekräftige Bilder überdauern die Zeiten …

    LG
    Marcus

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    • Christian Fehse
      Christian Fehse sagte:

      Und das Lustige an den Bildern finde ich, daß keins die besonderen Möglichkeiten des größeren Formats (seien sie auch mittlerweile nicht mehr so deutlich zu spüren) wie minimale Tiefenschärfe, superweiches Bokeh oder Superweitwinkel nutzt. Ich behaupte mal frech, das jeder der Fotografen jedes der Bilder auch mit einer Canon 5Ds hätte machen können und niemandem in der Jury wäre das aufgefallen. *gg*

  3. Christian Fehse
    Christian Fehse sagte:

    Ich finde alle Siegerbilder passen sehr gut in unser digitales Zeitalter. Sie sehen für mich aus wie auswendig generierte Computeranimationen. Bis auf das Hochzeitsbild sehe ich keine bzw. Irgendwie verschüttete Emotionen in den Bilder. Das muß vielleicht so sein, weil Hasselblad zeigen will, das ihre Kameras die Welt so aufzeichnen können, wie ein Mensch sie niemals sehen kann. Auch das Publikum – hier ja wohl auch in der Jury – war immer schon fasziniert von Bildern, die die Welt perfekter zeigenzeigen, als sie ist (was haben die Fotografen zu Filmzeiten alles angestellt, um das zu erreichen). Die Materialschlacht hat sich verlagert – die Bilder sind seelenlos geblieben. *gg*

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