Herbstspaziergang: Farbenspiel und Bildausschnitt

Selten kommen Fotos perfekt aus der Kamera – zumeist müssen sie etwas aufpoliert werden. Wenn das Farbenspiel der Blätter im herbstlichen Wald zur Geltung gebracht werden soll, darf es gerne auch einmal etwas mehr sein.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Roland Horni).

Kommentar des Fotografen:

Herbstlicher Sonntag, herrliches Wetter, da musste ich noch einmal in den Wald. Mich interessieren vor allem die leuchtend farbigen Blätter, die ich oft im Gegenlicht und als Nahaufnahme auf den Chip banne. Als ich so durch diesen Waldweg ging, kam mir so mancher Wanderer/Wanderin entgegen oder überholte mich, wie diese Dame im Bild. Das brachte mich auf diese Bildidee.

Es müsste doch zu machen sein, mit etwas Geduld und voreingestellter Kamera auf Stativ, einen Wanderer, wenn möglich mit farblich kontrastierender Kleidung, so in diesen bunt gefärbten Waldweg zu integrieren, dass es ein passables Bild ergibt.

Gedacht, getan…. und gewartet. Da näherte sich diese Dame strammen Schrittes. Oh weh, wie kriege ich die scharf aufs Bild. Blende 11 war eingestellt auf hyperfokale Distanz, sodass auch die ganze Szenerie in der Schärfentiefe lag. Die Empfindlichkeit wollte ich nicht erhöhen für eine kürzere Verschlusszeit – für was habe ich denn ein Stativ mitgetragen? – und ein Blick auf die resultierende Verschlusszeit zeigte 1/10s… egal, ich wagte es und drückte, als die Frau so positioniert war wie ich es ungefähr haben wollte, auf den Auslöser.

Den Kabelauslöser hatte ich wieder einmal vergessen, und ich weiss nicht, wie fest die Kamera dabei zitterte;-) Das ist eine Szene, die ich leider nicht mit dem Selbstauslöser und Spiegelverriegelung machen konnte, wie die Blätter-Stilllife, das Timing hätte ich nie und nimmer hingekriegt. Nun, so ganz schlecht ist es sicher nicht geworden, doch ganz glücklich macht mich dieses Bild doch nicht.

Ursprünglich wollte ich die Person näher am Kamerastandpunkt, hatte dann aber Bedenken wegen der Bewegungsunschärfe. Weiter sehe ich, dass man den Bildausschnitt enger hätte machen können mit den drei Stämmen gross im Vordergrund und links hinten dann dort, wo der Weg sich in den Wald verliert, begrenzen, sodass dann nur etwa 1/3 der Bildfläche drauf wären. Die zwei dünnen Stämme hinten hätten dann fast wie ein Torbogen gewirkt.

Profi Sofie Dittmann meint zum Bild von Roland Horni:

Es ist interessant, was manche Fotos in einem so an Gedanken aufkommen lassen. Hier war es ein Haiku von Basho, das nicht mal ganz paßt: Diesen Weg geht niemand an diesem Herbstabend. Was das aber eigentlich bedeutet, ist, daß Dein Foto zum Pausieren, zum Nachdenken anregt.

Ein Wanderweg im Herbst, und Du hast Dir die Zeit genommen, Dein Bild zu planen. Viele andere hätten daraus einen Schnappschuß gemacht. Die Person, die vom Betrachter weg den Weg entlangläuft, verleiht diesem Motiv noch eine zusätzliche Erzählebene (Wer ist sie? Wo will sie hin?), und macht das Foto dadurch interessant.

Du sprichst ein paar Punkte an, unter anderem Verschlußzeit. Ich konnte bei der Bildgröße, die Du eingereicht hast, keine Verwackelung entdecken. Außerdem sollte das bei dieser Kamera auf einem Stativ bei 1/10s auch kein Thema sein, selbst wenn Du manuell ausgelöst hast.

Was hier etwas fehlt, ist das Leuchten des Herbstlaubes. Das kann, nein, MUSS man in der Nachbearbeitung nachlegen, wenn das Foto entsprechend wirken soll.

Selten kommen Fotos perfekt aus der Kamera, und meistens muß man nachträglich etwas aufpolieren. Hier darf es durchaus etwas mehr sein, denn das bunte Laub war ja unter anderem das, was Dich zum Fotografieren veranlaßt hat – und was Du dem Betrachter näherbringen wolltest. Das hätte dann so ausgesehen:

BildbeschnittZur Wahl des Ausschnitts: Was mir hier gut gefällt, ist, wie der Weg an der unteren linken Ecke endet. Das Bild würde aber gewinnen, wenn man es quadratisch beschneiden würde.

Dadurch bleibt der Weg so erhalten, die Person auf selbigen bekommt aber ein anderes Gewicht. Bei der Planung dieses Fotos hätte ich ein paar Trockenaufnahmen gemacht, um mir darüber klar zu werden, wie der Weg eigentlich durchs Bild verlaufen soll, relativ zu den anderen Elementen. Aufnahmestandpunkt ist schließlich einer der Faktoren, die wir als Fotografen frei bestimmen können – und die das Bild „machen“.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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9 Kommentare
  1. Roland Horni
    Roland Horni sagte:

    @Peter, nein, ich verstehe Dich schon richtig und begreife, was Du meinst. Ich meine auch das übertriebene „auf Effekt“ hin bearbeiten, z.B. dass ein Sonnenuntergangsbild tiefblutrot erscheint und alle dann: „Wow, was für Farben“! rufen, obwohl ein leuchtendes orange und das nicht einmal Flächen deckend, dem Bild besser täte. Man kann z.B. auch mit einem Polafilter übertreiben, ein fast schwarzblauer Himmel versetzt viele auch ins Staunen.
    Was ich hier noch gelernt habe ist, dass man darauf achten muss, sich nicht missverständlich auszudrücken! Ob es mir jetzt gelungen ist?

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  2. Roland Horni
    Roland Horni sagte:

    Danke Sofie für die Kritik meines Bildes. Und für das Zit. des Haikus von Matsuo Bashô, das wohl nicht ganz passt, weil ja dort eben eine den Weg geht… Doch ich sah diesen Weg und ging ihn dann auch noch und ich spürte in mir diese Poesie, die ich aber nicht in entsprechende Worte hätte fassen können. Wohl deshalb entstand das Foto.
    Zu den von Dir gemachten Kritikpunkten kann ich keinem widersprechen. Auch ich hätte eigentlich gerne leuchtendere Farben im Bild gehabt, fuhr dann aber die Sättigung und Luminanz wieder nach unten, da nämlich, wenn ich in Photoshop die Funktion „Farbumfangwarnung“ einschalte, alles sofort grau unterlegt wird. (Was ich aber auch oft ignoriere und dann mit den gedruckten Farben auch enttäuscht werde, das ist aber ein eigenes, umfangreiches Kapitel) Der quadratische Schnitt, den Du vorschlägst, da frage ich mich, wieso ich nicht selber darauf gekommen bin. Wohl wegen dem berühmten Brett vor dem Kopf…. er bewirkt ja genau das, was ich auch gerne erreichen wollte, und das ist, dass die Baumgruppe links im Bild vorne eine Art Torbogen in den Waldweg hinein bildet. Ausserdem befindet sich die Spaziergängerin fast perfekt im goldenen Schnitt. Den beschnittenen Teil kann man gut entbehren, er bringt nichts zum Bildinhalt und Aussage bei. Es gibt aber Bildbetrachter, denen gefällt das Querformat im allgemeinen besser. Du hast mich aber davon überzeugt, dass es nun besser wirkt, Sofie!
    Ich verstehe den Kommentar von Manfredo, sehe es aber doch so relativ wie Peter Sennhauser, dass oft mit ein paar Photoshoptricks Unzulänglichkeiten aufgepeppt werden. Und ich gebe zu, auch ich bin nicht ganz davor gefeit… lasse aber immer wie mehr die Finger davon und lösche lieber ein Bild, als es irgendwie zu pushen. Doch einfach Bilder mit Rauschen, Unschärfe und andern Unzulänglichkeiten zu produzieren, hat sicher nicht viel mit „Back to the roots!“ zu tun.

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    • Peter Sennhauser
      Peter Sennhauser sagte:

      Roland, Du hast mich missverstanden: Ich bin nicht ein Gegner, sondern ein verfechter einer mässigen Bildnachbearbeitung.

      Das ist es aber nicht, was man auf Flickr sieht, sondern heftige, spektakuläre Effekte, angewandt auf mässige oder gar schlechte Bilder – und das finde ich bedauerlich, weil es die Effekte entwertet.

