Herlinde Koelbl: Ihr ganzes vielfältiges Werk

In Berlin ist jetzt erstmals Herlinde Koelbls ganzes vielfältiges Werk aus 35 Jahren zu sehen.

Schlafzimmer, London, 2000. (c) Herlinde KoelblDie Freiheit des Denkens und für ihre Arbeit war Herlinde Koelbl immer entscheidend wichtig. Die große Ausstellung der Münchner Fotokünstlerin präsentiert über 450 Fotografien, darunter ihre berühmten Porträtbilder und Serien, aber auch viele unbekannte Aufnahmen.

Starke Frauen: Aicha, Berlin, 1996. 1976 hatte Herlinde Koelbl mit Fotografieren begonnen. Schnell erkannte sie ihre Leidenschaft für das Medium und die Möglichkeit, den Menschen damit besonders nahe zu kommen. Mit grosser Vitalität und Kraft suchte sie sich ihren eigenen Weg, realisierte Projekte auf eigenes Risiko, ohne finanzielle Absicherung. Wie Herlinde Koelbl durch ihren außergewöhnlichen Blick und ihre produktive Neugier zu einer der wichtigsten Fotokünstlerinnen Deutschlands wurde, davon erzählt die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau.

Feine Leute, Frankfurt, 1985. © Herlinde KoelblGegliedert ist die Schau in einzelne Themenblöcke, die alle Facetten des Werks berücksichtigt. So ist Neues und Experimentelles zu entdecken.

Die Ausstellung will deutlich machen, wie Herlinde Koelbl arbeitet und welchen Prinzipien sie sich verpflichtet fühlt. Ihr Credo:

„Die Freiheit des Denkens, die Freiheit für meine Arbeit war, ist mir ganz entscheidend wichtig. Bei meiner Arbeit selbst dazu zu lernen, meinen Horizont zu erweitern und darüber hinaus mit jedem Thema sozusagen ein geistiges Abenteuer zu beginnen – mit offenem Ende.“

So stehen in Berlin Reportagefotografien und Porträtaufnahmen abstrakten Arbeiten und Videoprojekten gegenüber. Der Besucher wird sicher auch auf die Klassiker aus dem Koelblischen Werk stossen. Darunter sind ihre bekannten Serien „Wohnzimmer“ (1980) und „Schlafzimmer“ (2002), für die Koelbl die Metropolen der Welt bereiste, um die Lebens- und Verhaltensmuster, Statussymbole, Kulissen des Aufstiegs und Muster der Zugehörigkeit beinahe ethnologisch zu dokumentieren.

Angela Merkel, Bonn, 1991 und 2006.Die politische und wirtschaftliche Elite der Bundesrepublik Deutschland hielt die Fotografin in dem Zyklus „Spuren der Macht“ fest. Dies ist eine einzigartige Langzeitstudie über Menschen, die an den Schalthebeln der Macht sitzen. Über einen Zeitraum von acht Jahren hat Herlinde Koelbl zum Beispiel mit Angela Merkel, Gerhard Schröder und Joschka Fischer exemplarisch dokumentiert, wie ein Amt den Menschen psychisch und physisch verändert.

Männer, Paris, 1983. © Herlinde KoelblDie Berliner Werkschau widmet sich einer Fotografin, die sich von Beginn an ihre eigenen Themen wählte, daran oft jahrelang arbeitete, um immer noch tiefer zu gehen und das Wesentliche herauszufiltern. Herlinde Koelbls Projekte tragen eine eigenwillige und unverwechselbare künstlerische Handschrift. Eine couragierte Offenheit und eine schnörkellose Klarheit kennzeichnen ihren Stil. In vielen ihrer Bilder spürt man dieses intensive Einlassen auf das Gegenüber, erlebt intime Momente und ist fasziniert von der Eindringlichkeit der fotografischen Sprache. Hier geht es nicht um den schnellen Blick, sondern um das langfristige Erkennen.

Louise Bourgeois, New York, 2001. © Herlinde Koelbl

Der Katalog zur Ausstellung: [amazon 3865219764]Herlinde Koelbl – Mein Blick[/amazon], Steidl-Verlag Juli 2009, 28 Euro.

Herlinde Koelbl. Fotografien 1976 – 2009
Bis 1. November
Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, Ecke Stresemannstraße 110, D-10963 Berlin
+49 (0)30 254 86-0, post@gropiusbau.de
Geöffnet: bis 30. September täÂglich 10 – 20 Uhr, auch an Feiertagen;
ab 1. Oktober Mittwoch bis Montag 10 – 20 Uhr, Dienstag geschlossen

Herlinde Koelbl
Martin-Gropius-Bau

1 Kommentar
  1. Corinne ZS
    Corinne ZS sagte:

    Oh, ich bin lernfähig!: Beim Artikel über die Arbeit „Haare“ von Koelbl war ich nichts als abgestossen – und kurz zweifelte ich deshalb auch grundsätzlich am Sinn dieser Website, wie es sich für mich gehört -, und heute entdecke ich ihren Humor und ihren Sinn für eine Kunst, die weit über das blosse Knipsen hinaus geht. Danke vielmals für diesen Artikel und die gute Bebilderung desselben. (Bei der Durchsicht ihrer Homepage war mir dann auch sofort klar, warum ich nie Politikerin wurde: Ich wäre noch schneller verschrumpelt als ohnehin ;-)

    Hier der Link zum Haare-Artikel auf fokussiert.com: Haare als Statement.

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