HDR-Tricks vom Experten: Kontrastreiche Welt

David Kaplan bricht eine Lanze für die Anwendung von HDR, wo immer es einen Gewinn für das Bild bringt. Und das kann sogar bei einer einzelnen Aufnahme in RAW der Fall sein.

Von David Kaplan

...und das gleiche Bild, ein einzelnes RAW, bearbeitet mit Exposure Blending (© David Kaplan)

…und das gleiche Bild, ein einzelnes RAW, bearbeitet mit Exposure Blending (© David Kaplan)

Zweimal das gleiche Bild von der Kalifornischen Küste am Highway 1- hier so, wie es aus der Kamera kam... (Klick aufs Bild für volle Grösse mit Legenden)

Zweimal das gleiche Bild von der Kalifornischen Küste am Highway 1- hier so, wie es aus der Kamera kam… (Klick aufs Bild für volle Grösse mit Legenden)

Mittlerweile ist HDR (High Dynamic Range) oder DRI (Dynamic Range Increase) wohl den meisten Fotografen ein Begriff. Die Technik dient in allererster Linie dazu, Szenen mit sehr hohem Kontrastumfang ansehnlich in ein Bild zu bekommen. Und das geht auch mit einem einzelnen RAW-Bild, wie wir hier sehen und gleich im Detail erörtern werden:

 

 

Denn im Gegensatz zum menschlichen Auge zeigt eine Fotokamera die Realität schrecklich nüchtern. Dunkle Bildbereiche sind auf dem Digitalfoto dunkel und helle schnell einmal überbelichtet. Gerade bei Landschafts- und Architekturfotos kämpft der Fotograf mit zum Teil sehr hohen Kontrasten.

Weil Fotografen aber Perfektion anstreben und erfinderisch sind, gibt es heute diverse Möglichkeiten, mit dieser Problematik umzugehen. Am klassischsten ist hier wohl der Tipp, erst Abends kurz vor Sonnenuntergang zu fotografieren. Die Kontraste sind dann nicht mehr so gross und das Licht ist sowieso schöner. Dazu kann ich zwar jedem auch nur raten, aber die ultimative Löstung ist es nicht, weil man auch so viele Bilder nicht vernünftig machen kann und zudem auch einiges an Potential verschenkt.

Dann gibt es noch die Grauverlaufsfilter. Das Prinzip ist denkbar einfach. Man dreht den grau eingefärbten Bereich so, dass er vor dem zu hellen Bereich im Bild steht – fast immer der Himmel. Bei einem ebenen Horizont funktioniert das auch gar nicht schlecht, aber wie sich jeder denken kann, gibt es sehr viele Bilder, die man auch mit dem Grauverlaufsfilter nicht befriedigend lösen kann.

Nun sind wir ja schon seit einiger Zeit im digitalen Fotografie-Zeitalter angekommen, und auch hier gibt es diverse Möglichkeiten, die Kontraste in den Fotos nachträglich zu korrigieren. Da gibt es die klassische Bildbearbeitung mit Photoshop & co, wo man die Möglichkeit hat, Schatten aufzuhellen oder mit Masken einzelne Bildbereiche aufzuhellen oder abzudunkeln. So lange man viel Zeit hat und der Kontrastumfang des Fotos gut in einem RAW Platz hat (max. 10 Blendenstufen), ist diese Bearbeitungstechnik absolut praktikabel. Es gibt aber noch zwei weitere Techniken, die diese Arbeit dem Fotografen teilweise abnehmen: HDR und Exposure Blending. Beide Techniken sind unter dem Begriff DRI zusammengefasst. Für den Fotografen sind die Bearbeitungsschritte zuerst dieselben:

1. Man benötigt mindestens 2, besser aber 3 unterschiedlich belichtete Bilder mit idealerweise 2 Blendenstufen Differenz. Bei noch grösseren Kontrastumfängen können es aber auch entsprechend mehr sein. Nun kann man mit Stativ und Belichtungsreihen relativ einfach die unterschiedlichen Belichtungen machen. Bei Motiven mit weniger als 10 Blendenstufen Kontrastumfang (und das sind ziemlich viele) reicht aber auch ein einzelnes RAW für eine DRI-Bearbeitung. Bei einigen HDR-Programmen kann man sogar das RAW direkt als Ausgangslage verwenden. Ich empfehle aber immer den Umweg über (16bit-)TIFs. Einfach den RAW-Converter starten und mit der Belichtungskorrektur das RAW in 2-3 unterschiedlich belichtete TIFs abspeichern.

2. Das HDR/DRI-Programm starten und die unterschiedlichen Belichtungen laden. Es gibt auf dem Markt sehr viele verschiedene HDR-Programme, Freeware und kostenpflichtige. Ich persönlich arbeite mit dem kostenpflichtigen Photomatix, mit dem ich sehr gute Ergebnisse erziele.

