Henrik Spohler: Am dritten Tag wurde es grün

Am dritten Tag schuf Gott die Pflanzen und die Erde wurde grün. Henrik Spohler erzählt uns davon, wie wir heutzutage dieses Grün systematisch industriell verwerten.

Henrik Spohler, Grapefruitanbau im Borrego Valley, USA 2011, 109 x 133 cm, Pigmentprint kaschiert auf Aludibond © Henrik Spohler

In Reih und Glied stehen die Gewächshäuser zum Beispiel in Holland – und darin die Pflanzen, die für unsere Ernährung unabdingbar sind. Henrik Spohlers Bilder spiegeln diese Ordnung in ihrer eigenen ästhetischen Qualität.

In der Bibel heißt es: „Und die Erde ließ aufgehen Gras und Kraut, das sich besamte, ein jegliches nach seiner Art, und Bäume, die da Frucht trugen und ihren eigenen Samen bei sich selbst hatten, ein jeglicher nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war. Da ward aus Abend und Morgen der dritte Tag.“ – The Third Day, so nannte Henrik Spohler seine Bildserie. Heutzutage schwingt sich der Mensch als Gestalter von Landschaften und Pflanzenwelt auf. Er weiß aus rationaler Forschung, was für die Pflanzen gut ist, damit sie möglichst viel Ertrag abwerfen. Die Pflanzen stehen nicht mehr in der Erde, sondern in Substraten. Eine Nachtruhe gibt es nicht mehr, sie erhalten Licht über 24 Stunden. Die Gewächshäuser sind zu Pflanzenfabriken geworden. Aus der Retorte entstehen immer noch profitablere Züchtungen, erzeugt mit Gentechnologie, Resistenzmaximierung, Treibhauskultur und Nahrungsmittelrobotik.

In der Mitteilung zur aktuellen Ausstellung Henrik Spohlers in der Alfred-Ehrhardt-Stiftung in Berlin heißt es:

Henrik Spohlers Aufnahme von Tomatenrispen, die wie Soldaten in Reih und Glied wohl geordnet aufgestellt sind, bilden stellvertretend für das gesamte Projekt ein inhaltliches und ästhetisches Konzentrat. Ohne Verbindung zur Erde, wie durch Nabelschnüre künstlich ernährt, hängen die Tomaten im »natürlichen« Licht eines nie enden wollenden Tages. Die von Spohler bewusst gesetzte Anordnung erinnert an die riesigen Zucht- und Aufbewahrungsanlagen aus dem Science-Fiction-Film The Matrix der Wachowski-Geschwister, in denen die von intelligenten Maschinenwesen versklavten Menschen in millionenfachen Brutzellen vor sich hindämmern und mit zahlreichen Leitungen an eine hochkomplexe Computersimulation angeschlossen sind – die »Matrix«, die ihnen ein normales Leben vorspielt. Die Matrix-Tomaten sind in ein gleichförmig geordnetes, leicht geschwungenes Rautenraster eingefasst, das Uniformität demonstriert und eher einer mathematischen als lebensweltlichen Realität anzugehören scheint. Das Produktdesign erlaubt keine Abweichler. (Christiane Stahl, „Raster von Denkstrukturen“, in: The Third Day, Hatje Cantz 2013)

[photos]

Henrik Spohler (Jahrgang 1965) lebt in Hamburg. Er studierte an der Folkwangschule/Universität Essen. Seit 1992 arbeitet er als freischaffender Fotograf und realisiert eigene Projekte. Wir finden diese Projekte, zum Beispiel die Serie über klinisch reine Hightechfabriken auf Henrik Spohlers Website. Seit 2009 unterrichtet er als Professor Fotografie im Studiengang Kommunikationsdesign an der HTW Berlin. Das Projekt [amazon 3775736107]The Third Day[/amazon] erscheint in diesem Herbst im Hatje Cantz-Verlag als Bildband.

Henrik Spohler – The Third Day
Bis 22. Dezember
Alfred Ehrhardt-Stiftung, Auguststraße 75, D-10117 Berlin
+49 (0)30 200 95 333, info@alfred-ehrhardt-stiftung.de
Geöffnet Dienstag bis Sonntag 11 – 18 Uhr, Donnerstag 11 – 21 Uhr

Henrik Spohler
Alfred-Ehrhardt-Stiftung Berlin

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