    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      @Roland So, wie Du auf Deine innere Stimme gehört hast, als Du das Foto aufgenommen hast, ist es ebenfalls grundsätzlich richtig, das Foto so zu bearbeiten, wie Du es für richtig hältst. Ob es anderen dann auch gefällt, ist in diesem Augenblick für mich Nebensache. Ja, es gibt Regeln, es gibt Richtlinien, wie bestimmte Genres auszusehen haben. Und die sollte man kennen und auch ausprobiert haben, bevor man sie bricht. Aber meiner Erfahrung nach ist der erste Impuls meistens der richtige.

    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      @Roland PS. Hatte ganz vergessen, noch etwas zum Thema Farben anzumerken. Farben akurat hinzubekommen war schon ein Thema, als Fotografie noch analog war. Ich habe zwei Bildschirme, einer davon ist in meinem Laptop integriert und nicht kalibrierbar, der andere ist ein älterer, den man allerdings kalibrieren kann (mit Adobe Gamma). Das ist bereits die halbe Miete, weil die Farben nie so gedruckt aussehen, wie sie auf dem Bildschirm erscheinen. Ich weiß nicht, was Deine PS Einstellungen sind, aber ich habe meinen Farbbereich auf „Adobe RGB“ eingestellt. Der Arbeitsfluß geht also ungefähr so: Monitor kalibrieren (dafür gibt es auch sündhaft teure Geräte), Adobe RGB einstellen. Wenn Du selbst druckst (PS sollte in den Einstellungen bestimmen, wie gedruckt wird, nicht der Drucker), mach ein paar Probeabzüge, damit Du weißt, wie Du nachlegen mußt (manchmal sind Farbstiche drin). Viele der besseren Fotodrucker haben ICC-Profile. Allerdings haben die mich bei meinem Epson 2400 nicht weitergebracht. Ich war am Schluß so frustriert, daß ich beinahe das Ding wieder losgeworden wäre. Bis ich ImagePrint entdeckt habe, was ein sogenanntes Color RIP („Raster Image Processor“) ist. Es gibt für schwarzweiß QuadTone, was nichts kostet, aber ImagePrint kostete mich stolze $1000. Das war es mir aber wert, weil jetzt der Drucker in Farbe genau das macht, was ich will (ich kann Dir eine genaue Kritik des Programms liefern, wenn Du möchtest). Für bestimmte Jobs schicke ich die Bilder an ein Profi-Labor, das normale Fotos druckt, für andere an ein anderes, das wunderschöne Giclees daraus macht. Wenn Du mehr Einzelheiten möchtest, schreib mir doch eine Email, dann gehe ich mehr ins Detail. LG, Sofie

  3. Manfredo
    Manfredo sagte:

    Klar sieht das bearbeitete Foto besser aus. Aber es ist wie beim Kochen mit Aromaten und Ketchup – wenn die Wolken immer dramatisch sind, der Herbst immer superherbstlich ist usw. – der Bezug zur natürlichen Wahrnehmung geht auf die Dauer verloren.

    Ich gucke inzwischen kaum noch Bilder auf flickr und Co, weil es einfach nur noch ermüdend ist, immer die gleichen superperfekten gestylten und aufgepeppten Fotos zu schauen. Viel interessanter finde ich beispielsweise Aufnahmen wie gestern hier vorgestellt (Selbstportrait), die unkonventionell, verstörend, unperfekt und gegen die Regeln sind. Wenn es noch unscharf und verrauscht gewesen wäre, umso besser.

    Back to the roots! :-)

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    • Peter Sennhauser
      Peter Sennhauser sagte:

      Manfredo, mir geht’s zwar ähnlich, aber es spielt ja immer auch eine Rolle, in welchem Genre man sich befindet. Landschaftsfotografie hat nun mal eine sehr spezifische und enge Ästhetik. Was mich auf Flickr & Co stört ist mehr, dass Unzulänglichkeiten häufig mit ein paar dramatischen Kniffen übertüncht werden.

    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      Ja, das ist tatsächlich eine Sache des persönlichen Geschmacks. Schau Dir doch mal die Arbeiten von Todd Hido an, auf den ich kürzlich gestoßen bin. Er ist aus Kent/Ohio, lebt derzeit in San Francisco und hängt u.a. dort im MOMA. Seine Landschaften sehen z.B. wie Street aus.

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