3. Nun geht’s ans Bearbeiten. Je nach HDR/DRI-Software gibt es unterschiedliche Parameter, um dem Bild die Kontrastanpassung zu verpassen, die man wünscht. Das hier ist der heikelste Teil, weil man sehr viel falsch machen kann.

Das wichtigste ist, dass das Bild immer noch natürlich und glaubwürdig aussieht. Es geht ja darum, das Foto so zu bearbeiten, dass es möglichst so aussieht wie wir die Realität mit unseren Augen sehen. Detailzeichnung auch im tiefsten Schatten ist dabei ebenso unnatürlich wie Wolken, die aussehen als stünde der Weltuntergang unmittelbar bevor.

Wichtig ist auch, sogenannte Halos zu vermeiden. Halos sehen aus wie Auren, die um dunklere Objekte vor einem hellen Hintergrund erscheinen. Sie entstehen durch das aufhellen und sehen sehr unnatürlich aus.

Es sind hauptsächlich die angesprochenen Fehler, die HDR-Anfänger immer wieder machen und der Technologie dadurch unter den seriöseren Fotografen einen eher schlechten Ruf vermitteln. Dabei steckt sehr viel Potential in der HDR-Technik. Aber es braucht, wie so oft, die nötige Erfahrung, um gute Ergebnisse erzielen zu können.

4. Wenn man nun ein zufriedenstellendes HDR- oder Exposure-Blending-Ergebnis erreicht hat, speichert man das Bild am besten wieder als 16bit-TIF ab und geht an die Feinabstimmung mit Photoshop & Co. Immer mal wieder muss man Halos entfernen und gewisse Partien abdunkeln oder aufhellen. Ist dies erledigt, hat man nun ein fertiges DRI-Bild.

Anmerkung zum Beispiel oben, weil hier in der verkleinerten Auflösung das finale HDR mit Tone Mapping vielleicht nicht überzeugend wirkt: Wenn man das HDR vergrössert, sieht man deutlich mehr Details als auf allen anderen Bearbeitungsvarianten. Das liegt daran, dass mit dem Tone-Mapping gezielt lokale Details verstärkt werden, indem deren Kontrast unabhängig vom Rest des Bildes erhöht wird. Unser Auge kann diese feinen Details in der Realität bestens erkennen, aber wenn deren Kontrastumfang auf JPEG-Niveau zusammengequetscht wird, verschwinden viele Feinheiten, die eigentlich noch im RAW gespeichert wären. Für mich ist diese Detailverstärkung der unschlagbare Vorteil der HDR-Technologie – wenn man auch Gefahr läuft, das Foto schlussendlich unrealistisch wirken zu lassen.

Anhand eines zweiten Beispiels will ich zeigen, dass man HDR auch bei einem kleineren Kontrastumfang einsetzen kann (die seriösen Fotografen werden an diesem Punkt wahrscheinlich aufschreien und mir sagen wollen, dass man damit einem technisch einwandfreien Bild jegliche Dynamik nimmt). Sehen wir selbst:

Marble Canyon in Arizona , langweilig wie er aus der Kamera kommt. (© David Kaplan)

Marble Canyon in Arizona , langweilig wie er aus der Kamera kommt. (© David Kaplan)

Das gleiche Bild mit leichter Tonwertkorrektur und digitalem Grauverlaufsfilter, damit es nicht so ausgewaschen wirkt. (© David Kaplan)

Das gleiche Bild mit leichter Tonwertkorrektur und digitalem Grauverlaufsfilter, damit es nicht so ausgewaschen wirkt. (© David Kaplan)

Auf den ersten Blick wirkt auch hier die HDR-Version (unten rechts – Klick auf die Bilder öffnet Vollansicht) ähnlich wie das Exposure Blending.

Hier als Exposure-Blending. Das Bild wirkt deutlich knackiger als mit herkömmlicher EBV. Auch hier habe ich nur ein RAW verwendet. (© David Kaplan)

Hier als Exposure-Blending. Das Bild wirkt deutlich knackiger als mit herkömmlicher EBV. Auch hier habe ich nur ein RAW verwendet. (© David Kaplan)

Auf den ersten Blick ähnlich wie das Exposure Blending. Bei näherer Betrachtung fällt aber auf, dass hier am meisten Dynamik von allen Varianten vorhanden ist. Zudem sind die zahlreichen Details viel besser erkennbar. (© David Kaplan)

Auf den ersten Blick ähnlich wie das Exposure Blending. Bei näherer Betrachtung fällt aber auf, dass hier am meisten Dynamik von allen Varianten vorhanden ist. Zudem sind die zahlreichen Details viel besser erkennbar. (© David Kaplan)

Bei näherer Betrachtung fällt aber auf, dass hier am meisten Dynamik von allen Varianten vorhanden ist. Zudem sind die zahlreichen Details viel besser erkennbar.

Ich hoffe, mit meinen Beispielbildern dem einen oder anderen Fotografen die Technologie schmackhaft gemacht zu haben. Meiner Meinung nach wird DRI zu unrecht als Kinderspielzeug oder Effekttool abgetan. Man kann extrem viel aus seinen Bildern herausholen, selbst wenn man nur ein RAW zu verfügung hat.

Ich empfehle aber trotzdem die Variante Stativ + Belichtungsreihe, weil man bei höheren Kontrasten so die besseren Ergebnisse erzielen kann. Für Portraits eignet sich HDR übrigens nicht besonders gut. Hier arbeitet man besser mit den konventionellen Mitteln. Auch Exposure Blending ist durchaus empfehlenswert, wenn etwas besonders glaubwürdig wirken muss.

20 Kommentare
  1. walo thoenen
    walo thoenen sagte:

    mehr aus bildern herausholen

    geht doch auch, wenn man, wie früher in der duka einzelne bildpartien auch einzeln nachbearbeitet…also die kontrastanpassungen lokal (mittels ebenenmaske) vornimmt.
    manche bilder gleichen am ende mosaiken. die kunst besteht darin, das ganze am ende harmonisch wirken zu lassen..

    bisschen aufwand…aber eigentlich ganz simpel und mehr als 10-20 minuten wende ich nie auf (in ps cs5)
    gewisse korrekturen lassen sich auch als aktionen speichern…dann gehts ratzfatz
    lg

    walo

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  2. philip
    philip sagte:

    Ich bin da eher skeptisch.

    In diesem klassischem Beispiel anhand des Canyon zeigt sich denn auch, dass bereits bei der Aufnahme zu wenig gemacht wurde. Eine Spur zu „überbelichtet“ und ein Pola-Filter war offenbar auch nicht dabei. Ähnliches gilt auch für die obige Bildreihe, bei der die HDR-Variante gar nicht gefällt, dafür die einfache Variante per CaptureNX die wohl beste ist.

    Sowohl mit HDR als auch ExplosureBlending wird in zu vielen Fällen verschlimmbessert.

    Darüber hinaus : die Etablierung von HDR hat viel mit dem mittlerweile gängigem, wenn nicht gar vorherrschenden Wiedergabemedium TFT-Bildschirm zu tun. Ausbelichtet wirken solche HDR-Bilder dann nicht mehr so dynamikreich und viele Bildteile versauffen dann einfach. Auch ein merklicher Unterschied vom selbstleuchtenden Monitor zur Projektion. Um da möglichst identische (im Verlgleich zu den Wiedergabemedien) Bildwirkungen anzustreben, sind weitere Verarbeitungsschritte nötig.

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  3. Patricia
    Patricia sagte:

    Toll, solange es darum geht einem Bild Tiefe zu verleihen. Aber sobald man es übertreibt, sieht es aus, wie auf diesen Kitschpostern, wo das geflügelte Einhorn über rosa Wolken galoppiert.

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  4. stefan
    stefan sagte:

    @peter: agree… ich finde auch, dass man mit normaler nachbearbeitung ausreichend gute ergebnisse erzielt. immer und überall dri/hdr’s zu generieren finde ich überzogen. entweder richtig oder garnicht… ein hdr ist eine künstlerische art der darstellung eines motivs wie z.b. auch eine s/w aufnahme … es unterstützt oder unterstreicht die bildaussage… bei jedem xbeliebigen landschaftsbild über diese art nachbearbeitung den betrachter fesseln zu wollen finde ich einfach zu viel des guten. zudem ist es meist wesentlich einfacher (bei gleichem oder realistischerem ergebnis) die anderen genannten methoden anzuwenden.

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  5. Peter Sennhauser
    Peter Sennhauser sagte:

    Ich kann nicht umhin: Bei allen Details, die bei HDR mit Tonmapping zusätzlich sichtbar werden – ich finde die Exposure-Blending-Versionen ganz klar die besten: Hohe Dynamik bei sehr natürlicher Erscheinung. Schon das, was das Tonmapping hier mit den Landschaften macht, kann mir nicht gefallen – von den von Rudi angesprochenen Kirmes-Bildern ganz zu schweigen.

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  6. RudiRalala
    RudiRalala sagte:

    Jetzt habe ich endlich mal kapiert wozu DRI eigentlich gut ist. Danke dafür!

    Die fürchterlichen Kirmesbilder, die man bei Flickr und Co. als sogenannte HDR bewundern darf, und wenn man zuviel davon konsumiert, garantiert erblindet, das kann es doch wirklich nicht gewesen sein.

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  7. tobe
    tobe sagte:

    sehr schöner artikel… ich bin auch kein fan der ganzen übertriebenen hdr fotos. aber hdr wie in deinem bsp anzuwenden halte ich auch für sinnvoll.

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