Im Waschsalon: Alltag, spannend

Vergesst die Vorstellung, dass exotische, fremde Länder die besten Orte sind, um tolle Fotos zu machen. Wenn wir der näheren Umgebung mehr Beachtung schenken, werden sich uns viele schöne Dinge offenbaren.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Tobias Daniel Kammann).

Kommentar des Fotografen:

Waschsalon bei Nacht in Schwabing, München Beim Vorbeilaufen gefiel mir der Moment. Eine Mischung aus Einsamkeit und Anonymität, dazu die auf den ersten Blick Trivialität und die Zentralperspektive, die direkt zu dem „Wichtigsten“ – der Wäsche – lenkt. Ich bin selbst hin- und hergerissen, ob das Bild für mich gut ist oder nicht. Doch es schleicht sich immer wieder zu meinen Favoriten. Daher möchte ich den Schnappschuss gerne vorstellen.

Profi Douglas Abuelo meint zum Bild von Tobias Daniel Kammann:

Viele von uns können mit dieser Szene etwas anfangen, da die meisten das ein oder andere Mal in derselben Situation waren. Am Ende eines langweiligen Tages sitzt man in einem heißen, lauten Waschsalon und wartet, dass der Trockner piept. Wer würde daran denken, die Kamera zu zücken und Fotos zu machen?

Dieses Foto ist ein tolles Beispiel dafür, dass wir uns mehr auf die Orte, an denen wir unsere Zeit verbringen, einstimmen sollten.

Da wir so sehr an diese Orte gewöhnt sind, fällt es uns anfangs wahrscheinlich schwer, ihre interessanten Seiten zu sehen. Versucht, mit dem Sucher deiner Kamera neue oder ungewöhnliche Perspektiven zu finden. Mit etwas Mühe und ein bisschen kreativem Denken sollte das nicht so schwer sein.

Bei diesem Foto ist der Fotograf einfach auf die Szene gestoßen und hat ihr fotografisches Potenzial wahrgenommen.

Er hat die Szene gut eingefasst, indem er die Linien und Formen auf dem Boden und auf der rechten Seite benutzt hat, um den Betrachter durch den ganzen Bildrahmen zu führen. Entlang des Bildrahmens bemerken wir die Dinge, die auf dem Boden liegen. Diese Dinge und der Frauenfuß auf der rechten Seite machen das Besondere an diesem Foto aus.

In der Art, wie die Dinge auf dem Boden angeordnet sind, könnten sie Müdigkeit, Ungeduld oder Frustration ausdrücken. Das passt perfekt zu der Atmosphäre und der Situation.

Da wir nur den Fuß der Frau sehen, entsteht ein Gefühl des Rätselhaften und Unbekannten. Wer ist sie und was macht sie dort hinten, während sie auf ihre Wäsche wartet?

Es war eine gute Entscheidung, die Farben eher eintönig und nicht zu satt zu wählen. So entsprechen sie mehr der Realität in einem Waschsalon.

Nun, gebt eure Flugtickets zurück und macht einen Spaziergang um den Block. Die Wahrscheinlichkeit, auf ein interessantes Motiv so wie dieses hier zu treffen, ist ziemlich groß.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
Mehr über die Profi-Bildkritik erfahren / Eigene Bilder zur Kritik einreichen.

2 Kommentare
  1. Tobias Daniel Kammann
    Tobias Daniel Kammann sagte:

    Hallo.

    Vielen Dank erst einmal für die Kritik. Und den Aufruf des „erstmal vor der eigenen Haustür kehren“ finde ich auch gut. Wenn man sein Flugticket doch nicht zurückgeben möchte, so kann man dann trotzdem das eigene Viertel, wo man die Menschen, die Kultur und jede Ecke kennt (oder einfach kennenlernen kann), zum Trainieren benutzen für die Einsätze in der Ferne. :-)

    Das Bild ist mit 1.8er Blende aufgenommen. Die Schärfe liegt weit weg genau auf der zentralen Waschmaschine (~6 meter?). Je weiter die Schärfeebene von der Kamera entfernt ist, desto „breiter“ ist ja der Schärfebereich. Hätte ich mich direkt vor den Besenstiel gekniet und diesen fokussiert (Abstand dann vielleicht unter 1 Meter), wäre der Hintergrund auf jeden Fall viel unschärfer geworden.

    Viele Grüße.

    Antworten
  2. Pascal
    Pascal sagte:

    Das Motiv und die farbliche Umsetzung ist der Tat absolute Spitz, gefällt mir sehr gut, Gratulation!. Ich bin allerdings etwas verwundert über die Kameradaten. Für Blende 1.8 ist die Schärfentiefe überaschend gross (sogar der Besenstil wird noch relativ gut abgebildet) Aus reiner Neugier: kann das wirklich sein?
    Zudem würde ich die leichte Verzerrung noch korrigieren damit die senkrechten Linien gerade verlaufen.

    Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar zu Tobias Daniel Kammann Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert