Indonesische Marktfrau: Genre-Porträt

Fotografische Porträts von Menschen im Alltag oder auf der Strasse lassen viele Optionen offen. Das Genre wird derzeit durch Lifestyle-Magazine und Modeblogs in eine klar definierte Ecke gedrängt.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Peter Bundrück).

Kommentar des Fotografen:

Dieses Foto zeigt eine Verkäuferin auf dem Markt in Bukittinggi/Sumatra. Bei meinen Reisen bin ich oft auf Märkten unterwegs.Märkte haben den Vorteil das man mit den Leuten schnell ins Gespräch kommt. Da ich die Menschen nicht abschiessen mag, ist mir das sehr wichtig.

Dass ich etwas Indonesisch spreche ist dabei eine grosse Hilfe. In der Regel ist es kein Problem ein Foto zu machen .Oft werde ich auch darauf angesprochen. Allerdings ist nie viel Zeit, da die Verkäufer ja auch noch ihre Arbeit haben.

Warum habe ich dieses Foto gemacht? Zuallererst möchte ich, dass diese Menschen nicht vergessen werden. Hört sich komisch an, aber Indonesien ist, seit den Anschlägen in Bali, völlig von unserem Radar verschwunden. Ich möchte ihre Offenheit und Freundlichkeit deutlich machen. Den Leuten geht es oft sehr schlecht und es fehlt ihnen meist das Nötigste. Gerade auf den äußeren Inseln. In all den Jahren, die ich Indonesien bereise, wurde mir stets geholfen, und ich kam nie in die Verlegenheit, auf der Straße übernachten zu müssen. Die Menschen sind sehr am Westen interessiert. Nur wir leider nicht an Ihnen.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Peter Bundrück:

Eine Frau lehnt sich in entspannter Haltung auf ihre beiden Unterarme über einen Tisch oder ein Pult zur Kamera hin. Sie trägt einmit Spitzen verziertes Kopftuch und scheint sich locker mit dem Fotografen zu unterhalten. Das Oberkörper-Porträt hebt sich durch starke Farben und das weisse Kopftuch dreidimensional vom dunklen Hintergrund ab.

Zunächst wär ich beim Betrachten dieses Bildes eigenartig an die Genremalerei der Holländer und Flamen im 16. Jahrhundert und danach erinnert: Stark vom Licht geprägte Personenbilder, die Alltagsszenen und Menschen zeigen, die in der Auftragsmalerei der feudalen Gesellschaft eigentlich nicht vorkamen: Bauern und Bedienstete, Kleinbürger und sogar Randständige.

Mag sein, dass mich an Deinem Bild vor allem das Kopftuch an die Bauerntracht des späten Mittelalters in weiten Teilen Europas und eben an die bekannten Gemälde aus dem Raum der Niederlande erinnerte, aber auch die Haltung der porträtierten Frau, dieser zeitlose Moment, der aber doch ein klares Posieren voraussetzt, passen zu diesem Stil, wie er in Bildern der Bruegels oder Jan Vermeers zu finden ist.

Interessant ist das deshalb, weil es Dir bei der Aufnahme ja just um das gleiche Ziel geht wie den Malern damals: Den Alltag und die Menschen darin zu zeigen und zu würdigen, die in der Glitzerwelt der Medien oder eben der „grossen“ Malerei nicht vorkommen/vorkamen.

Aber so ansprechend das Porträt als reines Personenbild ist: Deinen Wunsch, die Menschen in einer ganz bestimmten Region der Welt uns hier im Westen näher zu bringen, vermag es nur zu einem Teil zu erfüllen.

Denn es gibt in diesem Porträt nahezu nichts, was eine Lokalisierung oder eine sonstige Zuordnung der Frau zu einem „Genre“ erlauben würde: Weil sie formatfüllen porträtiert worden ist und dazu posiert, deuten keine Arbeitsinstrumente oder Waren auf ihre Tätigkeit hin.

Ausserdem lenken die Pigmentflecken auf ihrer Haut weiter ab und machen allein schon den Versuch einer Zuordnung zu einer Ethnie schwierig bis unmöglich. Selbst die Kleidung ist, abgesehen von dem sehr auffälligen und – nehme ich an – typischen Kopftuch mit den Spitzen nicht als Anhaltspunkt nutzbar.

Das muss nicht gegen das Bild sprechen, ich finde nämlich allein den menschlichen Ausdruck, die gesamte Haltung der fotografierten Person durchaus spannend, aber mit Deiner Absicht und dem starken Bezug zu Indonesion ist es nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Technisch ist das Bild – von einer leichten Unschärfe abgesehen – sehr gelungen: Die Beleuchtung von rechts ist nicht zu hart, um die Schatten absaufen zu lassen, und der dunkle Hintergrund sorgt für eine hohe Plastizität: Die Frau lehnt sich geradezu aus dem Bild heraus.

Aber obwohl der Gesichtsausdruck, die Haltung der Frau und schliesslich die Spitzen und das gesamte Kopftuch einen stoppen und das Bild genauer studieren lassen, fehlt ihm meiner Ansicht nach der weiterführende Hinweis auf die Herkunft und die Arbeits- oder Lebensumstände der Frau, die es zu dem machen würden, was Du beabsichtigt hast.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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6 Kommentare
  1. Uwe S
    Uwe S sagte:

    Ein wunderschönes Portrait, an dem sich nur wenig verbessern lässt. Ich finde den dunklen Hintergrund perfekt.

    Zu den wenigen Verbesserungsmöglichkeiten: Man sagt Kleider Leute, aber auch ihr Beruf prägt die Menschen. In diesen Fall hätten ein paar Waren des Marktstandes am unteren Bildrand das Portrait abgerundet.

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  2. gusak
    gusak sagte:

    Ich kann die Kritik am mangelnden Umfeld leider nicht verstehen. Nur weil die Frau nicht in unserem Kulturkreis wohnt, braucht sie Folklore im Hintergrund? Ein Foto eines Deutschen ohne Lederhose, der nicht vor einem Fachwerkhaus steht, kann keine Bildaussage transportieren? Kopfschuettel, Gusak.

    Antworten
    • thomas deuer
      thomas deuer sagte:

      Dein Argument ist zwar überzeichnet, im Prinzip aber richtig. Als ob eine Person nur im Zusammenhang seines Umfeldes eine (richtige?) Aussage zulässt. Eine Person als Soloelement hat also keine Aussage wenn das Lokalkolorit nicht ebenso interpretierend, unterstützend beigefügt ist.
      Im Gesicht und Haltung der Frau ist doch, zumindest für mich, eine ganze Lebensgeschichte zu erahnen wenn nicht gar zu lesen.

  3. Peter Bundrück
    Peter Bundrück sagte:

    Ersteinmal vielen Dank für die fundierte und sachliche Kritik. Bekommt man leider viel zu selten!

    Den Punkt das nichts auf die Tätigkeit der Person hindeutet kann ich nachvollziehen.
    Wahrscheinlich habe ich nicht das richtige Foto aus der Serie gewählt da der schwarze Hintergrund eigentlich untypisch ist. Normalerweise sind da Waren zu sehen.In dem Fall fand ich diesen „Studiomässigen“ Hintergrund gut um die Frau besser darzustellen. Gleichzeitig verliert man damit natürlich einen Bezugspunkt . Das stimmt.

    Das angesprochene Kopftuch ist weit verbreitet im größten moslemischen Land Indonesien und in Malaysia. Schon kleine Mädchen tragen es wenn sie zur Schule gehen müssen.
    Die angesprochenen Pigmentflecken sind sehr wahrscheinlich Verbrennungen.
    In Indonesien wie in ganz Süd Ost Asien wird meistens über Gas oder ,gerade in ärmeren Haushalten , über Holzfeuer gekocht. Viele Gerichte werden in heißem Öl frittiert .
    Es kommt immer wieder zu Unfällen mit schweren Verbrennungen . Ich denke so war es auch hier. Gerade an den Händen auch sehr typisch.

    Letztendlich ist das auch der wertvollste Punkt denn ich aus der Bildkritik ziehen kann :
    Ich muss mehr darauf achten das Betrachter völlig unvoreingenommen meine Fotos ansehen.
    D.h. Für mich ich muss mehr Infos zu den Bildern anbieten um die zusammenhänge besser rüber zu bringen.

    Besten Dank nochmal für die Mühe
    Peter

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  4. Archinese
    Archinese sagte:

    Hallo,
    ich verfolge die Bildkritiken regelmäßig mit großem Interesse. Mir gefällt dieses Portrait ausgesprochen gut. Nicht nur verrät das entspannte und freundliche Gesicht der Frau ein wenig von der Aufgeschlossenheit der Indonesier, die der Fotograf zeigen wollte, mir gefielen auch die warmen Farben und die kräftige Beleuchtung. Ich kann die Kritik von Peter Sennhauser in einem Punkt nicht ganz nachvollziehen: sicher hat sich Peter Bundrück inhaltlich viel vorgenommen, aber man müßte schon Ethnologe sein, um an Kleidung und Aussehen einer Person ihre Herkunft eindeutig bestimmen zu können. Sicher hätte ich gern etwas mehr vom Markt gesehen, davon, womit diese Frau handelt, aber als Teil einer Portraitserie könnte ich es mir gut vorstellen.

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