Kanu-Szene in Kanada: Eingeengte Berge

Die Komposition ist das komplexeste Problem der Landschaftsfotografie. Die Entscheidungen für Weitwinkel, Hochformat und Perspektive bilden im Idealfall eine sehr bewusste, auf die Bildaussage ausgerichtete Kombination.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Christian Schmid).

Kommentar des Fotografen:

Mein Bild wurde vor 2 Monaten in Kanada am Lake Louise aufgenommen. Es war frueh am Morgen und somit waren noch nicht ganz so viele Touristen dort… Die Boot wurden gerade zu Wasser gelassen und ich hatte die Moeglichkeit noch schnell ein Bild zu machen… Habe die Canon T1i mit einem 18-55 Objektiv verwenden.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Christian Schmid:

Ein majestätisches Tal zwischen schneebedeckten Bergen, ein eisblauer Fluss oder See, durch dessen klares Wasser man im rechten Vordergrund des Bildes gesunkenes Treibholz erkennt, und im Vordergrund ein Holzsteg mit einer Reihe knallroter Kanus, die zu eimer Erkundungsfahrt einladen.

Als erstes fällt uns an dem Bild der knallige Kontrast zwischen dem Blau des Sees, dem Dunkelgrün der dichtbewaldeten Berghänge rechts und den leuchtend orange-roten Kanus auf: Die Farbgebung der Boote scheint sinnvoll, weil so kaum je Ausflügler mit einem der Kanus in der Landschaft verloren gehen können.

Technisch ist die Aufnahme weitgehend in Ordnung, allerdings brennt in der Höhe der verschneiten Felsklippen der gleissend weisse Nebel stellenweise aus, und auch die Boote vorne links haben keine Zeichnung mehr in den Seitenwänden. Angesichts von Blende zehn hätte hier leicht auch noch weiteres Ablenden bei antsprechend angepasster und vielleicht um eine Stufe verkürzter Belichtungszeit dringelegen.

Die Perspektive der Aufnahme und Deine Beschreibung lässt erahnen, dass Du diese Fotografie aus der Hand und wahrscheinlich am Ufer leicht über den Booten erhöht aufgenommen hast. Das ermöglicht einen Blick auf den Grund des Sees und zugleich hinauf in die Gipfel der Berge. Die Aufnahme hat keinen eindeutigen, dezidierten Vordergrund; die Boote liegen in der Tiefe bereits an der Grenze zum Mittelgrund, aber die Blickführung funktioniert, dam Tal sei dank, dennoch ganz klar vom Ufer vorne über den See im Hintergrund hinauf in die Berge.

Man kann sich vielleicht fragen, ob es sich nicht gelohnt hätte, noch näher an die Boote heran zu gehen und mit dem Weitwinkel – Du hast mit 18mm fotografiert – einen Bug in die linke vordere Bildecke zu nehmen und die Linien des Kanus ins Bild hineinführen zu lassen. Manchmal machen ein paar wenige Schritte und die kleine Mühe, sich auf die Knie zu begeben, den Unterschied zwischen einem passablen und einem richtig guten Bild aus – aber das bleibt erstens vor Ort auszuprobieren und hat natürlich zweitens klare Auswirkungen auf die Bildaussage.

Das gilt indes generell für die Wahl der Brennweite, der Perspektive und der Komposition in Landschaftsfotografien – es sind dies schliesslich die einzigen Gestaltungsmittel, die der Fotograf beeinflussen kann.

Wer sich einmal die Zeit nimmt, an einem Standort alle extremen Möglichkeiten auszuprobieren oder in einem Workshop mit einem Dutzend anderer Teilnehmer eine halbe Stunde lang die gleiche Szenerie fotografiert wird danach erstaunt feststellen, dass die Bilder sich nicht nur leicht unterscheiden, sondern bisweilen wie aus einer anderen Gegend zu stammen scheinen.

Das wiederum ist ein Plädoyer dafür, nicht einfach vom erstbesten Standort abzudrücken, wenn man in einer beeindruckenden Landschaft unterwegs ist, sondern zu versuchen sich klar zu werden, was einen an der Landschaft fasziniert und wo die Emotionalität herrührt, dann Hinter- und Mittelgrund zu erforschen und sich danach ausgiebig auf die Suche nach einem passenden und zugleich spektakulär unerwarteten Vordergrund zu machen.

Danach stellt sich noch immer die Frage, welche Komposition die beste ist – und das ist nicht einfach die Wahl eines passenden Bildrahmens, sondern hängt meist mit den Gründen zusammen, weshalb einen eine Landschaft berührt: Extremweitwinkel und Querformat schaffen Weite und schieben die Dinge vom Betrachter weg. Mit Normalbrennweiten entsteht ein natürlicher Eindruck, und mit dem Tele lässt sich Dichte und Enge vermitteln.

Du hast hier für ein sich im Hintergrund extrem verengendes V-Tal einen Weitwinkel und ein verstärktes Querformat gewählt, und ich frage mich vor allem, was Dich zum nachträglichen Beschnitt bewegt hat. Zum einen bleibt den Bergen in dieser Komposition nämlich kaum mehr Luft zum atmen, und die Wolkenfetzen in den Gipfeln, welche die Dramatik der Umgebung am Morgen wunderbar verstärken könnten, sind nur noch andeutungsweise zu erkennen. Zugleich ziehst Du mit dem Weitwinkel und mit dem Beschnitt das majestätische, vor Ort wahrscheinlich hoch und steil neben Dir aufragende Gebirge in die Breite und machst aus den Bergen fast schon Hügel.

Das ist kein Unglück, weil sich Deine Fotografie nach meinem Empfinden vor allem auf den See und die Kanus konzentriert, was mit dem wunderschönen Blick auf den Grund des Wassers in der rechten Hälfte des Vordergrunds verdeutlicht wird.Wäre es um die Betonung der Berglandschaft und die hochaufragenden Felswände gegangen, dann hätte eine Perspektive von dicht unten den See zu einer Waagerechten Linie in der Landschaft und die Berge ringsum zur hochaufragenden Kathedrale gemacht.

Trotzdem leidet das Bild meiner Meinung nach ein wenig unter der Unentschlossenheit, Dich auf die Breite oder die Höhe einzulassen. Und wenn es dafür ein eindeutiges Indiz gibt, dann ist es der fast genau durch die Bildmitte verlaufende Horizont der Seelinie – die in Deiner urpsrünglichen Komposition wahrscheinlich im untersten Bildrittel lag, was stimmiger wäre, aber stärker auf die Berg- als die Seekomposition hinwirkte.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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