In Hamburg: Aktuelle deutsche Fotokunst

Wie schaut aktuelle deutsche Fotokunst aus? Diese Frage beleuchtet eine Ausstellung in den Hamburger Deichtorhallen.

Hans-Christian Schink: 1/09/2008, 4:38 pm - 5:38 pm, N 21°48.913 E 006°30.297, 2008Weil hier gerade so viel vom Mondfotografie die Rede ist: In den Hamburger Deichtorhallen werden die schwarzen Sonnen von Hans-Christian Schink unter der Rubrik „aktuelle Position deutscher Fotokunst“ zur Diskussion gestellt.

Inspiriert von dem Foto „Black Sun“, das der amerikanische Fotograf Minor White vor einem halben Jahrhundert machte, erarbeitet Hans-Christian Schink seit einigen Jahren eine Bilderfolge mit dem Titel „1 h“. Er verwendet die Technik der Solarisation, bei der er die Belichtung einer Landschaftsszene auf eine Stunde ausdehnt und somit die Sonne derart überbelichtet, dass ihr Verlauf auf dem Foto schwarz erscheint. Die einstündige Sonnenbahn erscheint als fremdartig wirkender dunkler Streifen am Himmel. Die Fotografie zeichnet die Wirklichkeit auf und verändert sie zugleich. Die Bilder sind wissenschaftlich genau bezeichnet mit Uhrheit und den geografischen Daten. Wir sehen diese und andere Arbeiten auf Hans-Christian Schinks Website.

Dörte Eißfeldt: Eißherbst, 1999Dörte Eißfeldts fotografische Arbeit, die sie seit über 30 Jahren konsequent verfolgt, stemmt sich gegen die Flüchtigkeit heutiger Medienbilder. Eine anhaltende Beschäftigung mit Malerei und Film geben entscheidende Impulse. Filmische Mittel wie Montage, Bewegungsabläufe und Rhythmus werden in die Fotografie aufgenommen. In ihren Bilder bleibt „der Entstehungsprozess, die Spuren der Arbeit sichtbar bzw. transparent“, so Eißfeldt. Um „die Kluft zwischen Bild und Realität deutlich aufscheinen zu lassen“, eignen sich der Künstlerin nach elementare Motive wie Wasser, Erde und Luft besonders gut. Dörte Eißfeldt sagt: „Fotos machen bedeutet für mich, mit Nachbildern umzugehen. Es bedeutet, eine Sammlung anzulegen, den Fundus, aus dem sie sich artikulieren.“ Dörte Eißfeldts Website.

Natalie Ital - aus der Serie Bio Box Burger, 2005, FotogrammNatalie Ital gleicht mit ihren Fotogrammen einer Koloristin, die unsere visuelle Wahrnehmung anzuregen vermag. Dabei erzeugt sie mit ihrer intensiven Wirkung von Farbe, Licht und Schatten eine fast psychedelische Aura. Ihre Motive zeigen in collagierter Form Silhouetten von Menschen, Pflanzen und Konsumartikeln. So finden sich zahlreiche Anspielungen auf eine Popkultur aus Trash und Kitsch – von banal bis metaphysisch also. Natalie Ital lotet mit technischer Finesse die Möglichkeiten einer kameralosen Fotografie aus – einer ins abseits geratenen Technik, die sie für sich seit den Neunzigerjahren konsequent weiterentwickelt. Schaut euch Natalie Itals Website an.

Jenny Rosemeyer: Gammelfleisch und Ungeziefer, 2007, Fotocollage

Jenny Rosemeyer sammelt ihre Bilder aus verschiedenen Bestandteilen zusammen, macht also Collagen. Neben collagierten Papierarbeiten entstehen auch Objekte und Wandmalereien, die sie in der Ausstellung zueinander in Beziehung setzt. Sie benutzt die Fotografie als ein Material unter vielen. Aber sie bildet dennoch die Basis, aus der heraus sich alles Weitere entwickelt – so als bräuchte Jenny Rosemeyer die heutige Bilderflut, um mit ihrer Kunst eine Gegenwelt aus erstarrten Bildern zu erschaffen.

Andreas Gefeller: Ohne Titel (Kunstakademie), 2009Gefellers Arbeiten sind Beiträge zur Vermessung der Welt. Der Raum ist Koordinate und Konstruktionsprinzip zugleich. Ob als erzählerischer „Ground Zero“ in seiner Arbeit über Tschernobyl, oder als eine Art bedrohlicher Hypermaschine in den Langzeitbelichtungen von Freizeitarchitektur auf Gran Canaria – die von Gefeller fotografierten Orte werden zu Gleichnissen einer vom Menschen dominierten Welt. In seiner „Werkgruppe Supervisions“ fotografiert Gefeller in aufwändiger Technik die Oberflächen von städtischen Räumen. Hierbei werden bis zu 2500 Einzelaufnahmen zu einem digitalen Mapping zusammengesetzt. Dennoch bleibt er immer nahe an der Wirklichkeit. Er zeigt uns reale Räume aus einer fiktiven Perspektive. Mehr Infos und Bilder auf Andreas Gefellers Website.

Andrea Sunder-Plassmann - aus der Serie Selbst 1986Gemeinsam ist den für die Ausstellung „Veto“ ausgewählten fotografischen Positionen, dass sie offen angelegt sind, mit verschiedenen Perspektiven spielen. Digitale Konstruktionen, Bezüge zur Zeichnung, Filmbild oder Malerei sowie die Verbindung neuer und alter Techniken sind künstlerische Mittel, mit denen sich die Fotokünstler gegen die Vorstellungen einer schnell erfassbaren (Medien-) Bilderwelt stellen. Das Bild hat keinen Belegcharakter mehr für das Wirkliche, sondern formuliert einen Glauben an das Kunstwerk als Objekt mit seinen eigenen Gesetzen.

Veto – Zeitgenössische Positionen in der deutschen Fotografie
Dörte Eißfeldt, Andreas Gefeller, Christoph Girardet & Matthias Müller, Beate Gütschow, Natalie Ital, Jenny Rosemeyer, Hans-Christian Schink, Andrea Sunder-Plassmann
Bis 15. November
Haus der Photographie / Deichtorhallen Hamburg, Deichtorstraße 1 – 2, D-20095 Hamburg
+49 (0)40 321030, mail@deichtorhallen.de
Geöffnet Dienstag bis Sonntag 11 – 18 Uhr

Haus der Photographie / Deichtorhallen Hamburg
Hans-Christian Schink
Natalie Ital
Dörte Eißfeldt
Andreas Gefeller

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert